Vermischtes
Newsroom

Technikjournalismus wichtig für Demokratie

Technikjournalismus wichtig für Demokratie Volker M. Banholzer, Leiter Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR.

Was müssen Journalisten und PR-Macher wissen, um über Themen wie Erneuerbare Energien, Gesundheits-Apps, Industrie 4.0, oder Künstliche Intelligenz berichten zu können?

Nürnberg - Erneuerbare Energien, Gesundheits-Apps, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz – alles Themen, die in der Gesellschaft intensiv und teilweise kontrovers diskutiert werden. Um diese Diskussionen anzustoßen oder zu moderieren, dazu braucht es qualifizierte Kommunikateure – in Redaktionen aber auch in den Abteilungen für Unternehmenskommunikation. Am Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR der Technischen Hochschule Nürnberg werden diese dringend benötigten Nachwuchskräfte ausgebildet, und das seit jetzt genau zehn Jahren. Newsroom sprach mit dem Initiator und Leiter des Studiengangs Prof. Volker M. Banholzer.

 

Zehn Jahre Ausbildung für Technikjournalismus und Technik-PR an der Technischen Hochschule Nürnberg. Was gab vor zehn Jahren den Anstoß?

Volker M. Banholzer: Der Anstoß zu diesem Studiengang liegt eigentlich noch weiter zurück. Im Jahr 2001 hatte ich der Fachhochschule Nürnberg, wie sie damals noch hieß, den Vorschlag für einen Studiengang zur Ausbildung von Fachjournalistinnen und Fachjournalisten mit Schwerpunkt Technik gemacht. Ich war  Pressesprecher der Baumüller Gruppe in Nürnberg, einem mittelständischen Anbieter von Steuerungs- und Automatisierungssystemen, dessen Inhaber enge Kontakt zur Hochschule hatte. Begonnen hatte die Fachhochschule dann mit einzelnen Wahlfächern zur Technikkommunikation. Über die Zeit hinweg hat die Hochschule am Konzept gefeilt. Am 1. Oktober 2009 konnte der Bachelorstudiengang mit 35 Studierenden starten.

 

Was sind die Schwerpunkte in ihrer Ausbildung?

Ich würde den Studiengang schon als herausfordernd bezeichnen. Unsere Studierenden belegen ingenieurwissenschaftliche Grundlagen und Fächer in Journalismus und Unternehmenskommunikation gleichermaßen. Die Technikkompetenz ist nach meiner Ansicht entscheidend, um einerseits mit Entwicklerinnen und Entwicklern zielführend reden, qualifiziert auch in Fachpublikationen recherchieren und schließlich die Zusammenhänge auch sachlich richtig – wenn auch komprimiert – darstellen zu können. Aber reine Technikorientierung reicht meines Erachtens auch nicht aus. Sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pressestellen als auch in Redaktionen sollten auch die Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaft im Blick haben. Die aktuellen Debatten über Künstliche Intelligenz oder Industrie 4.0 auf die Arbeitswelt ist ja ein deutliches Zeichen. Dieses Verhältnis von Technik und Gesellschaft wird auch bei uns im Studiengang thematisiert. 

 

Warum ist ein Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR wichtig? Wie grenzen Sie sich zu Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation ab?

Der Fokus liegt auf angewandter Forschung an Hochschulen oder zum Beispiel den Fraunhofer Instituten sowie natürlich auf der Entwicklungsarbeit und Innovationstätigkeit von Industrieunternehmen. Deshalb sehe ich auch die Technischen Hochschule Nürnberg als perfekte Heimat für unseren Studiengang an, weil sich im Konzept der technischen Hochschule auch die Forschungsorientierung immer weiter ausprägt. Die Themen der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung werden durch die Kolleginnen und Kollegen an den Studiengängen für Wissenschaftsjournalismus/-kommunikation abgedeckt. Nicht zu vergessen auch die Fächer, die zumeist nur an Universitäten existieren wie Sprach- und Geisteswissenschaften. Wobei natürlich auch Überschneidungen existieren, wenn man an Technologie- und Innovationspolitik oder Ingenieurethik oder ähnliches denkt.

 

Der Studiengang orientiert sich also vor allem an der Industrie?

Gerade in der Industrie wächst der Bedarf an qualifizierten Nachwuchskräften im Technologiemarketing oder Unternehmenskommunikation, die die eigenen Produkte und Dienstleistungen technisch verstehen. In das Studium haben wir Recherchen auf Fachmessen für Automatisierungstechnik oder Konferenzen wie dem Maschinenbaugipfel des VDMA integriert. Bei Projekten kooperieren wir mit Unternehmen aus der Antriebs- und Steuerungstechnik oder Organisationen wie Bayern innovativ. Das bietet einerseits gute Gelegenheiten für die journalistische Recherche und andererseits für Übungen in PR-Konzeption. In Lehr-/Forschungsprojekten erproben wir mit Industriepartnern zusammen die Potentiale von Gamification oder Tools für Audience Engagement. Der Austausch mit den Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Medienhäusern ist auch für die Lehre wichtig. Technologien aber auch die Kommunikationsformate entwickeln sich ja fortwährend weiter und verändern sich. Da ist der fortwährende Austausch mit der Praxis unverzichtbar. Ein wichtiger Bestandteil sind dabei auch unsere Lehrbeauftragten, die immer aktuelle Praxisaspekte mit in unsere Lehre integrieren. Auf die Art und Weise konnten wir zum Beispiel als eine der ersten Studiengänge Mobile Reporting anbieten.

