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„Gier aufs Büro“: Wo Senderchef Daniel Rosemann Elon Musk radikal widerspricht

„Gier aufs Büro“: Wo Senderchef Daniel Rosemann Elon Musk radikal widerspricht Daniel Rosemann

Mit welchen ungewöhnlichen Präsenzmodellen der Senderchef von ProSieben und Sat.1 den Arbeitsalltag nach Corona organisiert und wie er die Sender radikal umbaut.

Berlin – Daniel Rosemann, Senderchef von ProSieben und Sat.1, sagt im „kress pro“-Interview, mit welchen ungewöhnlichen Präsenzmodellen er den Arbeitsalltag nach Corona ganz praktisch organisiert. Außerdem verrät er, wie er Sat.1 und ProSieben radikal umbaut.

 

Herr Rosemann, Elon Musk ist ein Mann, auf den man nicht unbedingt hören muss. Aber wenn er was sagt, findet er dann doch weltweit Gehör. Kürzlich hat er ja bekannt gegeben, dass all seine Tesla-Mitarbeiter gefälligst wieder zurückkehren sollten in die festen Strukturen: Wer nicht ins Büro kommt, riskiert bei ihm, seinen Job zu verlieren. Ich nehme an, das ist nicht der Stil, den Ihr Haus vertritt. Aber wie führt man genau zwei Sender, wenn man weite Teile der Mitarbeiterschaft so lange nicht gesehen hat – und welche neuen Arbeitsformen spielen sich jetzt in Ihren Teams ein?

Daniel Rosemann: Elon Musk scheint die innere Einstellung zu einem Job daran zu messen, wie viele Stunden eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter im Büro ist. Das halte ich nicht nur in der New Economy für einen großen Fehler. Bei uns hat die Wertschätzung der Mitarbeiter:innen nichts mit ihren Arbeitsstunden im Büro zu tun. Tatsächlich steckten bei uns die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr lange im Homeoffice. Wir haben ja eine sehr sensible Infrastruktur und mussten unsere Live-Programme und den Sendebetrieb vor Ort schützen. Wir sind aber seit dem 1. Juni mit einem neuen Arbeitsmodell wieder zurück auf unserem Campus in Unterföhring. Von zu Hause zu arbeiten war aber für mich und viele Kolleg:innen nichts wirklich Neues – auch vor Corona.

 

Tatsächlich?

Ich bin jetzt 14 Jahre bei ProSiebenSat.1. Und schon in meinem ersten Arbeitsvertrag stand die Bereitschaft zum „Teleworking“. Seit ich Führungskraft werden durfte, habe ich das so gehalten: Homeoffice macht erst dann vollkommen Sinn, wenn es niederschwellige Lösungen gibt. Es darf keine zähen Genehmigungsschleifen geben, und man darf nicht lange danach fragen müssen. Nur so kann man entspannt damit arbeiten und auch Work und Life manchmal besser in Einklang bringen. Vor allem unsere kreativen Bereiche haben aber gemerkt, dass sie durch Videocalls nicht ersetzt bekommen, was es etwa heißt, locker zusammenzusitzen und sich Anekdoten oder den neuesten Gossip aus der Branche zu erzählen. Gute Ideen entwickeln wir ja nicht, indem wir Termine ins Netz stellen. Sie entstehen oft beim Mittagessen.

 

Eine Erfahrung, bei der nur wenige Medienleute widersprechen würden.

Ich freue mich, dass ich mit meinen Mitarbeiter:innen eine gute Mischung gefunden habe. Im Gesamtkonzern gibt es, was zeitgemäße Arbeitsformen nach der Pandemie angeht, die unterschiedlichsten Ausprägungen. Das Unternehmen hat allen Bereichsleitungen freigestellt, das möglichst ideale Modell zu finden. Deswegen gibt es jetzt Abteilungen, die sind komplett wieder am Campus. Und es gibt Abteilungen, die sind sehr selten vor Ort.

 

Trotzdem: Wie sieht für Sie und die engsten Teams Ihr Modell aus: Wie viele Mitarbeiter kommen wieder fest oder zumindest regelmäßig fest ins Haus, wie viele verpflichtende Präsenztermine legen Sie fest?

Wir – gemeint sind alle Gewerke, die an unseren Sendermarken arbeiten – haben uns darauf geeinigt, dass wir uns zu festen Tagen verpflichten. Das Kernteam der Redaktionen und die Kernmannschaft der Senderleitung, also insgesamt das Strategieteam um mich herum kommt jetzt mindestens montags bis mittwochs ins Haus.

 

Was hat den Ausschlag für dieses Modell gegeben?

