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Newsroom – Rupert Sommer

„Lokaljournalismus wird Beziehungsarbeit“: Cordula Schmitz und Meinolf Ellers über die Zukunft der Zeitung

„Lokaljournalismus wird Beziehungsarbeit“: Cordula Schmitz und Meinolf Ellers über die Zukunft der Zeitung Cordula Schmitz (Foto: Medienfachverlag Oberauer/APA-Fotoservice/Ludwig Schedl)

Auf dem European Publishing Congress in Wien warben Cordula Schmitz („Hamburger Abendblatt“) und Meinolf Ellers (dpa, Drive) für eine Neuausrichtung des Lokaljournalismus: weg vom Abo-Modell, hin zu echten Communitys.

Wien – Bei ihrem Vortrag auf dem European Publishing Congress in Wien riet Schmitz den versammelten Branchenkollegen, sich von den Social-Media-Mechaniken der erfolgreichen Digital-Medienunternehmen und Plattformen inspirieren zu lassen – und ihre Kernstärke zu kopieren. Besonders wichtig sind dabei die Personalisierung und das Gemeinschafts-Stiften, das vor allem bei Lokalzeitungsmarken funktionieren kann.

 

„Wir stehen vor einer Renaissance des Lokalen“, sagte auch ihr Co-Referent Meinolf Ellers, Digital-Führungskraft der dpa, Geschäftsführer der Initiative #UsetheNews und maßgeblich bei der Brancheninitiative Drive. Er verwies in Wien auf Untersuchungen, dass gerade junge Zielgruppen mediale Vereinsamung beklagen und sich nach Selbstwirksamkeit sehnen. „Wo sollte das besser möglich sein als in der lokalen Lebenswelt?“, so Ellers.

 

Cordula Schmitz leitet dafür für den Funke-Titel „Hamburger Abendblatt“ eine Neu-Definition des Auftrags ab. „Das Hamburger Abendblatt ist nicht mehr ‚nur‘ eine Zeitung, sondern wird neu konstruiert als soziale Gemeinschaft“, sagte sie. Das bedeutet für sie auch eine neue Art des digitalen Publizierens. „So wie Hamburg das Tor zur Welt ist, ist das iPhone ihr Zugang zu Communities, Freund:innen und allem, was verbindet“, sagt sie über die junge Zielgruppe.

 

Ihre zentrale These für die Zukunft formulierte Cordula Schmitz so: „Lokaljournalismus wird Beziehungsarbeit.“

 

Entsprechend stellt ihre Redaktion jeden Tag sich und der Lesergemeinschaft die Frage „Wie geht es Hamburg heute?“ und beantwortet die verschiedenen Themen. Dies erfordere neue Rollen im Newsroom. „Wir brauchen Menschen, die es verstehen, Menschen zu leiten und einzubeziehen“, so die Chefredakteurin. „Reporter sind keine Einzelkämpfer mehr.“

 

Auswirkungen hat das auch für das Geschäftsmodell sowie für die Messmethoden und die Ziele. „Wir brauchen neue KPIs“, sagte sie. „Der Wert eines Nutzers steigt mit seinem Engagement.“ Aus dem Gemeinschaftsgedanken leitet sie auch das neue Geschäftsmodell ab. „Dafür müssen wir vom Abo zum Membership.“

 

Genauso sieht das auch Meinolf Ellers vom Drive-Team und rät zu mehr Experimentierfreude bei Preismodellen. „Wir bauen ein tiefes emotionales Band zwischen der Marke und den Lesern“, sagte er. Daher empfiehlt auch er Membership-Erlösmodelle, wie sie etwa die „Aachener Zeitung“ mit ihrem „Freundeskreis“ oder die „Zeit“ mit der „Freunde der Zeit“-Reihe erfolgreich vormacht.

 

Zudem plädiert Ellers für neues Selbstbewusstsein im Umgang mit der jungen und jüngeren Zielgruppe. „Wir brauchen ein Bündnis mit den Jungen“, sagte er in Wien. Klassischer Print-Zeitungsjournalismus finde im ‚Relevant Set‘ der Generation TikTok schlicht nicht statt. Stattdessen müsse man ihnen klarmachen, „welchen Wert wir für sie schaffen“, so der dpa-Topmanager.

 

Um die Jüngeren adäquat zu erreichen – auch mit personalisierten Inhalten – setzt er auf KI-Rückenwind. „Wir brauchen Top-Technologien, um die Lokalzeitung neu zu erschaffen“, sagte er in Wien. „Wir brauchen KI, die uns den Rücken freihält, um unseren Job richtig gut zu machen.“

 


Die wichtigsten Reden vom European Publishing Congress als Podcast
Der European Publishing Congress ist ein Branchentreffen für Führungskräfte aus den Bereichen Redaktion, Digital, Design und Management. Zu den Reden