 

Die Kombination von Journalismus und Public Relations in einem Studiengang ist ja nicht unumstritten. Warum haben sie diesen Ansatz gewählt?

In der Tat spricht man mit Blick auf die Beziehung von Journalismus und PR von einem „schwierigen Verhältnis“. Die doch unterschiedlichen Belange werden in unserem Studiengang nicht vermischt, aber ich finde es wichtig, dass Redakteurinnen und Redakteure sowie Pressesprecherinnen oder Marketingmanager jeweils wissen, was die spezifischen Rahmenbedingungen für die „andere Seite“ sind. Da ist sicher auch meine eigene Erfahrung als Journalist und dann als Pressesprecher eingeflossen. Zudem sind die Kompetenzen in Storytelling, bei Interviews und Recherche sowie die Umsetzung online, im Video oder als Magazin handwerklich dieselben. Natürlich ist die jeweilige Aufgabe für die Gesellschaft zwischen Journalismus und PR unterschiedlich, aber das wird in der Ausbildung auch deutlich. Und eines darf man nicht vergessen: Viele der Studierenden wollen nach eigener Aussage als Selbständige arbeiten, was auch Kompetenzen in der Akquise, Positionierung oder Vermarktung für Journalistinnen und Journalisten erfordert.

 

Aber PR und Journalismus verfolgen doch unterschiedliche Zielsetzungen, oder sehen Sie das anders?

Das ist völlig richtig. Allerdings sind beide an der Konstruktion von Wirklichkeit beteiligt und neben die klassischen Medien treten Unternehmen und Organisationen als eigenständige Sender, die ebenfalls um Aufmerksamkeit konkurrieren. Wir versuchen, diese unterschiedlichen Perspektiven transparent zu machen. Wenn Technologie und Wissenschaft immer bedeutender für die gesellschaftliche Entwicklung werden, dann sind auch Kompetenzen gefragt, die Kommunikation von Technologien und Ergebnissen der Wissenschaft zu analysieren. Und dazu ist es aus meiner Sicht erforderlich, die Perspektiven von Unternehmen und Medien gleichermaßen zu kennen. Die Diskurse in der Gesellschaft um Klima, Mobilität, Industrie 4.0 usw. werden ja nicht nur durch Journalistinnen und Journalisten bestimmt. Deshalb messe ich der Ausbildung in unserem Studiengang zu Technologie- und Innovationspolitik, zu Nachhaltigkeitskonzepten oder Technikfolgenabschätzung auch im internationalen Vergleich einen hohen Stellen wert bei. Technikverständnis und die transparente Vermittlung von Technologien ist zentral für einen demokratischen Diskurs über aktuelle Weichenstellungen.

 

Der Journalismus scheint aktuell durch die Digitalisierung wieder mehr unter Druck zu stehen. In welche Berufsfelder gehen die Absolventinnen und Absolventen? 

Die Mehrzahl geht in Pressestellen oder Marketing von Industrieunternehmen. Dort ist auch ein immer noch wachsender Bedarf festzustellen, gerade im Mittelstand. Die Absolventinnen und Absolventen verstehen die Produkte und die Entwicklungen und können das dann in Kommunikation umsetzen. Etwas weniger gehen in den journalistischen Bereich. Und hier sind sowohl tagesaktuelle Nachrichtenmedien, wie Augsburger Allgemeine, Donaukurier oder Heilbronner Stimme vertreten als auch Fachmedien wie Industrieanzeiger oder Computer & Automation. Oder sie schließen ein Masterstudium an. Unsere Absolventinnen und Absolventen finden sehr schnell in den Beruf, was ein Indikator dafür ist, dass die Inhalte im Studium praxisorientiert sind. Medienhäuser sowohl bei Publikums- als auch bei Fachmedien stehen unter Druck. Da aber Technikthemen immer bedeutender werden, sind die Qualifikationen unserer Absolventen doch gefragt. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass unsere Studierende die Technik einerseits als Berichterstattungsgegenstand studieren aber mit dieser Kompetenz auch Medientechnologien, die in Journalismus und PR eingesetzt werden aus einem anderen Blickwinkel sehen. Gamification, Mobile Reporting, Social Listening sind alles Tools und Ansätze, die in unserem Studiengang thematisiert und eingesetzt werden. Also eine Technikkommunikation 4.0, die Technologien reflektiert, Technologien nutzt und so den Technologiediskurs unterstützt. 

 

Das erinnert an den Begriff „Journalismus der Dinge“ oder Journalismus 4.0.

Die Etikettierung „4.0“ hat sich ja mittlerweile als Chiffre für „etwas Fortschrittliches und irgendetwas mit Daten“ etabliert. Das Internet der Dinge, Datenauswertung und Algorithmen bieten natürlich sowohl für Unternehmenskommunikation und Marketing als auch für Journalismus neue Möglichkeiten. Was die Debatte aber auch zeigt ist, dass die neuen Möglichkeiten auch gesellschaftlich reflektiert werden müssen. Und dazu gehört Technik- und Ingenieurethik ebenso wie das Abschätzen von gesellschaftlichen Konsequenzen von Technologie. Ich denke, dass der integrierte Ansatz, den wir am Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR verfolgen dazu einen wichtigen Beitrag leisten kann und auch leistet. Ob das dann Technikkommunikation 4.0, Journalismus 4.0, PR 4.0 genannt wird, sei dahingestellt. Mir ist wichtig, dass diese Kompetenzen in einer demokratischen Gesellschaft vorhanden sind und dass wir einen Beitrag dazu leisten können und das jetzt seit zehn Jahren.

 

Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR