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Trotz Jubiläum: Zeitungsredaktionen zeigen Theodor-Wolff-Preis die kalte Schulter

Nur 80 von 300 Zeitungen machen mit beim Theodor-Wolff-Preis. Viel zu wenig, findet Hans-Joachim Fuhrmann: "Ich bin davon überzeugt, dass es keine Zeitung in Deutschland gibt, in der im Laufe eines Jahres nicht mindestens ein Beitrag veröffentlicht wird, der Theodor-Wolff-Preis-verdächtig ist. Doch offensichtlich fehlt es in vielen Redaktionen noch an Selbstbewusstsein."

 

Berlin - Harald Martenstein, geistreicher Autor der Wochenzeitung Die Zeit, gehört 2012 ebenso zu den Gewinnern wie Lars Fischer von der Wümme-Zeitung, Philip Cassier von der Berliner Morgenpost, Alexander Gorkow von der Süddeutschen Zeitung und Volker Zastrow von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Die Gewinner ausgewählt hat die Jury, die aus Markus Günther (Journalist, Augsburg), Peter Stefan Herbst (Chefredakteur „Saarbrücker Zeitung“), Bernd Hilder (Journalist, Leipzig), Christoph Irion (Chefredakteur „Reutlinger General-Anzeiger“), Bernd Mathieu (Chefredakteur „Aachener Zeitung“ und „Aachener Nachrichten“), Bascha Mika (Publizistin, Berlin), Evelyn Roll (leitende Redakteurin, „Süddeutsche Zeitung", München) und Franz Sommerfeld (Vorstandsmitglied Mediengruppe M. DuMont Schauberg mit Zuständigkeit Redaktion, Köln) besteht.

 

Der Theoodor-Wolff-Preis wird seit 50 Jahren vergeben. Logo: BDZV

 

Ab sofort können Autoren sogar Artikel einreichen, die "nur" in der Online-Ausgabe der Zeitung erschienen sind.

NEWSROOM: Was genau verändert sich beim Theodor-Wolff-Preis?

Hans-Joachim Fuhrmann: Wir haben die Preiskategorien verändert: Künftig gibt es zwei Preise in der Kategorie Reportage/Essay/Analyse.

Einen Preis gibt es in der Kategorie Meinung/Leitartikel/Kommentar/Glosse. Die Kategorie „Lokales“ bleibt mit zwei Preisen unverändert.

Außerdem können künftig auch Arbeiten eingereicht werden, die nur online auf einer Zeitungswebsite veröffentlicht worden sind. Bisher konnten nur Artikel aus der gedruckten Zeitung prämiert werden.

NEWSROOM: Warum war es wichtig, die Regularien zu erneuern?

Hans-Joachim Fuhrmann: Was das Thema „online only“ angeht, so ist dies nicht mehr als eine Anpassung an die Redaktionswirklichkeit: Es ist mittlerweile keine Regel mehr, dass jedes journalistische Meisterstück in Print erscheint. Manche Perle gibt es nur auf der Website der Zeitung.

Mit der Überarbeitung des Kategoriensystems soll noch klarer sein, welche Darstellungsformen tatsächlich ausgezeichnet werden. Die bisherige Kategorie „Allgemeines“ gab allen Beteiligten, der Jury und den Bewerbern, ein hohes Maß an Freiheit und einen großen Entscheidungsspielraum. Doch zugleich war dies auch zu unverbindlich.

NEWSROOM: Welche Veränderungen wird es in der Jury geben?

 

Hans-Joachim Fuhrmann, Geschäftsführer Kuratorium Theodor-Wolff-Preis. Foto: BDZV

 

Hans-Joachim Fuhrmann: Wir haben in der Jury folgende Regel: Es gibt neun Juroren, die für jeweils neun Jahre vom Kuratorium gewählt werden. Derzeit ist ein Platz vakant. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, wer diesen einnehmen wird.

NEWSROOM: Wie kommt es eigentlich, dass in den vergangenen Jahren fast immer nur große Zeitungstitel wie FAZ oder Süddeutsche mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet wurden? Trauen sich die kleineren Zeitungsredaktionen zu wenig zu?

Hans-Joachim Fuhrmann: Das stimmt so nicht: Es waren auch viele Journalisten aus kleineren Häusern darunter. Ich bin davon überzeugt, dass es keine Zeitung in Deutschland gibt, in der im Laufe eines Jahres nicht mindestens ein Beitrag veröffentlicht wird, der Theodor-Wolff-Preis-verdächtig ist.

Doch offensichtlich fehlt es in vielen Redaktionen noch an Selbstbewusstsein: Von den über 300 Zeitungen, die es hierzulande gibt, beteiligen sich im Schnitt 70 bis 80 - mithin ein Viertel der Branche. Das könnten viel mehr sein.

Die meisten Titel sind mit einer einzigen Arbeit präsent. Bei den großen überregionalen Zeitungen sind es meist bis 50 und mehr. Aber auch etliche regionale Titel sind mit vielen Arbeiten dabei.

Wir wollen uns noch stärker dafür engagieren, dass sich noch mehr Zeitungsredaktionen beteiligen, denn die Jury ist überzeugt, dass noch mehr Schätze gehoben werden könnten. Auf der anderen Seite wundern sich die Juroren  über so manche vermeintlich Meisterleistung, die auf den Tisch kommt.

Brillanter Journalismus im Sinne des Theodor-Wolff-Preises hängt nicht davon ab, ob eine Zeitung groß oder klein ist. Herausragende Stücke gibt es hier wie dort. Allerdings haben die großen Zeitungen aufgrund ihrer Ressourcen freilich ganz andere Möglichkeiten. Diese Tatsache versucht die Jury übrigens bei ihrer Bewertung stets zu berücksichtigen.

NEWSROOM: Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht eigentlich Journalistenpreise?

Hans-Joachim Fuhrmann: Sie sind auf jeden Fall Ausdruck von Qualität. Journalistenpreise geben Ansporn und motivieren zu herausragenden Leistungen.

Mit Hans-Joachim Fuhrmann, dem Geschäftsführer des Kuratoriums des Theodor-Wolff-Preises und Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), sprach NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.

Lesen Sie hier Klein, aber fein: Theodor-Wolff-Preis für Wümme-Zeitung

Alle bisherigen Preisträger des Theodor-Wolff-Preises (seit 1962) gibt es auf JOURNALISTENPREISE, dem Portal für preisgekrönten Journalismus.