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Babys zu verleihen

RTL stellt sich Kritikern.

Köln (dpa) - Halb zwei mittags und die neun Monate alte Theresa hat noch immer nichts gegessen. Pflegevater Mario (18) ist völlig überfordert: "Das ist nicht genau wie im Knast, aber man kann's vergleichen", ist seine Bilanz. Ohje. Wenn der so weitermachen würde, wäre Theresa in ein paar Jahren wohl ein Fall für die "Super Nanny" bei RTL. Der Privatsender zeigte am Freitag in Köln vor Kinderschützern, Therapeuten und Entwicklungspsychologen erstmals eine Folge seiner umstrittenen Reihe "Erwachsen auf Probe", in der Eltern ihre Babys für einige Tage an Teenager ausleihen.

Zu Beginn der Präsentation bekannte RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger, die Welle der Kritik habe ihn "persönlich relativ betroffen gemacht". In 14 Jahren habe er so was nicht erlebt - dabei habe er sich doch "sehr, sehr stark eingearbeitet" in das Thema.

Viele junge Mädchen ohne Ausbildungs- und Berufsperspektive sähen die Mutterrolle als "Ersatzlebensmodell", erläutert Sänger. Die Folge: immer mehr Schwangerschaften bei minderjährigen Mädchen. Hier wolle RTL aufklären. Dieter-Bohlen-Biografin Katja Kessler ("Das Mami Buch"), die in der Reihe als eine Art Über-Nanny auftritt, erläutert im Presseheft: "Jeder Teenager, der nach der Sendung mit der Erkenntnis ins Bett geht: "Ich lass das noch mal mit der Fortpflanzung" ist ein Riesen-Sieg."

Während der Aufnahmen wurden die Jugendlichen mit den Babys ständig überwacht, betont RTL. Im Ernstfall konnten Erzieherinnen oder auch die richtigen Eltern eingreifen - und das geschah auch. "Die Kleine kann sich das Genick brechen so wie du das machst", erklärt ein Vater in der ersten Folge dem 17-jährigen Elvir und nimmt ihm die 14 Monate alte Zoé-Marie wieder ab. Die Eltern bekamen für das Verleihen der Kinder eine "Aufwandsentschädigung im unteren dreistelligen Bereich".

RTL legt Wert darauf, dass das Format von der britischen BBC entwickelt worden ist, der Mutter aller öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die Serie hieß dort "Baby Borrowers" (Baby-Borger) und wurde bereits in die USA und nach Belgien und Holland verkauft - in Holland war der Titel "Babys zu mieten".

Unabhängig von allen ethischen Fragen kann man der Sendung einen gewissen Unterhaltungswert kaum absprechen. Wenn Elvir (17) zunächst erklärt: "Richtig arbeiten ist sehr schwer. Leichter ist es, zuhause zu bleiben und auf Kinder aufzupassen" und dann am ersten Brei scheitert, ist das schon eine komische Szene, über die die RTL- Programm-Macher, aber auch viele Journalisten lachen konnten. Vertreter von Jugendämtern und Kinderschutzbund zeigten sich jedoch bestürzt: Dass die verständliche Überforderung von Teenagern der Lächerlichkeit preisgegeben werde, sei "zynisch und menschenverachtend". Dass gelacht werde, wenn sich ein Baby erschrecke, sei "schlimm".

In der anschließenden Diskussion gab es zunächst keine Annäherung zwischen beiden Seiten - im Gegenteil: Der Ton verschärfte sich. Ein Vertreter des Kölner Jugendamtes wollte sogar Namen und Anschriften der Eltern, die ihre Kinder ausgeliehen hatten. Sänger reagierte zwischenzeitlich verärgert, vor allem über die "persönlichen Angriffe". Am Ende dann aber doch ein Gesprächsangebot: Sänger sagt zu, dass RTL künftig in ähnlichen Fällen ausführlicher informieren und eher den Dialog etwa mit dem Kinderschutzbund suchen will.

[RTL]: Aachenerstr. 1044, Köln

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221816 Mai 09