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Verwaltungsrat Leonhard Dobusch will ZDF „faschismusfest machen“

Dobusch sieht das ZDF auf einem guten Weg und hadert mit den etablierten Parteien, die sich von der AfD treiben lassen.

Berlin (KNA) – Der Innsbrucker Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch wurde 2016 für die Interessensgruppe „Internet“ in den ZDF-Fernsehrat berufen. Dort machte er sich schnell einen Namen als Digitalexperte und Transparenzverfechter. Mit seiner regelmäßigen Kolumne „Neues aus dem Fernsehrat“, die er für netzpolitik.org schrieb, sorgte er für eine neue Offenheit in den traditionell eher verschlossenen Gremien.

 

2022 wurde er in den Verwaltungsrat der Mainzer Anstalt gewählt. Nun geht der gebürtige Linzer Mitte Juni in den Stiftungsrat, das oberste Gremium des österreichischen Rundfunks ORF – weshalb seine Kolumne ab Sommer dann eben „Neues aus dem ORF“ heißen wird. Im Interview spricht er über seine Beweggründe, die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich und über klare Kante gegen Rechts.

 

Warum der Wechsel vom ZDF zum ORF, Herr Dobusch?
In Österreich ist gerade ein neues ORF-Gesetz verabschiedet worden, das Fortschritte bei der Gremienaufsicht bringt: Die Zahl der von der Regierung zu besetzenden Plätze wurde reduziert. Die Mandate wurden erstmals öffentlich ausgeschrieben, ihre Besetzung ist begründungspflichtig. Und bei einem Regierungswechsel werden sie nicht mehr automatisch neu besetzt – das war früher üblich.

 

Ist der ORF jetzt fortschrittlicher als die deutsche Gremienaufsicht?
Ein bisschen hat sich verändert, aber der ORF-Stiftungsrat ist weiterhin stark von der aktuellen Bundesregierung beeinflusst. Das ist beim ZDF, das ja ein nationaler Sender ist, ganz anders.

 

Trotzdem zieht es Sie nach Österreich …
Ich bin jetzt rund neun Jahre in den ZDF-Aufsichtsgremien tätig und fand das sehr bereichernd. In einigen Bereichen konnte ich vielleicht auch ein bisschen etwas bewegen. Mein Herzensprojekt der letzten zweieinhalb Jahre war eine Studie über das digitale Public-Value-Potenzial, die jetzt veröffentlicht ist. Das ZDF ist gut aufgestellt – Open Source, gemeinsames Streamingnetzwerk mit der ARD –, da ist jetzt ein guter Zeitpunkt zu gehen. Beim ORF gibt es noch viel zu tun.

 

Was konkret?
Ich engagiere mich seit jeher für offene Software, offene Standards und freie Lizenzen. Das ZDF hat schon vor fünf Jahren begonnen, „Terra X“-Videos unter freien Lizenzen und Wikipedia-kompatibel zu veröffentlichen. Die ARD ist mit der „Tagesschau“ nachgezogen – aber vom ORF gibt es noch kein einziges Video, das Wikipedia-kompatibel ist.

 

Wer hat mehr profitiert – Sie vom ZDF oder das ZDF von Ihnen?
Ich habe sicher mehr vom ZDF gelernt. Ich war einer von 60 Fernsehräten und später einer von zwölf Verwaltungsräten. Ich habe mir zwei Themen herausgepickt, bei denen ich konkrete Vorstellungen hatte. Mein Verständnis von öffentlich-rechtlichen Medien hat sich in dieser Zeit deutlich erweitert.

 

Sie haben mit „Neues aus dem Fernsehrat“ bei netzpolitik.org für Transparenz gesorgt.
Für mich ist das Bloggen eine Form des öffentlichen Nachdenkens. Wie Kleist sagte: „Die Verfertigung der Gedanken beim Reden.“ Ich schreibe auch, um inhaltliche Diskussionen anzustoßen – nicht über 85 Cent Rundfunkbeitrag mehr oder weniger, sondern über die Frage: Was bekommen wir für diese 85 Cent?

 

Für manche sind diese 85 Cent ein rotes Tuch – etwa für Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Was ist für Sie die größte Herausforderung?
Ganz klar: die Fundamentalangriffe von Rechtsaußen. Die Mehrheit der Bevölkerung teilt diese Positionen nicht. Studien zeigen, dass das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk höher ist als in private Medien. Aber die etablierten Parteien lassen sich treiben – anstatt klare Kante gegen rechtsextreme Kritik zu zeigen.

 

Viele Politiker versuchen dennoch, mit Kritik am Rundfunk gegen die AfD zu punkten …
Das ist Appeasement – und das hat gegen den Faschismus noch nie funktioniert. Wir müssen die Öffentlich-Rechtlichen faschismusfest machen und stärken. Denn vertrauenswürdige Medien werden seltener sichtbar – die Plattformlogik verringert ihre Reichweite massiv.

 

Warum haben Rechte weniger Probleme mit diesen Plattformen?
Sie haben sich eigene Medienangebote aufgebaut – in Österreich seit 20, in Deutschland seit 10 Jahren. Diese erreichen heute große Reichweiten. Die Algorithmen privater Plattformen verstärken den emotionalisierten Diskurs. Das ist – leider – eine „winning strategy“, weil sie die Glaubwürdigkeit anderer Medien gleichzeitig untergräbt.

 

Sollen Rundfunkgremien da nicht gegensteuern?
Natürlich. Die demokratische Rückbindung durch die Gremien ließe sich leicht verbessern – zum Beispiel durch geloste Mitglieder. Stattdessen werden sie verkleinert, wie gerade beim SWR. Das ist ein Fehler. Eine Mischung aus Entsendung und Losverfahren würde die Gremien demokratischer und vielfältiger machen.

 

Wie schaut man als ZDF-Verwaltungsrat eigentlich auf die ARD?
Wenn man beim ZDF stolz war, an einem Punkt besser zu sein als die ARD, habe ich immer gesagt: Das ist der falsche Maßstab. Das ZDF hat als nationaler Sender mit klarer Struktur andere Möglichkeiten. Die ARD hingegen beeindruckt mich immer wieder – trotz ihrer föderalen Struktur gelingt es ihr, als Einheit wahrgenommen zu werden. Man kann nicht gleichzeitig regionale Nähe und die Effizienz eines nationalen Senders erwarten.