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Das Ende der Ära Leif - Schlampereien bei den Saubermännern des Journalismus

Ausgerechnet zum zehnjährigen Jubiläum stürzt das Netzwerk Recherche in eine schwere Führungskrise. Der Journalistenverein verliert seinen Gründer Thomas Leif als Vorsitzenden. Schlampereien bei Abrechnungen waren vorausgegangen. Eine neue Führung ist noch nicht in Sicht.

Hamburg (dpa) - Thomas Leif versucht sich im Podiumsgespräch mit Literaturnobelpreisträger Günther Grass nichts anmerken zu lassen. Lässig im Sessel lehnend plaudert er mit dem Schriftsteller über den Zustand des Journalismus in Zeiten einer enormen Beschleunigung. Kurz zuvor musste er erleben, wie ihm die Führung des von ihm gegründeten Netzwerks Recherche aus der Hand genommen wurde. Der Grund: Durch falsche Förderanträge sackte der Verein womöglich zu viel Geld ein.

Leifs vom übrigen Vorstand erzwungener Rückzug zum zehnjährigen Jubiläum verhagelt bei der Tagung am Wochenende in Hamburg die Stimmung. Das Wort vom Putsch macht die Runde bei den Mitgliedern einer der renommiertesten deutschen Journalistenorganisationen, doch das entspricht nicht ganz den Tatsachen. "Wir haben ja niemanden, der an seine Stelle treten könnte", betont der zweite Vorsitzende, der Journalist Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung".

Leif war der Kopf, der aber nach Meinung vieler Mitglieder aber zu viel an sich gezogen und bei immer mehr Veranstaltungen möglicherweise den Überblick über die Finanzen verloren hat. "Das war zum Teil eine One-Man-Show", sagt Vorstandsmitglied Markus Grill ("Spiegel"). Alle würdigen Leifs Lebenswerk, sehen aber keine Alternative zum Schnitt. Vorstand Tina Groll sagt über Leif: "Er hat alles alleine gemacht, er war so übermächtig, wir haben ihm blind vertraut".

Was war passiert? Für die Veröffentlichung der Finanzen im Internet und die Gründung einer Stiftung hatte sich der Vorstand am 28. Mai mit der Finanzlage des Vereins befasst und fragwürdige Abrechnungen gefunden. Wirtschaftsprüfer wurden beauftragt, die Jahre 2007 bis 2010 zu durchleuchten. Diese fanden Hinweise, dass Gelder nicht korrekt ausgewiesen wurden. "Beispielsweise Einnahmen aus dem Verkauf von Broschüren", sagt Leyendecker.

Eigentlich sind es "Peanuts", brisant wird das Ganze aber im Zusammenhang mit Anträgen auf Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Diese Teilfinanzierung durch den Bund und damit den Steuerzahler hätte Netzwerk Recherche möglicherweise nicht zugestanden, wenn alle Einnahmen und Spenden ordentlich ausgewiesen worden wären.

Am 29. Juni wurden die Mitglieder umfassend und umgeschminkt über die Probleme informiert. Man überwies der BpB sämtliche Fördergelder zurück - auch die, die Netzwerk Recherche möglicherweise rechtmäßig zugestanden hätten. Summa summarum satte 75.000 Euro, die nun in der Kasse des Vereins fehlen. Immerhin ist die wirtschaftliche Grundlage dank 394.743,99 Euro auf der hohen Kante nicht gefährdet.

Einige Mitglieder werfen dem SWR-Mann Leif vor, er habe alles lieber intern regeln wollen - aber niemand redet von Vorsatz. Auch die Prüfer betonen ganz klar, es gebe keinerlei Hinweise für eine persönliche Bereicherung. Doch Leyendecker sieht den Verein, der die hehren ethischen Ideale des Journalismus betont, in der Pflicht transparent zu agieren und entsprechend zu handeln. "Das ist wie bei Margot Käßmann. Sie konnte auch nicht mehr über Moral reden nach ihrer Promillefahrt. Ich fand, das galt für unseren Verein auch".

Leyendecker lobte bei einer Mitgliederversammlung am Rande der Tagung im Raum K3 des Norddeutschen Rundfunks Leifs Verdienste für das Netzwerk und baute goldene Brücken. Der letzte Schritt der Kette hätte sein sollen, dass Leif seinen Hut nimmt - tat er aber nicht, zumindest war vielen Mitglieder unklar, ob Leif abtritt. Sein Amtszeit sei eh ausgelaufen, verkündete er und umging tunlichst den Begriff "Rücktritt". Was folgte, war große Verwirrung, bis der Restvorstand klarmachte, die Ära Leif sei vorbei.