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Abschied von Cenk Batu: Was für ein Verlust!

Mehmet Kurtulus stirbt den "Tatort"-Tod: Ein letztes Mal ist der verdeckte Ermittler Cenk Batu heute Abend für die ARD-Krimireihe im Einsatz. Was für ein Abgang, was für ein Verlust für die deutsche Fernsehlandschaft!

Hamburg - Man darf nicht vergessen - Kurtulus ist der erste Tatort-Kommissar mit Migrationshintergrund, der Menschen angesprochen hat, die davor den Tatort als zu piefig, zu deutsch betrachtet haben. Junge Deutsch-Türken, die sich montags auf dem Schulhof über den Krimi im Ersten unterhalten haben, gab es vor ihm nicht.

Hamburg, ein Kino in der City, Mitte vergangener Woche. Vorabscreening des letzten Kurtulus-Tatorts. Er ist da, gerade rechtzeitig eingeflogen aus seiner Wahlheimat USA.

Mehmet Kurtulus ist Hamburg, er verkörpert das junge, andere Hamburg, das szenige Hamburg, das Hamburg, das nicht nur aus Blankenese besteht. "Die Ballade von Cenk und Valerie", sie ist die Verabschiedung von einem der eindrucksvollsten, rätselhaftesten Tatort-Kommissare überhaupt.

Leicht waren seine Tatorte nie zu verstehen, auch heute Abend wird es wieder nicht einfach sein, den Film komplett zu begreifen.

 

Cenk Batu (Mehmet Kurtulus). Wie weit wird er gehen, um seine Freundin zu retten? Bild: NDR/Sandra Hoever

 

Dabei beginnt es schon bei der musikalischen Ummalung, die Unbehagen erzeugt. Rein elektronisch, kalt, die Melodien sind unwirklich, fast so wie die gesamte Story.

Heute nun stirbt nach dem berühmtesten Vorspann im deutschen Fernsehen Kurtulus als Cenk Batu in einem spektakulären Finale. "Die Ballade von Cenk und Valerie" ist sein sechster und letzter Film als verdeckter Ermittler in der Hansestadt.

Hintergrund: Nur wenige Einsätze für Cenk Batu

Mit sechs Episoden gehört Batu im ältesten "Tatort"-Revier zu den Ermittlern mit den wenigsten Einsätzen - weit hinter den beliebten Kommissaren Brockmöller und Stoever: Das Duo Charles Brauer und Manfred Krug brachte es zwischen 1986 und 2001 auf 38 Ausgaben. Krug, der bereits ab 1984 ermittelte, kann noch drei Folgen mehr vorweisen.

15 Fälle lösten danach Casstorff (Robert Atzorn) und Holicek (Tilo Prückner), bevor 2008 Batu antrat. Der erste "Tatort"-Ermittler überhaupt, Hauptkommissar Trimmel (Walter Richter), war von 1970 bis 1982 in elf Folgen zu sehen, in gerade mal drei dagegen Oberstleutnant Delius (Horst Bollmann) von 1979 bis 1985.

Auch Hannelore Elsner ermittelte 1997 in zwei Fällen, die jedoch im Rahmen ihrer ARD-Serie "Die Kommissarin" als Filme für den Hamburger "Tatort" ausgestrahlt wurden.

So hätte Schweiger schon damals zum Einsatz als "Tatort"-Kommissar kommen können, wäre er nicht kurz zuvor als Kriminalkommissar Nick Siegel aus der Elsner-Serie ausgestiegen. Nun fällt für den 48-Jährigen im September die erste Klappe in Hamburg.

Seine Fans stimmt der Komödienstar ("Kokowääh") bereits aufs Krimi-Fach ein, wenn im selben Monat sein Action-Thriller "Schutzengel" auf die Kinoleinwand kommt.

Ob mit Kinostar Schweiger, der einen Fall jährlich drehen will, den Hamburgern bessere Einschaltquoten als in der Kurtulus-Ära vergönnt sind? Seine Verpflichtung für die Rolle des Ermittlers hatte Skepsis und Kritik ausgelöst, doch die kommentierte Christian Granderath, Fernsehfilmchef beim zuständigen Norddeutschen Rundfunk (NDR), mit der Ankündigung: So mancher werde im nächsten Jahr überrascht sein. Man werde den Wagemut mit dem Format nicht verlieren. "Es gilt insgesamt: no risk, no fun!"

Kurtulus wollte sich keine Einschätzung zu seinem Nachfolger erlauben. "Ich bin sehr gespannt, welches Konzept sie sich erarbeiten werden, womit sie uns überraschen werden, in welchem Kontext er stehen wird", sagte der Schauspieler, der die Krimireihe "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" verlässt.

"Ja, es geht schon eine gewisse Zeit zu Ende", meinte Kurtulus und betonte: "Wir haben nur den Cenk Batu verabschiedet und werden uns sicherlich wiedersehen." Über seine eigenen Pläne wolle er nicht viel verraten, sagte der Lebensgefährte von Désirée Nosbusch.

 

Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) und Gloria (Anna Bederke). Bild: NDR

 

Sein letzter "Tatort"-Einsatz führt Batu hinter die Kulissen der Finanzwelt.

Er bekommt es mit der weltweit gesuchten Auftragskillerin Valerie (Corinna Harfouch) zu tun, die todkrank noch einen letzten Auftrag ausführen will: die Ermordung des neuen Bundeskanzlers (Kai Wiesinger).

Vor allem aber wird das packende Finale zur großen Liebesgeschichte zwischen Batu und Gloria (Anna Bederke) mit einem tragischen Ende - dem Tod des ersten türkischstämmigen "Tatort"-Ermittlers.

Und zum letzten Mal liefert das Batu-Team einen Krimi ab, der wieder einmal anders ist als die meisten in dieser Reihe.

Granderath betonte: "Wir haben das schon sehr bedauert, dass Mehmet hier aufhört." Die Quote sei nicht alles. Von der Kritik waren Kurtulus und seine Fälle oft hochgelobt und sein Abschied bedauert worden. Als etwa auf seiner letzten Pressekonferenz als Batu die "Beileidsbekundungen" überhandnahmen, betonte der 40-Jährige mit einem Fingerzeig auf den Bildschirm: "Er stirbt, nicht ich."

Hamburger Tatort wird sich ändern

Persönlich denke ich, dass es eine neue Herausforderung ist. Sowohl für den Produzenten, als auch für die Zuschauer. Nach nur sechs Hamburger Folgen muss man sich wieder auf einen neuen Tatort-Kommissar einrichten.

Et es wie et es wie der Kölner sagen würde.

Aber ist Til Schweiger wirklich besser? Nein, er ist anders, anders als Kurtulus es war. Kurtulus wurde nie von der Kritik verrissen, aber mit sieben Millionen Zuschauern blieb er zu oft hinter den Erwartungen zurück. Das mag verschiedene Gründe haben, der NDR hat es versäumt, Kommissar Cenk zu etablieren, der rote Faden fehlte.

Schweiger wird seine Rolle perfekt machen, da bin ich mir sicher. Seine Karriere jedenfalls hält einige gute Filme bereit. Sei es in Inglorious Bastards, oder in den Erfolgsproduktionen wie "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken", in denen er immer eine gute Rolle gemacht hat. Kommerziell wird er in einer anderen Liga spielen.

In Hamburg sagt man Tschüss, in diesem Sinne Tschüss Mehmet und Moin Moin Til.

Gerrit Rebenstorff (mit Material von dpa)

"Tatort: Die Ballade von Cenk und Valerie", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD