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„Raus mit den Uhus und Utas!“ – Hannah Suppa räumt auf im Lokaljournalismus

„Raus mit den Uhus und Utas!“ – Hannah Suppa räumt auf im Lokaljournalismus Hannah Suppa (Foto: Madsack)

Was braucht Regionaljournalismus heute – und was kann weg? Die Chefredakteurin der „Leipziger Volkszeitung“ liefert zehn ehrliche Gedanken aus dem Redaktionsalltag, vom Aufräumprinzip über die Rolle der KI bis zur Frage: Muss Print wirklich noch mitregieren?

Leipzig – Die Chefredakteurin der „Leipziger Volkszeitung“ Hannah Suppa teilt auf LinkedIn zehn Ideen und Gedanken aus ihrem Redaktionsalltag, die sie bereits bei der Madsack-Initiative The Future of German Media vorgestellt hat. Sie helfen aus ihrer Sicht, den Lokal- und Regionaljournalismus besser zu machen:


Im ersten Punkt heißt es: „Wir können mehr als die KI“: „KI mag uns Tausende Antworten geben, aber nur der Journalismus stellt die richtigen, die unangenehmen Fragen – und nur Regionaljournalismus ist direkt bei den Menschen. Wir müssen herausfinden, was andere vor der Öffentlichkeit verbergen wollen, selbst recherchieren und so mehr bieten als die KI es könnte“, so Suppa. News könne inzwischen fast jeder – die Aufbereitung, Einordnung, Sortierung und Tiefe sei das, was Journalismus auszeichnet. Wer sich nur auf die News fokussiert, mag laut Suppa zwar Reichweite bekommen – aber wird nicht nachhaltig wachsen können. „Die Journalisten erst machen die News konsumierbar – wenn sie ihren Job richtig machen.“

 

Spannend ist auch Punkt 2: „Stop doing things“: „Immer mehr geht nicht mehr in den Redaktionen: Wir müssen knallhart aussortieren. Jede Tätigkeit überprüfen, jeden Prozess überdenken, bei jeder Meldung, jeder Mail, jedem Reporting, jedem Termin überlegen: Brauchen wir das? Zahlt das auf unser Ziel ein? Wenn es nicht auf das digitale Ziel einzahlt: Streichen. Das heißt auch: Less is more, weniger News und nicht mehr das Internet vollstopfen mit ‚Uhus‘ (Texten mit unter hundert Klicks) und ‚Utas‘ (Texten mit unter tausend Klicks). Es ist das ‚Marie-Kondo-Aufräumprinzip‘: Does it spark joy? Wenn nicht: Raus damit.“

 

Hannah Suppa schlägt auch vor, „auf den Punkt“ zu kommen: „Worum geht es? Warum ist das wichtig? Warum sollte ein Leser seine kostbare Zeit für dieses Stück Journalismus aufwenden? Wer das nicht sagen kann in wenigen kurzen Sätzen (remember Küchenzuruf!), der muss sein Thema und den Ansatz in Frage stellen.“ Deswegen habe man in Madsacks RND die „Smarts“ erfunden. „Vor dem Text kommt der Smart, der in Kürze alles Wichtige darstellt, die eigene Arbeit strukturiert und dann auch noch im Newsletter die perfekte Bühne findet.“

 

Eine weitere Forderung der Chefredakteurin der Leipziger Volkszeitung, die zur Madsack Mediengruppe gehört, ist: „Print loslassen – jetzt wirklich“. Man müsse so in den Redaktionen arbeiten, als gäbe es die Zeitung nicht: digital, mit Zielgruppen- und Themenfokus. Suppa argumentiert: „Ja, die gedruckte Zeitung verdient noch Geld. Ja, wir wollen die Leserinnen und Leser des Produkts zufriedenstellen. Ja, wir alle lieben das haptische, kuratierte Print-Produkt. Doch dafür muss nicht eine ganze Redaktion nach der Print-Pfeife tanzen.“ Keine Redaktion sollte mehr über Print in Konferenzen diskutieren: Themen nicht nach Plätzen planen – sondern Themen nach Themen. Sie sieht hier die Führung von Medienhäusern in der Pflicht, die die Prozesse umstellen müssten. „Und nach und nach: Alles Inhaltliche abschaffen, was rein für Print gemacht wird. Wir arbeiten jetzt: Newsletter first“, so Suppa.

 

Die Journalistin findet auch die „Empörungs-Spiralen“ kritisch. Nicht immer sei alles gleich eine Staatskrise. „Chaos, Gau – so kriegt das Publikum und damit die Bürgerinnen und Bürger am Ende wirklich den Eindruck, dieses Land sei kurz vor dem Zusammenbruch. So ist’s ja nun auch wieder nicht. Doch Populisten nutzen das Narrativ gern und erfolgreich – wir sollten klüger sein.“

 

Hannah Suppa ermutigt Regionaljournalisten, mehr über die eigene Region dazuzulernen. „Es lohnt sich, eine Potenzialanalyse der eigenen Region zu machen und sie mit dem Geschäft zu matchen: Berichten wir richtig? Über die richtigen Orte, Branchen, Entwicklungen? Und sind die Zuschnitte unserer Produkte an dieser Lebenswirklichkeit der Leute?“

 

Die Reporter bräuchten auch wieder mehr Freiraum für Expertise – „zum Beispiel durch Neuorganisation in Thementeams und Themenfeldern abseits des Daily Business“. Das verlangt aus Sicht von Suppa ein radikales Umdenken der redaktionellen Arbeit: „Langfristiger, unter Relevanz- und Thementiefenkriterien und dem Mut zum Loslassen. Was wir sehen: Es zahlt auf die Loyalität und digitale Abo-Strategie ein.“

 

Weitere Ideen von Hannah Suppa: „Wir bieten die Lösung, nicht das Problem“ („Warum machen wir nicht Vorschläge – mit Experten, mit Ideenwettbewerben, mit lösungsorientierten Fragen, die nach vorne weisen?“), „Mut zu anderen Formaten – auch strategisch“ („Welches digitale Format zahlt auf das Ziel des Hauses ein, was passt zur Zielgruppe des eigenen Hauses? Nicht jede Redaktion wird alles können, nicht jede Redaktion wird alles schaffen können“), „Raus zu den Leuten“ („Bevor wir ein neues Produkt starten (wie einen Newsletter), auch einfach mal alle Akteure vor Ort, die die Kommune prägen (Kinderarzt, Dorfpfarrer, Feuerwehrchef etc.), fragen, was ihnen thematisch wichtig ist, was ihnen von uns wichtig ist. Und sie als Entwickler und Multiplikatoren einbinden“).