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Früherer AP-Chefredakteur Ulrich Renz: Wunsch nach Kooperation gab es schon immer

Ab dem 1. Februar 2013 besitzt die Deutsche Presse-Agentur die exklusiven Vermarktungsrechte für Texte der Associated Press. Damit tritt eine Kooperation in Kraft, die schon vor Jahrzehnten in den USA gefordert wurde, weiß der frühere AP-Deutschland-Chefredakteur Ulrich Renz.

Berlin - In einem exklusiven Gastbeitrag für NEWSROOM berichtet Ulrich Renz, was einige Kollegen und Verleger in den USA immer wieder gefordert haben: "Vor allem aber wurde ein Argument ins Feld geführt: Warum konnten UPI oder AP nicht wie in anderen Teilen der Welt mit den „nationalen“ Agenturen zusammenarbeiten und von deren umfassender Inlandsberichterstattung profitieren?".

Die deutschen Dienste von UPI und AP waren immer wieder bedroht

Das Bild mag etwas schräg sein, aber dennoch: Die deutschen Dienste der amerikanischen Nachrichtenagenturen United Press International (UPI) und Associated Press (AP) führten ein Leben auf dem Vulkan. Seit der ausbrach und zuletzt den deutschsprachigen Ableger von AP verschlang, herrschen heftige Turbulenzen auf dem Agenturmarkt in der Bundesrepublik und ihrer Umgebung.

Leidtragende sind die Journalisten, die sich zum Teil über Jahrzehnte hinweg für den deutschen AP-Dienst engagiert und von denen etliche mit viel Schwung und Begeisterung die Neugründung dapd angeschoben haben.

Nach dem Krieg entstanden die deutschen Dienste der beiden Weltagenturen unter der Obhut der amerikanischen Besatzungsmacht. Folgerichtig ließen sich beide Redaktionen in Frankfurt nieder, 1946 zunächst UPI, die damals noch als United Press firmierte. 1950 zog auch die neugegründete AP GmbH an den Main, nachdem diese Agentur zunächst in Berlin den Betrieb aufgenommen hatte.

Die Redaktionen residierten im Bahnhofsviertel und bildeten dort mit dem ebenfalls aus den Vereinigten Staaten stammenden International News Service (INS) eine Art magisches Dreieck. UP fusionierte später mit INS und kam so zum „I“ im Firmennamen.

Associated Press schon immer grundsolide

Diese deutschen Dienste konkurrierten heftig miteinander. UPI galt als etwas flotter und schneller, wurde aber den Geruch des leicht unseriösen Berichterstatters nie ganz los. AP trug den Ruf vor sich her, ein bisschen schwerfälliger, aber dafür grundsolide zu sein. Das Verhältnis der beiden war distanziert und professionell, man respektierte sich.

 

NEWSROOM-Gastautor Ulrich Renz

Ulrich Renz, geboren 1934 in Stuttgart, Lehrjahre bei der „Heidenheimer Zeitung“, 1959 bis 1971 Redakteur beim deutschen Dienst von UPI in Frankfurt, zuletzt Chef vom Dienst, 1971 bis 1997 Redakteur bei AP in Frankfurt, davon unter anderem fünf Jahre Chefredakteur.

 

Episoden wie jene nach der Hinrichtung des Verbrechers Caryl Chessman im Mai 1960 blieben eher selten. Chessman, wegen schwerer Straftaten - nicht aber wegen Mordes – in Kalifornien zum Tode verurteilt, saß zwölf Jahre in der Todeszelle, schrieb dort Bücher und wurde eine Berühmtheit. Schließlich wurde er in der Gaskammer von San Quentin hingerichtet.

UPI war schneller mit der Todesnachricht, die Redaktion hatte nicht wie AP die amtliche Feststellung des Todes abgewartet. Darauf reagierte AP mit einer sehr ungehaltenen längeren Mitteilung an die Redaktionen, in der sie ihre Haltung rechtfertigte.

Deutsche Presse-Agentur unangefochten auf dem ersten Platz

Beide Agenturen versuchten nicht, die Deutsche Presse-Agentur (DPA) vom ersten Platz in der Bundesrepublik zu verdrängen, sie stritten um den zweiten Rang, es bürgerte sich der Begriff „Zweitagentur“ ein.

Dafür spielten die beiden Redaktionen eine maßgebliche Rolle bei der Reform der Nachrichtengestaltung, als Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre die Berichterstattung auf die stramme „Lead-Schreibe“ - die attraktive Zusammenfassung des Inhalts im knappen ersten Absatz - , auf Zusammenfassungen und für die Zeitungen passende Überschriften (wo vorher oft nur Stichworte standen) getrimmt wurde.

