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Journalistenschulen verärgert: "Selbsternannte Retter brauchen die Redaktionen nicht"

Plant die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen tatsächlich eine Journalismus-Stiftung, ohne alle entscheidenden Kräfte einzubinden? Diese Frage taucht immer stärker auf, nachdem Newsroom.de in den vergangenen Tagen über die Wut und Enttäuschung vom gemeinnützigen Bildungswerk der Zeitungen (ABZV) berichtet hat. Wir haben uns umgehört.

Bonn - "Gratiskonkurrenz ruiniert die Bildungsinstitute, die sich aus Gebühren ihrer Teilnehmer finanzieren müssen", betont Thomas Müller, Leiter des Journalistenzentrums Haus Busch. Auch die Journalistenschule Ruhr "lehnt ein zentrales, steuerfinanziertes Bildungsangebot eines Anbieters ab", heißt es bei der Essener Einrichtung. Die wird inzwischen von der gemeinnützigen Aktiengesellschaft Medien-Akademie Ruhr getragen, dessen Aufsichtsrat Ulrich Reitz, Chefredakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" und Erster Journalist der Funke-Mediengruppe, vorsteht.

Die Weiterbildungseinrichtungen sind verärgert, weil die Landesregierung eine Journalismus-Stiftung plant, die auch Aus- und Weiterbildung von Journalisten in lokalen und regionalen Medien anbieten soll. In die Kritik ist vor allem auch die bereits aktive Initiative Lokaljournalismus NRW (Leitung: Professor Horst Pöttker) geraten, gerade weil sie staatsfinanzierte Weiterbildung kostenlos anbietet, ohne die anderen Einrichtungen einzubinden.

Staatliche Konkurrenz aus Dortmund

Für die Evangelische Medienakademie in Düsseldorf stellen die kostenlose Seminare der „Initiative Lokaljournalismus NRW“ eine deutliche Konkurrenz dar:  "Die Evangelische Medienakademie kann ihre Inhousekurse nicht kostenlos anbieten, da wir als gemeinnützige GmbH auf kostendeckende Einnahmen angewiesen sind. Durch kostenlose Angebote fallen zudem auch Anmeldungen zu frei ausgeschriebenen Kursen weg. Dies gefährdet die Seminarangebote auf Dauer. Viel sinnvoller fände ich es, sofern Mittel dazu vorhanden sind, diese zur Unterstützung in die verschiedenen journalistischen Ausbildungseinrichtungen zu investieren. Auf diese Weise würde ein breites Angebot von Einrichtungen gestärkt, die Redaktionen können ihre Partner für Fortbildung auswählen und langfristige Kontakte zwischen Medien und Fortbildungseinrichtungen würden gefördert", erklärt die Leiterin Kerstin Loos.

Die Evangelische Medienakademie in Düsseldorf bietet seit vielen Jahren unter anderem Fortbildungen für Printjournalisten an. Zusätzlich zu den frei ausgeschriebenen Kursen, beispielsweise auch ein vierwöchiger Volontärskurs, organisiert die Einrichtung auf Anfrage auch Inhousekurse für Redaktionen.

"Initiative Lokaljournalismus NRW unnötig"

Annette Hillebrand, Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg, kann über die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen nur den Kopf schütteln: "Wofür sind unsere Journalisten-Akademien denn da? Um Weiterbildung zu organisieren - und zwar zu den Themen, die die Redaktionen brauchen. Und in den Formaten, die passen - Inhouse, im Verlag, oder in der Akademie. Das klappt hervorragend, seit Jahrzehnten. Wir in Hamburg machen das übrigens auch in Kooperation mit den norddeutschen Verlegerverbänden."

Für Annette Hillebrand steht fest: "Selbsternannte Retter wie die 'Initiative Lokaljournalismus NRW' brauchen die Redaktionen nicht. Sie brauchen auch keine kostenlosen Häppchen-Seminare. Sie brauchen qualifizierte Weiterbildung. Und die gibt es."

"Das Journalisten-Zentrum Haus Busch steht einer Initiative der Landesregierung, eine Stiftung zur finanziellen Unterstützung der journalistischen Aus- und Weiterbildung zu gründen, grundsätzlich positiv gegenüber", erklärt Thomas Müller. Der Leiter des Hagener Journalisten-Zentrums betont: "Für viele kleinere und mittlere Medienunterneh­men und für viele Freie Journalisten ist eine Unterstützung von Weiterbildung durchaus nötig und wünschenswert."

Jedoch, so Müller, "darf es nicht zur Bildung von steuer- oder gebührenfinanzierten Parallelstrukturen kommen, die in Konkurrenz zu existierenden und bewährten Einrichtungen der journalistischen Aus- und Weiterbildung dann Gratisangebo­te anbieten. Die Kritik von Frau Füth an der Initiative Lokaljournalismus an der Uni Dort­mund halte ich für berechtigt. Gratiskonkurrenz ruiniert die Bildungsinstitute, die sich aus Gebühren Ihrer Teilnehmer finanzieren müssen."

Müller setzt auf das Prinzip Hoffnung: "Noch ist diese Idee einer Stiftung „Partizipation und Vielfalt“ nicht konkret ausgestaltet. Ihre Umsetzung sollte auf jeden Fall die vorhandenen Einrichtungen der Aus- und Weiter­bildung stärken und unterstützen, nicht jedoch deren Existenz gefährden."

Bildungsschecks und Bildungsprämien für Journalisten

"Die Journalistenschule Ruhr als freier Träger für die journalistische Aus- und Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Lokal- und Regionaljournalismus sieht sich den ethischen Grundsätzen eines Qualitätsjournalismus verpflichtet. Dazu gehört auch eine möglichst pluralistische und freiheitliche Angebotsstruktur im Bildungsbereich", erklärt die Essener Einrichtung auf Nachfrage.

"Ausdrücklich" begrüßt die Journalistenschule Ruhr "die vielfältige und lebendige Bildungsstruktur in NRW und lehnt ein zentrales, steuerfinanziertes Bildungsangebot eines Anbieters ab."

 

Das Logo der Journalistenschule Ruhr.

 

Die Hoffnungen der Journalistenschule Ruhr, die seit 1993 besteht (Gründungsleiterin: Gabriele Bartelt-Kircher), sind simpel - anstelle eines neuen Wasserkopfes sollte die Landesregierung Journalisten, die sich weiterbilden möchten, direkt fördern: "Es könnte durchaus Sinn machen, wenn sich die Landesregierung NRW entschließen könnte, mögliche Bildungsinteressenten aus dem Journalismus nach klaren Kriterien direkt finanziell zu unterstützen - ähnlich den Modellen Bildungsscheck und Bildungsprämie. Dadurch könnten insbesondere Redakteure in kleineren Verlage oder auch freie Journalisten zum Besuch von hochwertigen Bildungsmaßnahmen motiviert werden."

Newsroom.de-Leser Robert B. Fishman hat schon öfter erlebt, "dass viele Kurse entweder ganz schnell ausgebucht sind oder der Veranstalter sie wegen zu wenigen Anmeldungen wieder absagt".

Fishman glaubt: "Die Landesstiftung könnte diese Lücke schließen und vor allem Fortbildungen auch für diejenigen anbieten, die sich die Teilnahmebeiträge der anderen Anbieter, auch der relativ günstigen ABZV, nicht leisten können."

Bülend Ürük

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