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Übersicht: 7 typische Rezeptionsfallen von Agenturartikeln

Wie Redaktionen Lesedauer erzeugen - diese Fehler sollten die Redaktionen vermeiden.

Berlin - Egal wie unterschiedlich die Leser verschiedener Tageszeitungen sind - in der neuen Studie hat Medienforscher Carlo Imboden typische Angebotsmuster in den Agenturmeldungen herausgearbeitet, auf die Leser notorisch mit einem Abwehrreflex reagieren.

Die ersten fünf betreffen Themenmuster, die Leser im überregionalen Teil ihrer Zeitung überhaupt nicht goutieren. Eine Rezeptionsfalle betrifft die Verpackung des Artikels, das Story Design, sowie den Schreibstil, das Story Telling.

1. Spekulatives und Vorschauen

Beliebt bei Agenturen sind Vorschauen auf Konferenzen und die Spekulation über mögliche Positionen der Teilnehmer. Jedoch - der Leser interessiert sich dafür überhaupt nicht - selbst die, die sich für Politik interessieren, steigen bei diesen Artikeln früh aus. Für die Zeitungsredaktion macht es da ausgesprochen wenig Sinn, diese Artikel abzudrucken.

2. In der Logik einer Lobby

Vorsicht geboten ist auch bei Themen, die die Interessen von irgendwelchen interessierten Kreisen widerspiegeln. Der Leser hat ein ausgesprochen feines Gespür für versteckte PR und quittiert mit Leseabstinenz. Zeit ist kostbar, der Leser will Relevanz.

3. Protokollarisches Nacherzählen von politischen Events

In der Politik passiert unheimlich viel, was die Leser brennend interessiert. Dazu gehören aber nicht die Chronistenbeiträge, das protokollarische Aufzählen dessen, was ein politischer Rat an Geschäften verabschiedet hat oder verabschieden wird.

4. Jubiläen und andere Zeremonien

Finden Leser auf den überregionalen Seiten das Wort Jubiläum in der Überschrift, wechseln sie fast direkt zum nächsten Bericht. Denn von den Artikeln auf den Lokalseiten haben sie gelernt, dass die Meldungen zu Preisverleihungen, Ehrungen und Jubiläen keinen Nachrichtenwert haben. Diese Art von Terminjournalismus wird komplett ausgeblendet, diese Seiten werden reflexartig überblätter. Hier erliegen die Agenturen selbst einem Denkfehler. Je vollständiger sie berichten und damit die Gunst der Redaktionen erarbeiten wollen, umso mehr landen im Ticker Berichte über Jubiläen.

5. Special Interest

Beginnen Special-Interest-Artikel - beispielsweise zu Kultur-, Sport- und sonstigen Events - in der klassischen Agentursprache, also mit der Vorwegnahme des Ereignisses direkt am Anfang, ist das Wichtigste für die nicht interessierten Masse von Lesern gesagt. Sie steigt nach dem ersten Satz aus und die Chance ist vertan, auch vordergründig nicht Interessierte durch ein Anteasern in den Artikel hineinzuziehen - wertvolle Lesedauer und Blattbindung werden verspielt.

6. Überschriften, die nicht informativ und nicht attraktiv sind

Agenturartikel "leiden" auch unter aufmachungsbedingten Rezeptionsfallen. Die Überschrift ist – neben dem Bild – das zentrale „Verpackungs“-Element des Agenturartikels. Erkennt der Leser nicht auf den ersten Blick anhand der Verpackung, worum es im Artikel geht, steigt er schon gar nicht in den Text ein – egal wie kurz oder wie lang der Text ist.

7. Verkehrte Artikeldramaturgie

Die größte Rezeptionsfalle der Agenturmeldung ist das Format des Nachrichtentrichters. Natürlich ist es bequem für den Redakteur - das Ereignis steht am Anfang, die Details folgen im Anschluss. Der Artikel kann von hinten gekürzt werden, ohne dass der Artikel umgebaut werden muss. Diese Bequemlichkeit rächt sich aber im Moment, wo die Leser zum Zug kommen: Die Leser verabschieden sich nach dem ersten Satz: Das Wichtigste ist gesagt, jegliche Spannung ist weg, die Details interessieren nicht mehr. Das Format des Nachrichtentrichters wird nur bei einer Artikellänge von bis zu 15 Zeilen wahrgenommen und gut gelesen. Nachrichten mit 30 Zeilen setzen schon ein stark überhöhtes Interesse der Leser voraus, sollen sie am Text dran bleiben.

Bülend Ürük

Exklusiv für Newsroom.de-Leser: Hier kann die Studie heruntergeladen werden.