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Fünf Thesen: Ist der "Polizeiruf 110" der bessere "Tatort"?

Die letzte "Polizeiruf 110"-Erstausstrahlung der TV-Saison läuft am nächsten Sonntag. Gregor Tholl hat aufgeschrieben, warum die ARD-Krimireihe im Schatten des "Tatort" womöglich die sehenswertere ist.

Berlin (dpa) - Rund um die TV-Reihe "Tatort" ist immer viel los, der Rummel bei Medien und Fans kennt kaum noch Grenzen. Immer wieder neue Ermittler, Rekordzahlen bei Quoten und Online-Abrufen machen die Krimis am Sonntagabend im "Ersten" zu einem der letzten so genannten Lagerfeuer der Nation. Ein Ritual.

Ins Hintertreffen gerät dabei der kleine "Tatort"-Bruder mit DDR-Vergangenheit: das ARD-Format "Polizeiruf 110". Eine Auswahl von möglichen Gründen, warum die Fälle aus Sachsen-Anhalt, Rostock, Potsdam und München eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdienen könnten als das Massenphänomen "Tatort":

1. Weniger Filme: Beim "Tatort" gab es in der vergangenen Saison, die bereits am 23. Juni mit dem Bodensee-Krimi "Letzte Tage" endete, 39 neue Filme. Der "Polizeiruf 110" ist da am Sonntagabend weit übersichtlicher. Nur sieben Fernsehfälle gab es diese Saison - und zwar: den Rostocker Krimi "Stillschweigen" (30.9.), "Fieber" aus München (4.11.), den brandenburgischen Krimi "Eine andere Welt" (23.12.), den Rostocker Fall "Fischerkrieg" (20.1.), den 50. und letzten "Polizeiruf" aus Halle, "Laufsteg in den Tod" (3.3.), den Brandenburg-Krimi "Vor aller Augen" (5.5.) und nun noch den Münchner Fall "Der Tod macht Engel aus uns allen" (14.7.).

2. Keine Team-Inflation: Nach dem Ende des traditionsreichen Teams aus Halle neigt der "Polizeiruf" nicht zum Überstrapazieren, wie es selbst ARD-Obere wie SWR-Intendant Peter Boudgoust beim "Tatort" sehen, bei dem mehr als 20 Teams ermitteln. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) ersetzt die Schauspieler Jaecki Schwarz (67) und Wolfgang Winkler (70) als Ermittlerduo Schmücke/Schneider mit einem neuen Team aus Sachsen-Anhalt (und nicht gleich mit zweien) - und zwar in Magdeburg statt Halle: Claudia Michelsen (44) spielt Hauptkommissarin Doreen Brasch und Sylvester Groth (55) Hauptkommissar Jochen Drexler. Der erste Krimi mit den beiden (Arbeitstitel: "Der verlorene Sohn") soll am 13. Oktober laufen. Zwei Folgen pro Jahr soll es künftig geben.

3. Keine Quoten-Jagd: Die Einschaltquoten scheinen beim "Polizeiruf 110" zum Glück nicht so wichtig zu sein wie beim "Tatort", der öfter auf knallige Themen (zum Beispiel Zwangsprostitution) oder große Stars (zum Beispiel Til Schweiger) setzt. In der vergangenen "Tatort"-Saison war das Quoten-Duell zwischen dem neuen NDR-Ermittler Schweiger und dem Klamauk-Krimi-Duo Axel Prahl und Jan Josef Liefers aus Münster ein großes Branchen-Thema. Beide Teams erreichten mit Filmen fast 13 Millionen Zuschauer. Beim "Polizeiruf" scheint man alles in allem bescheidener zu sein und sich eher mit dem Inhalt und dem Anspruch der eigentlichen Krimihandlung auseinanderzusetzen.

4. Interessantere Charaktere: Mit dem Ermittler Alexander Bukow (Charly Hübner) in den Rostocker "Polizeiruf"-Krimis gönnt der NDR der ARD einen außergewöhnlichen Hauptkommissar im Hauptabendprogramm. Hübner stellt neben der Profilerin Katrin König (gespielt von Anneke Kim Sarnau) eine geheimnisvolle Figur dar, die auch am Rande des Gesetzes ermittelt. Auf andere Weise interessant ist das Team in den RBB-Krimis in Potsdam und Umgebung: die Hauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und der dicke Revierpolizist Horst Krause (gespielt von Horst Krause). Die pragmatische Kleinkindmutter Lenski und der bedächtige Boulettenliebhaber Krause bearbeiten ihre Fälle, die oft im Kopf des Zuschauers nachhallen, mit viel Herz und Verstand.

6. Spannendere Fälle: Vor allem der Münchner "Polizeiruf" mit Matthias Brandt (51) - dem Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt - hat es Kritikern angetan. Seit 2011 waren fast alle fünf Fälle mit Kommissar Hanns von Meuffels für den renommierten Grimme-Preis nominiert oder wurden anderweitig ausgezeichnet.

Gregor Tholl