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dpa

Wirbel um Kopftuch-Model in Werbevideo − mutig oder unverständlich?

Ein Werbeclip von H&M löst Wirbel aus. Eine Muslima mit Kopftuch

gehört zu den Models. Beifall kommt von vielen Frauen. Manche sehen das rein modisch, manche politisch, anderen ist der Wirbel

unerklärlich. Es geht am Rande auch um Tabus in der Werbung.

Köln (dpa) − Millionenfache Klicks, viele Medienberichte, auch vom

britischen „Guardian“ oder der „New York Times“: ein kurzes

Mode-Werbevideo sorgt für ungewöhnliche Aufmerksamkeit. Die Models

sind untypisch. In dem H&M-Video treten in schnellster Bildfolge etwa

ein Transgender auf, eine Seniorin im kurzen Röckchen, eine

Sikh-Turban-Truppe, ein Socken-In-Sandalen-Träger, ein

Übergewichtiger − und: eine Muslima. Und eben diese junge Schöne mit

modischer Sonnenbrille und Minipiercing löst Wirbel aus, denn sie

trägt ein Hidschab-Kopftuch. Die Resonanz ist groß. Auch wenn das in

Zeiten, in denen das Kopftuch in Köln, Berlin, London längst zum

Straßenbild gehört, manchen unverständlich erscheint.

Der Experte für sozialwissenschaftliche Marktforschung, Kai-Uwe

Hellmann, sieht einen künstlichen Hype. Der Clip sei „ästhetisch

glattgebügelt“ und beinhalte kein echtes Statement. Eine inhaltliche

Auseinandersetzung mit dem Kopftuch, seiner Rolle oder mit dem Islam

erwartet er nicht. Dem Hersteller − einem der weltweit größten

Textilhandelsunternehmen mit rund 3500 Geschäften in fast 60 Ländern

- gehe es nur um Absatzzuwachs. Die schmale Botschaft laute, in der

Mode sei alles erlaubt. „Das ist eine Nulldurchsage.»

Manche denken an die sozialkritischen Werbekampagnen von Benetton -

mit Schockbildern in den 90er Jahren oder an die provokativen Plakate

mit küssenden Machthabern vor rund zehn Jahren zurück. Daran komme

H&M bei weitem nicht heran, sagt Hellmann. Ebenso nicht an die

Dove-Werbung gegen den Schlankheitswahn − mit den posierenden

kräftig-runden Frauen.

Lamya Kaddor, Gründerin des Liberal-Islamischen Bunds, kann den

Wirbel um das Hidschab-Model gut nachvollziehen: „Ja, ich verstehe

die Aufmerksamkeit. Man schaut deshalb zweimal hin, weil man ein

weibliches Muslim-Model nicht vermutet.“ Damit würden nun gezielt

auch fromme Muslime von der Modebranche angesprochen, meint Kaddor,

die auch islamische Religion unterrichtet − und fragt: „Warum darf

man sein Haupthaar nicht bedecken und dabei gut aussehen?»

Die Kette H&M wirbt mit dem Slogan „Verpasse nicht den Film, der alle

Regeln bricht.“ Auf dpa-Anfrage erklärt eine Sprecherin, es gehe um

„den Bruch mit vermeintlichen Moderegeln“. Der Clip solle die

Vielfalt der Kunden widerspiegeln. Ein Model im Hidschab in der

Mainstream-Mode sei eine Errungenschaft, meint das Magazin „Elle“. In

anderen Medien ist von Toleranz die Rede. Das in England lebende

Modell erzählt in einem Interview von massenhaften Zuschriften. Viele

wollten schlicht wissen, wie sie ihren Hidschab binde. Es gibt auch

Kritik − so eine Stimme auf Facebook. Das mit dem Kopftuch-Model sei

ja schön, aber: „Wenn es darum geht, in H&M zu arbeiten mit einem

Kopftuch, kriegt man (...) nur Absagen.“ .

Der Hidschab ist das islamische Kopftuch, das Haare, Hals und Ohren

bedeckt, mitunter auch die Schulter. Viele muslimische Frauen tragen

es selbstbewusst und aus Modegründen. Andere sehen das Kopftuch als

Zeichen der Unterdrückung. Die Kölner Islamexpertin Lale Akgün

kritisiert, dass H&M zwar Mode-Normen aufheben und hier Freiheit

propagieren will. „Aber das islamische Kopftuch ist gerade das

Gegenteil davon“, sagt die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete. „Der

Hidschab ist in den Augen der orthodoxen Muslime kein Modeaccessoire,

sondern eine religiöse Pflicht.“

Der Medienethiker Alexander Filipovic hält das Video nicht für einen

Tabubruch, höchstens für etwas provokativ. „Mode ohne Regeln − das

ist an sich nicht originell“. Die Kopftuch-Muslima sei damit in der

Werbung hierzulande auch nicht neu erfunden worden. „Interessant ist

dennoch, wie viele junge muslimische Frauen es offenbar bemerkenswert

finden, dass sie hier repräsentiert sind. Das weist auf eine

Leerstelle in unserer Medienwelt hin.“ Eine Reflexion über das

islamische Kopftuch erwartet auch Filipovic nicht. Er mahnt ganz

grundsätzlich: „Hier, wie bei jeder anderen Kampagne, gilt: Wir

sollten nicht auf die Werbung hereinfallen.»