Vermischtes
Newsroom – Roland Karle

Springer macht Chefs zu Avataren: KI-Videos mit Poschardt und Burgard

Springer macht Chefs zu Avataren: KI-Videos mit Poschardt und Burgard Ulf Poschardt (Foto: Mirjam Reither/picturedesk.com)

Axel Springer setzt im Journalismus auf KI-Avatare: Bekannte Köpfe wie Ulf Poschardt und Jan Philipp Burgard treten künftig auch als digitale Doppelgänger auf. Ziel ist es, schneller und effizienter Bewegtbildformate zu produzieren.

Berlin – Axel Springer setzt mit Hilfe von KI für Videos sogenannte Replika-Avatare ein, die auf realen Autoren basieren. „Welt“-Wirtschaftschef und KI-Experte Olaf Gersemann erklärt in „kress pro“, wie das geht und was es bringt.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, KI-gestützte Avatare zu entwickeln?

Olaf Gersemann: Pascal Roski, ein IT-Experte bei Sales Impact, und ich waren im vergangenen Jahr als „AI Fellows“ für Axel Springer drei Monate lang in Ostasien unterwegs. Dort ist uns aufgefallen, dass Avatare vielfach im Einsatz sind – und zwar nicht nur künstliche Avatare, sondern eben auch Replika-Avatare, also solche Avatare, die auf realen Menschen basieren. Der Fernsehsender MBN in Südkorea etwa setzt den Avatar einer Moderatorin schon seit fünf Jahren für Kurznachrichten auf einer Homepage ein.

 

Und das kommt an?

Dieser Avatar ist offenbar so gut, dass ein Dauereinsatz möglich ist, ohne dass die Zuschauer ein Störgefühl bekommen. Und das, obwohl es sich bei der Moderatorin um eine bekannte Frau handelt – da würde es bei Zuschauern sicher übel aufstoßen, wenn der Avatar um mehr als ein Jota vom Original abwiche.

 

Und wo sind die Grenzen?

Was Avatare nicht tun sollen: Menschen und ihre Gesichter ersetzen. Vielmehr sollen uns Avatare helfen, mehr zu machen aus unseren wertvollen, aber knappen Ressourcen.

 

Was haben Sie bei Axel Springer konkret vor mit dem Einsatz von Avataren?

Ich persönlich glaube, die Zukunft im Digitaljournalismus gehört dem Bewegtbild, Stichwort „Video first“ – und für Website, Apps und in sozialen Medien sind Avatare quasi eine Brückentechnologie, um dem wachsenden Bedarf an Bewegtbildmaterial gerecht zu werden. Gerade junge Nutzer schauen und hören im Zweifel lieber zu, als dass sie lesen. Wenn etwa ich einen Kommentar für die Zeitung und fürs Digitale schreibe, dann kann ich mir natürlich die Mühe machen, hinterher auch noch eine Audioaufnahme einzusprechen und das Gleiche noch mal bei WeltTV im Studio zu sagen. Alternativ dazu lassen sich Avatare nutzen für die Audio- und Video-Varianten – und ich habe mehr Zeit, mich um das nächste Thema zu kümmern.

 

Wie sind Ihre ersten Erfahrungen?

Den ersten öffentlichen Einsatz auf unseren Kanälen haben wir am Wochenende der Bundestagswahl getestet. Luca Schallenberger von „Business Insider Deutschland“ hat in einer spontanen Aktion seinen Chefredakteur Moritz Seyffarth zur Aufführung gebracht – in insgesamt sechs Instagram-Reels. Bei den Nutzern ist das gut angekommen. Die sechs Videos hatten zusammen mehr als 450.000 Views.

 

Avatare taugen also auch für die Live-Berichterstattung?

Luca berichtet, dass sie innerhalb weniger Minuten auf aktuelle Entwicklungen reagieren und die Instagram-Community von „Business Insider Deutschland“ mit Videos versorgen konnten. Der Arbeitsaufwand pro Video lag bei 30 bis 45 Minuten, für einen herkömmlichen Reel brauchen sie dagegen zwei Stunden, manchmal mehr.

 

Wo und wie werden Avatare bei „Welt“ und Axel Springer generell künftig eingesetzt?

Die Avatare kommen zunächst vor allem bei „Welt“ und „Business Insider Deutschland“ zum Einsatz. Aber auch unsere Academy of Journalism & Technology ist schon eingestiegen. Wo wir das journalistisch am Ende einsetzen, ist natürlich vor allem eine Frage der Akzeptanz. Wir robben uns da langsam ran und testen erst mal durch Kurzvideos etwa bei Instagram. Wenn das Echo der Nutzer ermutigend ist, werden wir uns auch an längere Videos wagen und daran, die Videos auch direkt auf Homepage oder App zu veröffentlichen.

 

Was könnten typische Use-Cases für „Welt“ und Co. werden?

Naheliegend ist es, bestehende Textbeiträge mit Avataren zu Videos zu machen. Es gibt aber natürlich noch viele andere denkbare Fälle. Zum Beispiel fortlaufend aktualisierte Kurznachrichten auf der App. Oder „Audio to Video“ – also zum Beispiel die Umwandlung von Podcasts in Bewegtbild mit Comic-Avataren. Oder der Einsatz von interaktiven Kunst-Avataren, um Chatbots lebendig zu machen.

 

Welche Personen sind bei Axel Springer schon als Avatar unterwegs?

Wir sind dabei, zumindest ein gutes Dutzend Kollegen zu avatarisieren. Natürlich vor allem solche Kollegen, die einen hohen Bekanntheitsgrad besitzen, wie „Welt“-Chefredakteur Jan Philipp Burgard oder Herausgeber Ulf Poschardt.

 

  • Wie lange braucht man, um einen KI-gestützten Avatar zu starten?
  • Welche Software setzt Axel Springer ein?
  • Was sind die wichtigsten Learnings?

Zum ganzen Interview mit Olaf Gersemann

 

Weitere Themen:

  • Fünf neue Produkte durch KI: Wie Newsletter-Gründer mit Kreativität und KI durchstarten, welches Potenzial erstklassige Such- und Fragefunktionen heben und wie KI Produkte verbessert und so neu erfindet.
  • „Keine Angst vor den Nutzern“: Retresco-Chef Johannes Sommer erwartet, dass sich die Mediennutzung durch KI stark verändern wird. Wie sich Publisher darauf mit eigenen Entwicklungen einstellen können und welche Fehler sie vermeiden sollten.
  • Mehr Chat statt Suche: Das B2B-Haus Haufe erweitert mit KI seine Produktpalette. Erste KI-gestützte Co-Piloten werden von Steuerberatern rege genutzt. Mehr als eine Million Fragen hat das System bereits beantwortet.