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Journalistische Kapitulation: Warum sich Stefan Niggemeier über Lorenz Maroldts Julian-Reichelt-Geschichte ärgert

Journalistische Kapitulation: Warum sich Stefan Niggemeier über Lorenz Maroldts Julian-Reichelt-Geschichte ärgert Stefan Niggemeier

Die fiktive Erzählung von „Tagesspiegel“-Chefredakteur Lorenz Maroldt über „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt findet Stefan Niggemeier „extrem problematisch“. Zum einen für die Betroffenen der Untersuchung, zum anderen auch für das Publikum.

Berlin – Chefredakteur Lorenz Maroldt hat am Dienstag in seinem „Tagesspiegel“-Newsletter Checpoint eine fiktive Erzählung über „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt gebracht, „ein Drehbuch für eine siebenteilige Serie über eine große Boulevardzeitung“.


Für Übermedien- und Bildblog-Gründer Stefan Niggemeier ist das eine journalistische Kapitulation: Dadurch dass Maroldt eine „möglicherweise wahre Geschichten“ als Fiktion erzählt hätte, habe er alle Hürden, die einer seriösen Berichterstattung darüber im Weg standen, umgangen, meint Niggemeier. „Maroldt musste niemanden finden, der die geschilderten angeblichen Ereignisse bezeugte. Er musste die Gegenseite nicht mit den Vorwürfen konfrontieren. Er musste nicht entscheiden, ob die recherchierten Belege und Indizien für eine Berichterstattung ausreichen." Sogenannte Verdachtsberichterstattung sei in Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen zulässig, und Maroldt habe einfach auf den Versuch verzichtet, diese zu erfüllen, und haben sich in eine vage Erzählung mit unbestimmtem fiktiven Anteil geflüchtet – „im Zweifel könnte er sich darauf berufen, dass er ja nicht behauptet hat, dass es so war, jedenfalls nicht bei ,Bild‘“, schreibt Niggemeier auf Übermedien.

 

Der Medienkritiker findet das „extrem problematisch“. Zum einen für die Betroffenen: Nicht nur die Zeitung und ihre leitenden Mitarbeiter seien in der märchenhaften Erzählung leicht zu identifizieren, auch andere handelnde Personen. Sie sehen sich nun laut Niggemeier öffentlich mit Vorwürfen konfrontiert, gegen die sie sich wegen der Form kaum wehren könnten. Er sieht auch für das Publikum ein Problem: „Was soll es von diesen Geschichten halten? Was soll es mit ihnen anfangen? Soll es sie für wahr halten? Für Fantasie? Ist es die leicht verbrämte Schilderung eines echten Skandals? Oder vage an die Realität angelehnter Quatsch?“

 

Maroldts Geschichte war für Niggemeier die konsequente Fortsetzung dessen, was am Freitag vergangener Woche in Videos von Friedrich Küppersbusch und Jan Böhmermann begonnen habe: Beide hätten ebenfalls Vorwürfe gegen Reichelt und „Bild“ angedeutet und taten das Niggemeier zufolge in einer satirischen Form, die den genauen Wahrheitsgehalt offen ließ. Niggemeier auf Übermedien weiter: „Vermutlich haben sie dadurch dazu beigetragen, dass der ,Spiegel‘ am Montag schon einen Teil des Dramas, über den sich journalistisch seriös berichten ließ, in eine Meldung goss. Und damit weitere Berichte auslöste.“