Vermischtes
Newsroom

So werden Geschäftsberichte zur Recherche-Goldmine – 6 Tipps

So werden Geschäftsberichte zur Recherche-Goldmine – 6 Tipps Nikolaj Schmolcke (Foto: Frank von Wieding)

Wie Zahlen Geschichten erzählen – und worauf Journalistinnen und Journalisten achten sollten. Tipps von Bilanzprofi Nikolaj Schmolcke.

Berlin – In Geschäftsberichten von Unternehmen wimmelt es vor Zahlen und Daten. Wer sie richtig liest und Zusammenhänge entschlüsselt, dem bietet sich reichlich Stoff für Geschichten. Bilanzprofi Nikolaj Schmolcke erklärt im Gespräch mit Roland Karle in der aktuellen „Wirtschaftsjournalist:in“, wie man offene Geheimnisse erkennt – und aus trockenen Dokumenten spannende Recherchen macht.


Sein Rat: Schon mit ein paar Grundbegriffen und gezielten Fragen lassen sich Muster erkennen – Hinweise auf wirtschaftliche Entwicklungen, Strategieänderungen oder sogar Probleme, bevor sie sichtbar werden. Hier sind drei einfache Einstiege:

 

1. GuV analysieren
Die Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) zeigt, was ein Unternehmen eingenommen und ausgegeben hat – und was davon übrig bleibt. Der Jahresüberschuss, also der Gewinn, steht meist am Ende. Spannend wird es beim Vergleich mit der Dividende: Wird viel ausgeschüttet oder im Unternehmen behalten? Auch die Eigenkapitalquote liefert Hinweise auf die finanzielle Stabilität.

 

2. Vergleiche anstellen
Nicht nur das aktuelle Geschäftsjahr zählt. Wer fünf Jahre oder mehr im Blick hat, erkennt Entwicklungen und Muster: Wie verändert sich der Umsatz? Wie sieht das Verhältnis von Umsatz zu Forderungen oder liquiden Mitteln aus? Gerade bei größeren Unternehmen finden sich dazu viele Angaben im Jahresabschluss.

 

3. Rückstellungen beachten
Rückstellungen sind für künftige Ausgaben vorgesehen – zum Beispiel für Klagen, wie im Fall Volkswagen 2015 nach dem Diesel-Skandal. Solche Positionen drücken den Gewinn und können viel über Risiken verraten. Deshalb lohnt sich ein Vergleich über mehrere Jahre.

 

Wer genau hinsieht, entdeckt in Bilanzen Geschichten, die sonst verborgen bleiben – und liefert Leseren fundierten, spannenden Wirtschaftsjournalismus.


4. Bilanzpolitik entlarven
Auffällige Posten wie „aktive latente Steuern“ können Hinweis auf geschönte Gewinne sein. So wies Tesla 2023 dank solcher Effekte nach Steuern mehr Gewinn aus als davor – ein Ergebnis reiner Bilanzpolitik.

 

5. Firmenwert prüfen
Wird für Zukäufe mehr gezahlt als der Buchwert, entsteht ein hoher Firmenwert („Goodwill“). Ein hoher Anteil in der Bilanz – wie bei Delivery Hero (52 %) – zeigt großen Optimismus, birgt aber auch Risiko.

 

6. Extreme identifizieren
Rasant steigender Umsatz bei gleichzeitig hohen Verlusten ist ein Warnzeichen. Beispiel Delivery Hero: Fast verhundertfachter Umsatz in acht Jahren, aber kaum Gewinne – finanziert durch immer neue Aktien.

 

Zu den Details

 

Must Reads in der Wirtschaftsjournalistin

  • COVER. „Zeit“-Wirtschaftschef Roman Pletter sagt, worauf es auf großer Bühne und bei tiefen Recherchen ankommt
  • PLATOW MEDIEN. Wie ein Generationswechsel beflügeln kann
  • RATGEBER. Der Hype um Verbrauchertexte
  • PRAXIS. Geheimnisse in Bilanzen entschlüsseln