In den gemächlicheren Zeiten nach dem Krieg hatten Redakteure, die häufig in erster Linie wegen ihrer Kenntnis der englischen Sprache angeheuert wurden, ganz gerne die Meldungen aus dem englischsprachigen Weltdienst der Mutterfirma eins zu eins übersetzt.


So belebten die beiden Konkurrenten den Markt der Nachrichtendienste in der Bundesrepublik und waren erfolgreich. Intern aber - und hier kommt das Bild vom Vulkan ins Spiel - wurde in der jeweiligen Weltfirma, meist hinter vorgehaltener Hand oder in Frageform, zeitweise gar nicht und dann wieder verstärkt, darüber gesprochen, ob es denn überhaupt ein deutscher Ableger sein müsse.

Innerhalb der Zentralen von AP und UPI in New York gab es in den Redaktionen und im Management Fraktionen, die für den deutschen Dienst waren oder die ihn hinterfragten oder gar ablehnten. Die Befürworter behielten lange die Oberhand, die Gegner waren immer latent vorhanden.

Streik sorgte für Ärger

Gründe für eine Diskussion gab es genug. Das begann mit Ärger über lästige deutsche Besonderheiten, so dass aus New York schon mal der Ruf über den Atlantik drang: „What the hell is Weihnachts-Gratifikation“? Dass die Redaktion des deutschen Dienstes von UPI 1971 in einen aufsehenerregenden längeren Streik wegen Gehaltserhöhungen trat, kam gar nicht gut an.

Vor allem aber wurde ein Argument ins Feld geführt: Warum konnten UPI oder AP nicht wie in anderen Teilen der Welt mit den „nationalen“ Agenturen zusammenarbeiten und von deren umfassender Inlandsberichterstattung profitieren? „Warum habt ihr denn das nicht von DPA genommen?“ wurden amerikanische Kollegen in Frankfurt gelegentlich von der New Yorker Zentrale gefragt, wenn sie eine für den Weltdienst wichtige Nachricht aus Deutschland nicht geliefert hatten, weil die Kameraden vom deutschen Dienst gleich nebenan nicht die ganze Republik abdecken konnten.

Bei der genossenschaftlich organisierten AP leuchtete nicht jedem Mitbesitzer – sagen wir: Einem Verleger aus dem Mittleren Westen – ein, wozu Investitionen in einen Dienst in Übersee gut sein sollten.


Und so wurde auch gerechnet: Wenn ich meinen deutschen Dienst einstelle und den Weltdienst dafür an DPA verkaufe, dann mache ich ein gutes Geschäft. Zwar entstehen dann noch Kosten für den Unterhalt einer kleinen Redaktion amerikanischer Kollegen zur Berichterstattung aus Deutschland, aber das sind Peanuts im Vergleich zu den Aufwendungen für einen deutschsprachigen Dienst, der sich gerade so trägt.

Ob er sich trug, war im übrigen oft umstritten. Unstrittig war allerdings, dass bei AP der deutsche und der – viel jüngere - schweizerische Dienst profitabler waren als etwa das französische Angebot. Daneben gab es auch Ableger in spanischer, flämischer oder schwedischer Sprache.

Aus UPI entstand ddp

Was immer dann die wahren Gründe gewesen sein mögen: Tatsache ist, dass UPI am 30. November 1971 ihren deutschen Dienst einstellte, nachdem das Unternehmen einen Vertrag über den Nachrichtenaustausch mit DPA abgeschlossen hatte.

Eine ganze Anzahl unerschrockener Redakteure, die plötzlich auf der Straße standen, gründeten darauf hin den Deutschen Depeschen-Dienst (ddp). Einige andere Kollegen gingen zur Agentur Reuters, die bisher mit DPA zusammengearbeitet hatte und nun ihrerseits einen deutschen Dienst ins Leben rief.


Und dann wiederholte sich die Geschichte, was Kenner von UPI und AP nicht allzu sehr überraschte: Im Dezember 2009 übernahm ddp die AP GmbH, es entstand die neue Agentur dapd. Die folgenden Turbulenzen machten immer wieder Schlagzeilen.

Eine alte Faustregel in der Branche schien außer Kraft gesetzt: Dass nämlich Nachrichtenagenturen still und diskret wirken und nicht selbst zu Nachrichten werden sollen. Und es schloss sich der Kreis, als AP nach dem Umweg über dapd endlich die Zusammenarbeit mit DPA vereinbarte, von der mancher in New York geträumt hatte.

Ulrich Renz