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dpa

Hasenzüchter adé? „Lokaljournalismus muss investigativer werden“

Print-Leser sterben weg und die Online-Konkurrenz ist groß: Die Digitalisierung zwingt die Medienbranche zum Umdenken. Doch gerade für kleine Heimatzeitungen kann das auch eine Chance sein.

Nürnberg (dpa) − Lokaljournalist Benjamin Piel ärgert sich über manche Filme, in denen Vertreter seiner Zunft auftauchen. „Meistens kommen die dabei nicht gut weg“, sagt der frischgebackene Chefredakteur des „Mindener Tageblatts“. „Sie werden platt dargestellt und stolpern immer wie durch Zufall zu ihren Storys.“ Ein Klischee, das seiner Meinung nach längst überholt ist. Lokaljournalismus sei besser als sein Ruf.

 

Einen Imagewandel sieht Journalistik-Professorin Wiebke Möhring von der Technischen Universität Dortmund. Sie beschäftigt sich seit 1995 schwerpunktmäßig mit Lokaljournalismus und hat in den vergangenen Jahren einen positiven Wandel festgestellt. „Das Lokale galt lange als Ressort, in dem man startet oder hängen bleibt“, sagt die Journalismus-Forscherin. Doch es habe an Bedeutung gewonnen. „Die Menschen haben nicht viele andere Möglichkeiten, um sich über ihre Region zu informieren.“ Das habe das Lokale dem Überregionalen voraus.

Die Herausforderung am Lokalen? „Man ist nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen und muss dabei doch die journalistische Distanz bewahren“, sagt Lokalmatador Piel. Der 34-jährige leitete vor seinem Chefredakteurs-Posten jahrelang die Redaktion der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“, die im niedersächsischen Lüchow-Dannenberg erscheint.

Mit Misstrauen und „Lügenpresse“-Vorwürfen sei er nicht so stark konfrontiert, sagt Piel. Das habe einen einfachen Grund: „Alles, was wir tun, ist überprüfbar.“ Doch dafür hätten natürlich auch Lokalzeitungen in Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel mit Auflagenverlusten zu kämpfen und müssten sich neu erfinden. Aber wie?

Antworten sucht die Branche beim Forum Lokaljournalismus, das am Mittwoch in Nürnberg startet. Veranstaltet wird es zum 24. Mal von der Zentrale für politische Bildung, diesmal in Kooperation mit den „Nürnberger Nachrichten“.

Rund 200 Köpfe aus der Medienbranche kommen unter dem Motto „Wenn aus Ideen Lösungen werden“ zusammen und debattieren über neue Wege. Auf der Agenda stehen Themen wie Reichweite versus Qualität, Bezahlmodelle für Inhalte im Netz und neue Akteure im Lokalen.

Yannick Dillinger, stellvertretender Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung und Digitalchef, ist mit von der Partie. Er sagt, anonyme Reichweite und Werbeerlöse seien nicht mehr das wichtigste. „Wir wollen Menschen „loyalisieren“. Sie sollen immer wieder auf unsere Portale kommen − und im Idealfall ein Abo abschließen.“

Das gelinge am besten mit starken Inhalten. Die Redakteure experimentierten viel und lernten durch Datenanalyse permanent hinzu − was Themensetzung und -umsetzung angehe. Neben dem Tagesgeschäft mit Texten, Grafiken, Videos erstellt die „Schwäbische“ auch so genannte Leuchttürme, um für Digitaljournalismus zu werben. „Man kann das auch Content-Marketing nennen“, so der 34-Jährige. Als nächstes seien Podcasts geplant, um sich grundsätzlich dem Thema Audio zu nähern.

Nicht alles würde sich immer sofort lohnen, aber Experimente seien wichtig. „Wenn wir nicht lernbereit sind, bekommen wir ein Problem.“ Die Zahl der Abos − aktuell seien es etwa 20 000 Digitalabonnenten − gehe zwar nach oben. Aber die Kündigungsquote sei noch zu hoch. „Unsere große Herausforderung ist es, die Haltbarkeit von Abos zu erhöhen“, sagt Dillinger.

Für Piel bedeutet der Wandel: Lokaljournalismus müsse sich von der reinen Vereinsberichterstattung etwas entfernen. „Jeder Schützenverein kann heute einen Newsletter herausgeben und bei Facebook publizieren, was immer er will.“ Und auch von ihrem Chronisten-Dasein müsse man sich in Lokalredaktionen verabschieden. „Journalismus ist ja nicht unbedingt, zum Schützenfest zu gehen und runter zu beten, was passiert ist.“

Stattdessen müsse man eigene Themen setzen. „Lokaljournalismus muss investigativer werden“, sagt Piel. Nur abzubilden, was passiere, sei auf Dauer langweilig und man werde seiner eignen Rolle nicht ganz gerecht − „weil wir auch Korrektiv sind und eine Wächterfunktion haben.»