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Let me doxx you! – Was Medienprofis über Anglizismen wissen sollten

Let me doxx you! – Was Medienprofis über Anglizismen wissen sollten Peter Littger

Englisch oder doch Denglisch: Peter Littger zeigt, where the devil in the detail lies.

Salzburg – Peter Littger ist Journalist, sprachbesessener Autor und Buchautor („Hello in the round! Der Trouble mit unserem Englisch – und wie man ihn shootet“). Für die „Journalist:in“ zeigt er, was Medienprofis im Umgang mit ihrer Lieblingsfremdsprache beachten sollten. Diesmal Let me doxx you!: 

 

Kennen Sie schon das englische Wort „Doxing“? Redaktionen wie die BBC oder die „New York Times“ schreiben es wahlweise mit Doppel-x: „Doxxing“. In Zeiten des Kriegs bildet es einen neuen Standard im Netz. Und es ist Gift – womit ich keinen Anglizismus zum Ausdruck bringe. Doxing ist schließlich kein Geschenk – a gift. Vielmehr ist es ein Giftanschlag – eine toxische Handlung, die den Anspruch anderer auf Anonymität und auf den Schutz ihrer Privatsphäre missachtet. Das Ziel ist es, Menschen, die man als Gegner betrachtet, zu schaden, indem ihre persönlichen Daten gesucht und/ oder in Umlauf gebracht werden. Das Wörterbuch Merriam-Webster erklärt: „to publicly identify or publish private information about (someone) especially as a form of punishment or revenge“. Es geht also um Strafe und Rache.

 

Dabei kann es sich um privates Cyberbullying oder auch eine Form von politisch motiviertem Hacktivism handeln. Zum Beispiel wenn Fotos, Adressen und Telefonnummern, Steuererklärungen, ärztliche Diagnosen und andere Vertraulichkeiten veröffentlicht werden. Während viele Fälle gar nicht erst an die große Glocke gehängt werden – many cases aren’t shouted from the rooftops –, gelangen auch immer wieder Beispiele an die Öffentlichkeit. Etwa, wenn Abtreibungsgegner in den USA Ärztinnen und Ärzte an den Pranger stellen und indirekt oder sogar direkt deren Tötung fordern. Oder wenn in Harvard Studentinnen und Studenten an den Pranger gestellt werden, weil sie sich für oder gegen Israel äußern.

 

In Deutschland konnten wir 2018 das Leak persönlicher Daten zahlreicher Mitglieder im Bundestag erleben. Und in der Türkei wurden die Privatadressen der meisten Wähler im Land publik, nachdem Wikileaks rund 300.000 E-Mails des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ins Netz gestellt hatte.

 

Was die Wortherkunft betrifft, geht kein Wörterbuch auf den scheinbaren Bestandteil „toxic“ ein. Obwohl sich der Gedanke aufdrängt, hat Doxing eine andere Herkunft: Es leitet sich vom Plural von documents ab, der zu docs oder dox verkürzt wird. Während die Wortbildung an flicks – Filme – erinnert, die zu flix verkürzt werden können (und Netflix zu dem gemacht, was es ist), muss ich auch an doctoring denken. Das war schon im analogen Zeitalter die Fälschung und Verfremdung von Daten und Dokumenten. Das ist mit Doxing zwar nicht gemeint, aber stellt dennoch die nächste Stufe dar: die Verbreitung absichtlicher Fälschungen, die echt erscheinen. Dafür gibt es andere giftige Praktiken – kurz Fakes und Deep Fakes: Sogenannte Trap Streets oder Trap Towns sollten auf Landkarten und Stadtplänen dazu dienen, Copyright-Diebe zu enttarnen. Lexikonartikel mit falschen oder nicht existierenden Fakten werden unterdessen Mountweazel genannt.