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„Schönster Beruf der Welt?“ – Warum der Journalismus seine Jüngsten nicht verlieren darf

„Schönster Beruf der Welt?“ – Warum der Journalismus seine Jüngsten nicht verlieren darf Frederik von Castell (Foto: privat)

Befristete Verträge, unbezahlte Praktika, schwindende Reichweiten durch KI: Frederik von Castell hinterfragt die romantisierte Berufswahl Journalismus – und fordert mehr Realitätssinn, Verantwortung und Perspektiven für den Nachwuchs.

Berlin – KI-Player gefährden die Geschäftsmodelle der Medien. Die finanzielle Unsicherheit müssen vor allem die Jungen ausbaden, schreibt Chefredakteur Frederik von Castell im Editorial des aktuellen „medium magazins“:

 

Journalismus – lohnt sich das echt? Warum soll man als junger Mensch in diese Branche? Werden Journalistinnen oder Journalisten solche Fragen gestellt, meldet sich mein innerer Buchmacher blitzschnell und schießt Gewinnquoten durch mein Hirn. Die Phrase, auf die ich wette: „… weil es der schönste Beruf der Welt ist.“ Ich gewinne fast immer.

 

Den kleinen Satz vom schönsten Beruf der Welt habe ich selbst schon oft genutzt. Das habe ich mir jetzt verboten. Nicht falsch verstehen: Ich empfinde genauso. Aber diesen Satz vorzuschieben, wischt Zweifel weg – die fremden wie die eigenen. Idealistische Formeln helfen niemandem, der mit unsicheren Perspektiven hadert. Stattdessen täuschen sie darüber hinweg und tragen dazu bei, dass viele zermürben, weil sie trotz finanzieller Unsicherheit ihr Glück im Journalismus suchen.

 

Befristungen sind kein Naturgesetz
Was vor allem der Nachwuchs erlebt, hat System – und fängt schon bei Praktika an. Wo war der Aufschrei im Sommer, als Oskar Vitlif zeigte, dass die meisten Praktika in unserer Branche immer noch gar nicht oder kaum bezahlt werden? Und – wir packen uns da an die eigene Nase – warum war und ist das nicht ständig Thema, bis sich etwas ändert?

 

Die Frage gilt auch für unsere Titelgeschichte. Jede Wette: Sie kennen Kolleginnen und Kollegen, die trotz Qualifikation nur befristet angestellt wurden. Vielleicht haben Sie selbst erlebt, wie aus einem Einjahres- ein Kettenvertrag wurde. Unsere Recherche zeigt: Für Junge sind befristete Stellen nicht Ausnahme, sondern Regel. Viele kennen es gar nicht anders. Die Branche lädt ihre Unsicherheit auf dem Nachwuchs ab – und schadet sich selbst: Nicht Angst und Ideale tragen Redaktionen durch Krisen, sondern Talent und Perspektiven.

 

Alles hängt mit allem zusammen
Eine Kritik à la „Medienhäuser sind geizig“ griffe aber viel zu kurz. Denn beneidenswert ist die Lage vieler Verlegerinnen, Medienmanager und auch Chefredaktionen wirklich nicht. Die Haltbarkeit der Geschäftsmodelle sinkt rapide, weil die Spielregeln sich immer rasanter verändern: Mit einem einzigen Feature mäht Google binnen weniger Monate ganze Reichweitenalleen einfach um. Was gestern noch als „KI-sicher“ galt, wankt heute unter der Antwortmaschine AI Overviews.

 

Google krallt sich mit den blitzschnell im Alltag angekommenen KI-Zusammenfassungen nicht nur News, sondern kann jetzt auch Service – und der Traffic zu Verlagsinhalten leidet. Der Journalismus wird auch das überleben; aber wer sich nicht anpasst und auch wehrt, verliert weiter. Wir zeigen, welche Antworten deutsche Medienhäuser parat haben, und richten den Blick auf Strategien in den USA, wo neue Bots und Features oft früher einschlagen.

 

Als Magazin für Journalistinnen und Journalisten bleibt unsere Linie zu KI: Risiken benennen, Chancen nicht verkennen. In unserer Praxisstrecke finden Sie deshalb Teil 1 unserer neuen Serie „KI konkret“: Dort zeigen Kolleginnen und Kollegen ihre Lieblings-Prompts bei ChatGPT und Co. Von den individuellen Morgen-News als Song über den BlaBla-Score der eigenen Texte bis zum Recherche-Hack, um an Mail-Adressen zu kommen, ist alles dabei.

 

Must-Reads im neuen „medium magazin“

  • KI: Profi-Prompts von Eva Wolfangel & Co. 
  • PRAXIS: 10 Hacks zum Retten von Texten. 
  • ZIELSCHEIBE: Wie man Protagonisten schützt.
  • AI OVERVIEWS: Was tun gegen Googles Antwortmaschine?