Vermischtes
Newsroom – Steffen Grimberg

Medienstaatsverträge lösen Koalitionskrise in Brandenburg aus

Die Zustimmung zum Rundfunkreform- und zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag spaltet das BSW: Vier Abgeordnete treten aus, das Misstrauen wächst – und in Potsdam wankt die Koalition zwischen Machtpoker und Medienpolitik.

Potsdam (KNA) – Einerseits hat der Hauptausschuss des Brandenburger Landtags am Mittwoch den Weg für den Rundfunkreform-Staatsvertrag und für den Staatsvertrag zum Jugendmedienschutz frei gemacht und beide an den Landtag zur abschließenden Entscheidung weitergeleitet. Dennoch bleibt die Lage in Potsdam angespannt. Denn nun geht es weniger um Medienpolitik, als vielmehr um die Zukunft der Koalition.


In Brandenburg regiert die SPD mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), CDU und AfD bilden die Opposition. Doch das BSW hatte angekündigt, gegen die beiden Staatsverträge zu stimmen. Der Beschluss zur Weiterleitung und Empfehlung an das Plenum, beiden Staatsverträgen zuzustimmen, fiel nach einer knappen Stunde Diskussion ohne neue Erkenntnisse mit jeweils fünf gegen vier Stimmen in dem neunköpfigen Gremium wie erwartet knapp aus.


Im Hauptausschuss haben die SPD und die AfD jeweils drei, das BSW zwei und die CDU einen Sitz. Die Mehrheit für die Staatsverträge kam nur zustande, weil neben dem CDU-Vertreter auch einer der beiden BSW-Abgeordneten, Brandenburgs Finanzminister Robert Crumbach, mit „Ja“ stimmte. Crumbach hatte extra anstelle des eigentlich für die BSW im Hauptausschuss sitzenden Abgeordneten Falk Peschel an der Sitzung teilgenommen, um ein Scheitern der Staatsverträge zu verhindern. Nach den Regularien des Brandenburger Landtags sind solche Manöver zulässig.


„Verlust an demokratischer Diskussionskultur“
Der medienpolitische Streit stellt das Brandenburger BSW jetzt weiter vor eine Zerreißprobe. Einen Tag vor der Abstimmung im Hauptausschuss waren nämlich schon vier BSW-Landtagsabgeordnete – Jouleen Gruhn, Melanie Matzies, Reinhard Simon und André von Ossowski – aus der Partei ausgetreten. Sie gehören zwar alle nicht dem Hauptausschuss an, spielen nun aber das Zünglein an der Koalitions-Waage. In einer gemeinsamen Erklärung zum Austritt warfen sie dem BSW vor, die parteiinterne Auseinandersetzung um die Medienstaatsverträge zeige „den Verlust an Besonnenheit, Vernunft und demokratischer Diskussionskultur, die eine starke und zukunftsfähige Partei auszeichnen sollten.“


Die vier schreiben von „autoritären Tendenzen“, die zunehmend das innerparteiliche Klima prägten. Weiter heißt es: „Der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten.“ Das ist nicht nur ein Schuss gegen die Brandenburger Fraktionsspitze, sondern auch in Richtung BSW-Bundesvorstand und Parteigründerin Sahra Wagenknecht gemünzt. Alle vier wollen einerseits „als Mitglieder der BSW-Fraktion“ die Regierungsarbeit innerhalb der SPD-BSW-Koalition im Landtag fortsetzen. Gleichzeitig haben sie ein Misstrauensvotum gegen den BSW-Fraktionsvorsitzenden Niels-Olaf Lüders und die Fraktionsspitze der Partei eingebracht, über das auf der nächsten Fraktionssitzung entschieden werden soll.


Die brandenburgische BSW-Landesvorsitzende Friederike Benda bleibt bislang bei ihrem Hardliner-Kurs. In einer Stellungnahme zu den Austritten unterstrich sie am Dienstag nochmals demonstrativ die grundsätzliche Ablehnung der Medienstaatsverträge durch ihre Partei. „Wir lehnen die Medienstaatsverträge ab, weil das Eintreten für Meinungsvielfalt und gegen regierungskonforme Meinungsmache schon im Gründungsmanifest eine von vier zentralen Positionen des BSW ist“, so Benda.


Argumentations-Parallelen zwischen BSW und AfD
Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag gehe „in die falsche Richtung“, da durch die in ihm enthaltene Umsetzung des Digital Services Act der EU „mehr Möglichkeiten für Zensur“ entstünden. Der Rundfunkreform-Staatsvertrag wiederum sei „absolut unzureichend, um die großen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch nur ansatzweise zu lösen“. Ähnlich hatten in der Sitzung des Hauptausschusses am Mittwoch auch noch einmal der BSW-Fraktionsvorsitzende Lüders und der medienpolitische Sprecher der AfD, Dennis Hohloch, argumentiert.


Benda verwies darauf, dass sich der BSW-Parteivorstand auf Bundesebene einstimmig und auch die Brandenburger Landtagsfraktion bei nur einer Gegenstimme dafür ausgesprochen hätten, die Staatsverträge abzulehnen. Die Partei werde dennoch „mit allen Beteiligten das Gespräch suchen, weil wir verhindern wollen, dass ein Weg der Abspaltung das BSW schwächt und die Arbeit der vielen engagierten Mitglieder und Unterstützer beschädigt“, so Benda weiter.


Zu möglichen Folgen für die gemeinsame Regierung mit der SPD in Potsdam sagte Benda: „Ein Ende der Koalition stand nie zur Debatte“, der Koalitionsvertrag enthalte auch keine Festlegungen zum Thema Medienstaatsverträge. Die beiden Gesetzestexte waren noch zur Zeit der Vorgängerregierung von SPD, CDU und Grünen entstanden.


Entscheidung kommende Woche
Der Brandenburger Landtag wird am 19. November über die Zustimmung zu den Staatsverträgen abstimmen. Im 88-köpfigen Landesparlament ist die SPD mit 32 Abgeordneten die stärkste Fraktion, gefolgt von AfD (30) und CDU (12). Nach den Austritten zählt die BSW-Fraktion nur noch zehn Parteimitglieder, dazu kommen die vier nunmehr parteilosen Abgeordneten. Eine Zustimmung zu den Medienstaatsverträgen gilt trotzdem als sicher, da neben BSW-Minister Crumbach auch die CDU signalisiert hat, mit „Ja“ zu stimmen.


Damit kann die mit bangen Augen auf Potsdam schauende Rundfunkkommission der Länder einen Haken an ihre beiden Vertragswerke machen. Für die Koalition in Potsdam und vor allem für das BSW geht der jetzt nicht mehr in erster Linie medienpolitische Poker weiter.

 

 

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