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KNA

Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Berlusconis MFE rückt näher

Vorstand und Aufsichtsrat der Sendergruppe ProSiebenSat.1 empfehlen in einer Pflichtmitteilung den Aktionären, das verbesserte Angebot der von der Familie Berlusconi geführten MFE anzunehmen.

Unterföhring (KNA) – Die Führung von ProSiebenSat.1 rät ihren Aktionären, das verbesserte Übernahmeangebot des italienischen Medienkonzerns Media for Europe (MFE) zu akzeptieren. Damit rückt eine mögliche Übernahme der deutschen Sendergruppe durch MFE näher.


„Vorstand und Aufsichtsrat der ProSiebenSat.1 Media SE begrüßen die Erhöhung der ursprünglichen MFE-Angebotsgegenleistung (…) und empfehlen den ProSiebenSat.1-Aktionären, das geänderte Angebot von MFE anzunehmen“, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten, nach Aktienrecht vorgeschriebenen begründeten Stellungnahme. Die Annahmefrist für die Aktionäre läuft am 13. August um Mitternacht aus.

 

Die von der Familie Berlusconi geführte MFE hatte ihr Angebot für die deutsche Gruppe, zu der unter anderem „ProSieben“, „Sat.1“, „Kabel 1“ und die Streamingplattform „Joyn“ gehören, Ende Juli deutlich erhöht. Damit bietet MFE jetzt mehr als die tschechische PPF-Holding, die ihre Anteile an der Sendergruppe ebenfalls erhöhen will.

 

Ursprünglich hatten Vorstand und Aufsichtsrat das MFE-Angebot abgelehnt, da durch die geplante Fusion mit MFE die Eigenständigkeit des Unternehmens gefährdet sei. MFE will ProSiebenSat.1 in eine paneuropäische TV-Gruppe integrieren und verfolgt damit eine andere Strategie als die aktuelle Führung der Sendergruppe. Bislang hatten Vorstand und Aufsichtsrat den Aktionären geraten, das konkurrierende Angebot der tschechischen Holding PPF anzunehmen. MFE hält bereits etwas über 30 Prozent der ProSiebenSat.1-Anteile, PPF rund 15 Prozent.

 

Sorgen um die Unabhängigkeit

Das Engagement der Berlusconis hat auch zu einer Debatte über mögliche Auswirkungen auf die journalistische und programmliche Unabhängigkeit geführt. MFE war 2019 bei ProSiebenSat.1 eingestiegen und will die Sendergruppe jetzt komplett übernehmen.


Vor zwei Wochen hatte Medienstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) in einem „Spiegel“-Interview erklärt, es habe „eine Übernahmeschlacht begonnen, über deren Ausgang ich mir Sorgen mache“. Er frage sich, ob „die journalistische und wirtschaftliche Unabhängigkeit auch nach einem Eigentümerwechsel gewahrt bleibt“.

 

Der Familie Berlusconi werden enge Verbindungen zum europäischen Rechtspopulismus und gute Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt. MFE hat entsprechende Darstellungen stets zurückgewiesen und versichert, man werde die inhaltliche Unabhängigkeit der Sender respektieren.

 

Weimer hat angekündigt, sich Anfang September mit dem heutigen MFE-Vorstandschef Pier Silvio Berlusconi – dem Sohn des 2022 verstorbenen Medienunternehmers und früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi – treffen zu wollen.

 

Vorstand und Aufsichtsrat zurückhaltend

Auch wenn sie den Aktionären jetzt formal raten, das MFE-Angebot anzunehmen, bleiben der ProSiebenSat.1-Vorstand und -Aufsichtsrat zurückhaltend.


Man erkenne „an, dass eine Kombination von Geschäftsaktivitäten innerhalb einer paneuropäischen Gruppe“ – wie die Zusammenführung der Geschäftsaktivitäten von MFE und ProSiebenSat.1 – „zusätzliche strategische Vorteile und erhöhte Synergiepotenziale in gewissem Maße bieten könnte“, heißt es in der Stellungnahme. Man habe aber bislang keine „unabhängige, detaillierte und verlässliche Analyse möglicher Synergien“ durchführen können.

 

MFE kalkuliert hier nach eigener Darstellung mit 400 Millionen Euro, die sich bei einem Zusammenschluss einsparen ließen. Experten halten diese Zahlen jedoch für unrealistisch. Die deutsche Sendergruppe ist hoch verschuldet und musste für 2024 zum dritten Mal in Folge ein sinkendes Betriebsergebnis bekannt geben.


Dem Unternehmen machen vor allem Rückgänge im Werbemarkt und hohe Investitionen im Wettbewerb mit Unternehmen wie Netflix und anderen Streamingdiensten zu schaffen.

Aktuell sollen über ein Freiwilligenprogramm 430 Stellen der noch rund 7 000 Arbeitsplätze im Konzern abgebaut werden. Nach einer möglichen Integration von ProSiebenSat.1 in die von MFE geplante, europaweite Sendergruppe rechnen Brancheninsider mit weiteren drastischen Stellenkürzungen. MFE ist derzeit vor allem in Italien und Spanien aktiv.