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„Spiegel“ inside: Der Machtkampf und seine Folgen

„Spiegel“ inside: Der Machtkampf und seine Folgen „kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand (Foto: Ludwig Schedel)

Chefredakteur Markus Wiegand schreibt in seinem „kress pro“-Editorial, was sich jetzt beim „Spiegel“ als größtes Problem erweist – und warum Klaus Brinkbäumer prophetische Fähigkeiten hatte.

Hamburg – Der Machtkampf beim „Spiegel“ und seine Folgen sind Thema der neuen „kress pro“-Titelgeschichte. Chefredakteur Markus Wiegand schreibt in seinem Editorial, was sich jetzt beim „Spiegel“ als größtes Problem erweist – und warum Klaus Brinkbäumer prophetische Fähigkeiten hatte.

 

Wenn man als Medienjournalist über den „Spiegel“ schreibt, ist das sehr einfach und sehr schwierig zugleich. Einfach, weil es immer Quellen gibt, die ihre Sicht der Dinge ganz gerne schildern. Was viel damit zu tun hat, dass etwas mehr als die Hälfte der "Spiegel"-Gruppe den Mitarbeitern gehört. Schwierig, weil diese Quellen genau wissen, wie das Geschäft läuft.

 

„Ich stelle mir manchmal vor, wie der ,Spiegel‘ über den ,Spiegel‘ schreiben würde. Schön wär's nicht“, sagte uns Klaus Brinkbäumer Mitte 2019 in einem „kress pro“-Interview, zehn Monate nachdem er rüde aus dem Amt befördert worden war. Tatsächlich ist Wohlwollen nicht die publizistische Zentralkompetenz des Titels. In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden die Fehler der anderen oft mikroskopisch seziert und beinhart benannt. Im eigenen Haus ist die Fähigkeit zur Selbstkritik allerdings weit weniger entwickelt. Und so mischt sich bei manchen in der Branche in die Überraschung über die Wirren beim „Spiegel“ auch Schadenfreude. Motto: Beim Kampf um Macht und Einfluss sind die Besserwisser vom Dienst auch nicht anders als alle anderen.

 

Ungewöhnlich offen kritisierte Brinkbäumer in seinem hellsichtigen „kress pro“-Interview die Umstände seines Abgangs: „Manche KG-Geschäftsführer und in Wahrheit sogar die meisten stillen Gesellschafter fühlen sich bei allen Fragen mächtig und kompetent, auch wenn sie Letzteres, wer weiß, womöglich nicht bei jedem Thema sind. In der KG werden dann auch noch persönliche Kränkungen aufgearbeitet und individuelle Karrieresprünge vorbereitet. So etwas kann für kein Unternehmen der Welt gesund sein.“

 

Nach den Wirrungen um den Abgang von Chefredakteur Steffen Klusmann kann man nicht behaupten, dass sich daran viel geändert hat. Das Ergebnis unserer Recherche ist jedenfalls klar: Geschäftsführer Stefan Ottlitz hat den Machtkampf gegen Steffen Klusmann im Verbund mit Geschäftsführer Thomas Hass und Markus Brauck, Chef der Mitarbeiter KG, gewonnen und damit möglicherweise bereits den Grundstein dafür gelegt, dass die Wirren weitergehen. Denn er hat in der Redaktion jetzt eine starke Opposition gegen sich. „Gut geführte Unternehmen wissen, was sie wollen, lernen aus Fehlentscheidungen und entscheiden dann schnell und sicher“, sagte Brinkbäumer. „Sie müssen nicht die eigene Dysfunktionalität durch die Suche nach Sündenböcken kompensieren.“

 

Stefan Ottlitz kann angesichts der derzeit düsteren wirtschaftlichen Prognosen nur hoffen, dass seine Anteilseigner das ebenso sehen. Die erklärte Strategie des „Spiegel“ ist es, die strukturellen Verluste im Werbegeschäft durch neue Erlöse mit Digitalabos auszugleichen. Das hat in den vergangenen Jahren gut funktioniert. Derzeit aber verliert der „Spiegel“ zu schnell zu viele Abonnenten wieder. Die Geschäftsführer Stefan Ottlitz und Thomas Hass haben versucht, dieses Problem bei Klusmann und der Redaktion abzuladen, obwohl niemand in der Branche bisher einen Königsweg für höhere Haltbarkeiten gefunden hat.

 

Loyalisierung heißt das große Zauberwort. Theoretisch ist es einfach: Beim „Spiegel“ funktionieren Nutzwertinhalte bestens. Der Titel hat kürzlich eine Liste mit 50 Artikeln publiziert, die am besten in Abos konvertiert haben. Nutzwert dominiert, ein bisschen MeToo, kaum Polit- und Wirtschaftsgeschichten. Wenn es jetzt darum geht, die Loyalität der Nutzer zu erhöhen, braucht man mehr von genau solchen Stoffen. Gleichzeitig benötigt man aber auch Inhalte fürs Heft, dessen Abonnenten auch dank ihrer Treue immer noch den größeren Teil der Vertriebserlöse bringen.

 

Beim „Spiegel“ wie auch bei anderen Digitalabo-Modellen driften die Marken analog und digital inzwischen ganz schön auseinander. Die Synergien in der Redaktion sind kleiner als erhofft. Daher wird es wohl nicht ohne kräftige Investitionen in die Inhalte gehen. Dieses Ansinnen trifft beim „Spiegel“ auf eine Mitarbeiter KG, die die Ausschüttungen hoch halten möchte. Vielleicht ist das derzeit das größte Problem des „Spiegel“: Die Beteiligung der Mitarbeiter ist ein Schönwettermodell. Die Medien aber sind in einer Umbruchphase und niemand der „Spiegel“-Anteilseigner (Mitarbeiter KG, Bertelsmann, Augstein-Erben) hat Interesse, wirklich mutig zu investieren.

 

Die Top-Themen im neuen „kress pro“:

  • Der „Spiegel“ und das Ottlitz-Problem: Geschäftsführer Stefan Ottlitz hat den Machtkampf gegen Chefredakteur Steffen Klusmann für sich entschieden. Warum der Sieg das ganze Haus belastet.
  • Ranking: 33 Fachmedienköpfe, die die Branche bewegen.
  • Vertrieb: Mit welchen Themen „Bild“ Digitalabos verkauft. Strategie: Wie die „Heilbronner Stimme“ die Transformation angeht.