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Antje Plaikner/kresspro

Mit konstruktivem Journalismus punkten

Mit konstruktivem Journalismus punkten Ellen Heinrichs (Foto: Bonn Institute/F. Görner)

Wie die „Rheinische Post“, die „Siegener Zeitung“ und der „Nordschleswiger“ auf lösungsorientierte Inhalte setzen, um näher an die Zielgruppe zu rücken.

Das gemeinnützige Bonn Institute ist in diesem Jahr mit der ersten Kohorte seines neuen Programms B° Local gestartet. Das einjährige Programm richtet sich an Lokal- und Regionalzeitungen und setzt auf konstruktiven Journalismus. Neun Medienhäuser mit insgesamt 27 Journalistinnen und Journalisten nehmen daran teil.

 

Ziel des Programms ist es, Wege zur Monetarisierung von konstruktivem bzw. lösungsorientiertem Journalismus zu finden. Dabei wird B° Local als redaktioneller Bestandteil der digitalen Transformation verstanden. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Tools werden Daten erhoben, auf deren Basis Inhalte optimiert und dadurch auch besser vermarktet werden können. Ellen Heinrichs ist Gründerin und Geschäftsführerin des Bonn Institute. Sie sagt: „Das ist ganz und gar kein Softie-Thema, sondern es ist ganz klar ein betriebswirtschaftliches Thema. Denn die Menschen werden in Zukunft, gerade im Lokalen, wirklich nur dann für Inhalte bezahlen, wenn diese relevant sind. Und um relevanter zu werden, müssen wir Journalismus bieten, der wesentlich stärker auf die Nutzerbedürfnisse eingeht.“ Zur Untermauerung verweist Heinrichs auf belastbare Erkenntnisse: „Es gibt ein sehr gut erforschtes, großes Nutzerbedürfnis nach mehr Lösungen, besonders im Lokalen.“

Genau hier setzt B° Local an: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen, wie aus Problemen lösungsorientierte Geschichten entstehen. Dabei wird untersucht, welche vergleichbaren Ansätze es bereits gibt, wie deren Chancen und Grenzen aussehen – und weshalb deren Übertragbarkeit auf das eigene Thema für das jeweilige lokale Publikum relevant ist.

 

Was wird wie gemessen?

Die erste Kohorte von B° Local soll nun dazu beitragen, den konstruktiven Journalismus datenbasiert in den Redaktionen zu verankern. Grundlage dafür ist ein speziell entwickeltes Analysetool, das von David Reuter von der Kieler Firma Uniten stammt. Mit diesem Tool arbeitet das Programm B° Local. Reuter sagt: „Uniten ist ein komplementäres Tool und bedeutet nicht, dass es andere Tools ersetzt, sondern es ist ein Analytics-Tool für die Redaktion. Alle anderen Analytics-Tools sind Vertriebs- oder Vermarktungstools.“

 

Laut Reuter zeigen herkömmliche Analysetools nicht, was Nutzerinnen und Nutzer im Artikel tatsächlich tun. Uniten hingegen misst gezielt Leseanteil, Leseintensität und Lesezeit. Das Tool unterscheidet zwischen Scrollen und aktivem Lesen: Der zugrunde liegende Algorithmus arbeitet mit statistischen Werten zur durchschnittlichen Lesedauer, die für bestimmte Texttypen und Abschnitte benötigt werden.

 

Zur Veranschaulichung: In einem geöffneten Artikel läuft ein horizontaler Balken mit, der die aktuelle Leseposition markiert. Links und rechts des Textes erscheinen vertikale Leisten, die Informationen zur Leseintensität, zu Leseanteilen und zu Absprüngen (Clickouts) anzeigen. Die Leseintensität wird dabei visuell durch Farbe hervorgehoben. „Uniten öffnet die Blackbox Content und nimmt diese Leerstelle in den Fokus“, sagt Reuter. „So wird sichtbar, wo nachgesteuert werden sollte – etwa wenn einzelne Abschnitte konsequent überscrollt werden.“

 

Ein anschauliches Beispiel liefert Reuter mit den „Kieler Nachrichten“: Dort wurde ein aufwendig produzierter Glühweintest als Langtext mit einer Bewertungstabelle am Ende online veröffentlicht. Die Redaktion ging offenbar aus, dass die Nutzerinnen und Nutzer zunächst den Text lesen und anschließend zur Tabelle gelangen würden. Doch diese Annahme erwies sich als Trugschluss.

Die Auswertungen mit Uniten zeigten: Die meisten User scrollten lediglich durch den Text, ohne ihn tatsächlich zu lesen – und vertieften sich erst in die am Ende platzierte Tabelle. Während herkömmliche Tools dieses Verhalten möglicherweise als „100 Prozent gelesen“ werten würden, machte Uniten sichtbar, dass der Text in Wahrheit kaum gelesen wurde, der redaktionelle Aufwand schien damit vergeblich.

 

Nachdem die Tabelle jedoch an den Anfang des Artikels verschoben wurde, änderte sich das Nutzerverhalten deutlich: Sie weckte Interesse und zog die Leserin in den nachfolgenden Text hinein. Der Leseanteil stieg dadurch signifikant.

 

Uniten misst das Nutzerverhalten in Echtzeit. Dabei werden nicht-personenbezogene Daten zum Artikelkonsum gesammelt und ausgewertet. Das Tool zeigt Entwicklungen über längere Zeiträume hinweg und erstellt detaillierte „Artikel-Karrieren“, also nachvollziehbare Verlaufsdaten zur Nutzung einzelner Beiträge. Redaktionen können diese Verläufe einsehen und nach verschiedenen Kriterien filtern, etwa nach Themen oder Kategorien. So lassen sich beispielsweise B°-Local-Artikel mit herkömmlichen Beiträgen vergleichen.

 

Dabei wird in drei Arten von Absprüngen unterschieden: intern, extern, leave. „Intern“ bedeutet, dass Nutzer innerhalb der Seite auf einen anderen Artikel klicken. „Extern“ bezeichnet das Verlassen der Seite, etwa über einen Werbelink. Und „leave“ steht für das vollständige Verlassen des Angebots – beispielsweise durch das Schließen der App.

 

Welche Erfahrungen haben nun „Siegener Zeitung“ und „Rheinische Post“ gemacht? Lesen Sie mehr im KressPro-Magazin.