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Newsroom – Rupert Sommer

Bankrotterklärung: Hans Leyendecker greift Spiegel-Chefs hart an

Bankrotterklärung: Hans Leyendecker greift Spiegel-Chefs hart an Hans Leyendecker

Die Aufarbeitung einer „Spiegel“-Kommission zur Recherche-Arbeit im „Fall Bad Kleinen“ schlägt hohe Wellen. Der Investigativ-Experte Hans Leyendecker spricht von einer „Bankrotterklärung der heutigen Spiegel-Macher“ und greift über die dpa Chefredakteur Steffen Klusmann und Geschäftsführer Thomas Hass an.

Berlin – Mit einer vor rund 27 Jahren erschienenen Titelgeschichte zu einem GSG-9-Einsatz gegen die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF) in Bad Kleinen, die damals Hans Leyendecker schrieb, hat der „Spiegel“ aus Sicht einer Aufklärungskommission einen Fehler gemacht. Im Abschlussbericht, den das Nachrichtenmagazin am Donnerstag veröffentlichte, heißt es: „Nach vielen Gesprächen mit damals Beteiligten – innerhalb und außerhalb der Redaktion – ist die Kommission zu der Überzeugung gelangt, dass der ,Spiegel‘ mit der Berichterstattung über die Abläufe in Bad Kleinen auf Basis einer mangelhaft geprüften und falschen Aussage einen journalistischen Fehler begangen hat“, schreiben die Autoren des mehrseitigen Berichts „In eigener Sache“.

 

Nun ist zwischen dem „Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“, zu der Hans Leyendecker 1997 wechselte, ein heftiger Streit über die Bewertung des Falls und vor allem über den journalistischen Quellenschutz entbrannt. Hans Leyendecker, der heute für die „Süddeutsche Zeitung“ arbeitet, teilte der Deutschen Presse-Agentur mit: „Dass der ,Spiegel‘ den Quellenschutz im Grunde nicht respektiert, ist für jemanden, der fast 20 Jahre für dieses wichtige Blatt gearbeitet hat, nicht nachzuvollziehen. Die Frage der Kommission, ob ich einen Kontakt zu der damaligen Quelle herstellen könne, war eine Bankrotterklärung der heutigen ,Spiegel‘-Macher.“

 

Der Autor der damaligen Titelgeschichte „Der Todesschuss“, die im „Spiegel“ 27/1993 erschienen war, bezeichnete den Abschlussbericht als „unredlich und unseriös“. In dem Artikel von Hans Leyendecker geht es um den pannenreichen Einsatz der Elite-Polizisten 1993 in der Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern zur Festnahme von zwei RAF-Mitgliedern. Terrorist Wolfgang Grams sowie ein GSG-9-Beamter starben. Grams hatte sich laut einem Gutachten selbst umgebracht. Allerdings gab es Gerüchte, dass das RAF-Mitglied hingerichtet worden sei und auch Medienberichte wie den „Spiegel“-Artikel zu dieser Frage. In die Titelgeschichte floss als Quelle auch ein anonymer Zeuge ein, der laut Artikel gesehen haben wollte, wie ein Polizist Grams erschoss. Im Nachgang kamen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Quelle auf. 

 

Die vom „Spiegel“ beauftragte Kommission schreibt, dass es eine Quelle gegeben habe – zumindest eine anonyme. Zugleich wird an anderer Stelle im Bericht kritisiert: „Die redaktionellen Kontrollen und die Überprüfung durch die Dokumentation haben versagt; das Justiziariat hat zwar Unstimmigkeiten bemerkt, aber nicht Alarm geschlagen.“

 

Die „Süddeutsche Zeitung“ greift die Debatte auf der Medienseite ihrer Freitagsausgabe in einem ganzseitigen Artikel auf, in dem auch Hans Werner Kilz Stellung bezieht. Der „SZ“-Artikel ist von Joachim Käppner und Ralf Wiegand verfasst, unterstützt durch die Arbeit mit weiteren recherchierenden Kollegen. Kilz war nicht nur „Spiegel“-Chefredakteur (von 1989 bis 1994, danach abgelöst von Stefan Aust), sondern bis 2010 auch Chefredakteur der „SZ“. Er nimmt Hans Leyendecker in Schutz. Um seinen Ruf zu schützen und nicht als Lügner dazustehen, müsste er – so Kilz – seinen Informanten preisgeben. Leyendecker lehnt das ab. Und Hans Werner Kilz kritisiert die „Aufklärerlogik“ und das Vorgehen der „Spiegel“-Kommission scharf. Er hält es für „völlig unverständlich, wie ein amtierender ,Spiegel‘-Chefredakteur ein solches Machwerk“ veröffentlichen könne. Immerhin muss der Informantenschutz „für einen anständigen Journalisten heilig“ sein, so der Artikel in der „SZ“.