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Nach "Stern"-Bericht: Heiße Debatte über Sexismus-Vorwürfe - Brüderle schweigt weiter

Während Wolfgang Kubicki dem "Stern" vorwirft, Rainer Brüderle politisch beschädigen zu wollen, fordert Claudia Roth eine Entschuldigung des FDP-Fraktionschefs. Kerstin Münstermann fasst die Debatte nach der Veröffentlichung im Magazin "Stern" zusammen.

Berlin (dapd) - Die Sexismus-Vorwürfe gegen FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ziehen immer weitere politische Kreise. Grünen-Chefin Claudia Roth mahnte am Samstag eine Entschuldigung Brüderles bei der "Stern"-Journalistin an. Die Liberalen stellten sich dagegen vor ihren Fraktionschef und warfen dem Magazin "Stern" eine absichtliche politische Beschädigung des FDP-Süpitzemnannes vor. Brüderle selbst nahm bislang keine Stellung zu den im "Stern" erhobenen Vorwürfen.

In einem "Focus"-Interview, das am Samstag vorab veröffentlicht wurde, sagte Brüderle auf Nachfrage bloß: "Kein Kommentar." Anlass ist ein Bericht der Journalistin Laura Himmelreich, die in einem mehrseitigen "Stern"-Artikel eine Situation vor gut einem Jahr beschreibt, in welcher der Politiker sie sexuell belästigt haben soll. Der 67-Jährige soll auf ihre Brüste geschaut und gesagt haben: "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen." Zudem soll er ihre Hand genommen, diese geküsst und im Verlauf des Gesprächs gesagt haben: "Politiker verfallen doch alle Journalistinnen."

Grüne fordern Entschuldigung

Auf NDR Info sagte Claudia Roth am Samstag, es wäre nicht schlecht, wenn Brüderle sich erklären und sich entschuldigen würde. Denn ganz offensichtlich habe die junge Journalistin sich angemacht gefühlt. Gleichzeitig kritisierte Roth, es sei schlimm, wie die Debatte zum Teil geführt werde. "Es ist sehr traurig, dass ganz offensichtlich immer noch Männer meinen, Sexismus sei eine Lappalie oder sogar ihr gutes Recht. Aber er ist herabwürdigend, verletzend und diskriminierend - und in keiner Form und Ausprägung in Ordnung."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte der "Bild"-Zeitung: "Wenn Frau zum Objekt gemacht wird, ist jeder Spruch über Sexualität und Körper unmöglich, auch in der Tarnung des Altherrenwitzes."

FDP geht in die Offensive

FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki warf dem Magazin "Stern" hingegen vor, Brüderle politisch schaden zu wollen. Der Zeitung "Bild am Sonntag" sagte Kubicki: "Der 'Stern' behauptet, er wolle damit das Thema Sexismus in der Politik aufgreifen. Ich sehe einen ganz anderen Grund: Hier soll ein Hoffnungsträger der FDP mutwillig beschädigt werden. Die 'Stern'-Chefredaktion sollte sich die Frage stellen, ob sie das Blatt auf ein Niveau bringen will, dass man es nicht mehr empfehlen kann."

Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Landtag von Schleswig-Holstein warf dem Magazin ferner einen "Tabubruch" vor und will wegen der Affäre persönliche Kontakte zu Journalistinnen einschränken. "Bislang waren abendliche Gespräche ob beim Essen oder nach einem Parteitag an der Hotelbar ein durch Vertraulichkeit geschützter Bereich", monierte Kubicki. In Zukunft aber werde er keine Journalistinnen mehr als Wahlkampfbegleitung in seinem Fahrzeug mitnehmen.

"Und ich werde künftig Situationen wie Gespräche an der Hotelbar meiden, wenn Journalistinnen beteiligt sind. Denn natürlich rutscht einem da schon mal eine lockere und nicht gelungene Bemerkung heraus. Jetzt muss ich damit rechnen, dass das gegen mich verwendet wird", fügte der FDP-Mann hinzu.

SPD will "professionelle Distanz"

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach sich dagegen für eine "professionelle Distanz" zwischen Politikern und Journalisten aus. Der "Leipziger Volkszeitung" sagte Steinmeier, angesichts der Debatte um Sexismus im Alltag gebe es neben dem Verzicht auf Heuchelei nur einen Grundsatz, "den sich Politiker - und vermutlich nicht nur die - auferlegen müssen: nämlich professionelle Distanz wahren!".

Auf die Frage, ob ihm Brüderle leidtue, sagte Steinmeier: "Wenn ihm Unrecht geschieht, tut er mir leid. Ob das der Fall ist, weiß er nur selbst." Wer in Spitzenpositionen der Politik einrücke, müsse "wissen, dass sie in der ersten Reihe stehen und sich deshalb einer neuen öffentlichen Durchleuchtung unterziehen müssen". Brüderle sei im übrigen "nicht der Erste, der das erlebt".

Kerstin Münstermann