Stellen Sie sich bitte einmal ein großes Projekt wie „Germany’s Next Topmodel“ oder „The Masked Singer“ vor. Da nehmen bis zu 130 Personen aus dem gesamten Unternehmen an solchen Team-Besprechungen teil. Es gibt dafür ein Kernteam aus den Redaktionen, aus dem Marketing, aus der PR und aus der Abteilung fürs digitale Windowing, das sozusagen wie die Spinne in der Mitte des Netzes wirkt. Wir legen den Kurs fest, kommunizieren den – und alle anderen Gewerke können sich daran orientieren. Es muss also ein inneres Netz eng zusammenkommen, andere nicht. Ich achte darauf, dass ich die wichtigen Meetings, ob das Kreativ-Besprechungen oder Brainstorming-Meetings sind, an den Tagen mit persönlicher Präsenz abhalte. Wenn sehr viele Menschen Informationen benötigen und aufeinander angewiesen sind, kann man das Wo und Wie dieser Absprachen nicht dem Zufall überlassen.

 

Und was passiert dann an den anderen Arbeitstagen genau?

Was für alle von hoher Relevanz ist, wird an drei von fünf Tagen besprochen – also in 60 Prozent der Zeit. Die restliche Einteilung liegt im individuellen Ermessen. Ich bin selbst sehr gespannt, wie sich die Donnerstage und Freitag künftig gestalten. Ich kann noch nicht abschätzen, ob dann auch alle vor Ort sein werden. Oder niemand. Alles, was dort passiert, geschieht auf freiwilliger Basis – was den Arbeitsort angeht.

 

Und erfordert von Führungsseite Vertrauen.

Ich vertraue meinen Mitarbeiter:innen. Der Weg zum neuen Modell, das wir über rund ein Jahr hinweg in Arbeitsgruppen mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dazu gehört wurden, entwickelt haben, war überhaupt nicht steinig. Die Grundlage für unseren „New Way of Working“ kristallisierte sich schon am ersten Tag heraus und war für mich sehr überraschend: Die Leute haben klar gesagt, dass sie das Zusammenarbeiten im Büro vermissen.

 

Aus den Äußerungen von Tesla-Boss Musk – aber natürlich hat man Ähnliches auch schon aus deutschen Führungsetagen gehört – spricht natürlich ein gewisses Misstrauen. Wie viel würde Ihnen fehlen, wenn Sie als Chef nicht auch mal durch die Gänge gehen und nachsehen würden, dass auch wirklich gearbeitet wird?

Das kann ich nicht beantworten, weil ich nicht diese Art Chef bin. Ich will nicht messen müssen, wer wann wie viel arbeitet. Ich bin als Chef dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass die Menschen nicht zu viel arbeiten – schon aus arbeitsrechtlichen Gründen. Und ich weiß, dass es in meinem Team ehrlicherweise so viel zu tun gibt, dass ich mir nur schwer vorstellen könnte, dass jemand nicht oder nur wenig dafür arbeitet. Außerdem: Ich sehe die Ergebnisse. Und dann ist es mir egal, wie genau jemand seine Arbeitszeit legt. Auch aus rein persönlichen Gründen.

 

Wie meinen Sie das?

Ich bin selbst Familienvater mit zwei schulpflichtigen Kindern. Es gibt Tage, an denen ich nachmittags ab fünf Uhr am liebsten keinen Call hätte. Um danach dann spät wieder weitermachen zu können. So passen Leben und Arbeiten besser zusammen. Ich weiß selbst, dass am Ende solcher Prozesse glücklichere und offen gesagt auch viel effizientere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen.

 

Viele Medien-Menschen sind ja am persönlichen Gespräch und an den schnell mal hin und her gespielten Gedankenbällen interessiert. Und genau deswegen hört man aus nicht wenigen Häusern, dass die Pandemie mit ihren ungezählten Videocalls das Meeting-Unwesen mit aufgebauschten Marathon-Besprechungen samt protokollarischen Ehren verstärkt hat. Jammern die Leute darüber nicht auch bei Sat.1 und ProSieben?

Solche monströsen Meetings mit steifen Formalien gab’s bei uns noch nie! Manche Dinge muss man nicht länger als 15 Minuten diskutieren. Und ich selbst versuche, viele Fragen zwischen mir und meinem engsten Führungskreis auch mal durch ein kurzes Telefonat während einer Autofahrt zu besprechen. Dafür muss ich keinen halbstündigen Teams-Call bei Outlook einstellen. Ich spüre eine Gier der Leute, wieder regelmäßig im Büro zu sein. Es möchte in meinem Team kaum einer fünf Tage im Büro sein. Aber eben auch so gut wie niemand will fünf Tage „out of office“ sein.

...

 

Das vollständige Interview mit Daniel Rosemann lesen Sie im aktuellen „kress pro“ (5/2022). Darin führt der Multi-Senderchef detailliert aus, wie er seine Teams durch die umfangreichen Restrukturierungsarbeiten steuert und wann endlich in welcher Form das neue Nachrichtenteam in München-Unterföhring die Arbeit aufnehmen wird.