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DPA/Von Michael Donhauser und Christof Bock

Medien im "tiefen Tal" - Branchenriese Bertelsmann muss kürzertreten

Nach der in der jüngeren Bertelsmann-Geschichte beispiellosen Aufräumaktion sollte es durch gezielte Investitionen - etwa in den als lukrativ erachteten Bildungssektor - massiv aufwärts gehen.

Berlin (dpa) - Es ist eine starke Geste und sie kostet die Bertelsmann-Chefs Millionen in ihrer Privatschatulle. 2009, im Jahr der Wirtschaftskrise, wolle die Konzernspitze auf alle Boni und damit "mindestens 50 Prozent" der Bezüge verzichten, kündigte der Vorstandsvorsitzende von Europas größtem Medienhaus, Hartmut Ostrowski, am Dienstag in Berlin überraschend an. Zu der Ankündigung hatte sich Ostrowski spontan entschlossen, obwohl das solide Familienunternehmen keine Staatshilfen nötig hat und keine fremden Aktionäre bedienen muss. Es geht nicht um Kleingeld: Insgesamt 22 Millionen Euro hatte das Top-Management für 2008 überwiesen bekommen.

Der Verzicht der Top-Manager soll ein Zeichen sein, in einer Zeit, in der die Medienbranche durch "ein tiefes Tal" schreitet. Wie tief dieses ist, habe er bei seinem Amtsantritt als Vorstandschef nicht absehen können, sagte Ostrowski. "Ich habe keine Wirtschaftskrise vorhersehen können." Inzwischen sieht er klarer: Zweistellige Einbrüche bei den Werbeeinnahmen im europaweiten Fernsehgeschäft, zurückgehende Anzeigenbuchungen und Zurückhaltung der Verbraucher beim Konsum.

Noch vor einem Jahr hatte Ostrowski ehrgeizige Ziele verkündet. Von 18 auf 30 Milliarden Euro sollte der Umsatz von Europas größtem Medienkonzern bis zum Jahr 2015 in die Höhe schnellen, allein das organische Wachstum sollte jährlich vier Prozent betragen. Die Wirtschaftskrise machte Ostrowski einen dicken Strich durch seine Rechnung.

Allein beim britischen Fernsehsender Five waren 2008 mehr als 300 Millionen Euro Abschreibungen fällig, weil die Werbemärkte auf der Insel in der zweiten Jahreshälfte völlig einbrachen und damit die Einnahmeerwartungen nicht mehr zu erfüllen waren. Nicht zuletzt dies ließ den Nettogewinn beim Bertelsmann-Konzern 2008 auf 270 Millionen Euro und damit den niedrigsten Wert seit fünf Jahren sinken.

Dabei war Ostrowski Anfang 2008 mit eisernem Besen zu Werke gegangen. Wachstum sei die Basis von allem, hatte er verkündet und umgehend Taten folgen lassen. Die seit langer Zeit kriselnde Musiksparte Bertelsmann Music Group (BMG) wurde an den Partner Sony verkauft, ein großer Teil der ausländischen Clubgeschäfte - vor allem in Nordamerika - wurde abgestoßen. Mit den Einnahmen baute der Konzern seine Schulden um 1,1 Milliarden Euro auf 6,7 Milliarden Euro ab. "Wir fühlen uns wohl mit diesem Schuldenstand", sagte Finanzchef Thomas Rabe.

Nach der in der jüngeren Bertelsmann-Geschichte beispiellosen Aufräumaktion sollte es durch gezielte Investitionen - etwa in den als lukrativ erachteten Bildungssektor - massiv aufwärts gehen. Doch in der Krise sind hohe Ausgaben erst einmal gestrichen. Zwar halte man durchaus Ausschau nach "Schnäppchen", wie es der Vorstandschef von der größten Bertelsmann-Sparte RTL-Group, Gerhard Zeiler, formulierte. Doch "Schnäppchen" sei heute völlig anders definiert als noch vor ein oder zwei Jahren, sagte Zeiler mit Blick auf rasant sinkende Firmenwerte in der gesamten Medienwelt.

Deshalb gilt bei Bertelsmann, weltweit die Nummer vier der Branche hinter Time Warner, Disney und Newscorp, zunächst einmal die Devise von Finanzchef Rabe: "Geschäfte sichern und Liquidität zusammenhalten." Danach, ist sich Firmenchef Ostrowski sicher, werde Bertelsmann gestärkt aus der Krise hervorgehen. Der Umbau habe bewirkt, dass 90 Prozent aller Geschäfte in ihren Märkten starke Positionen einnehmen. Wann auch die Märkte wieder erstarken, konnte er nicht vorhersagen.