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Evangeliums-Rundfunk: Wo Frauen, die Frauen lieben, schlicht als Perverse gelten

Wer schwul oder lesbisch ist, sollte den Evangeliumsrundfunk aus Wetzlar nicht einschalten. Homosexualität bleibt für den Sender mit der großen Reichweite ein "todeswürdiges Übertreten" von Gottes Willen - und das seit 50 Jahren.

Wetzlar (dapd) - In der Reichweite übertrifft er heute manch renommierten Sender: Aus dem mittelhessischen Wetzlar verkündet der Evangeliums-Rundfunk (ERF) seit über 50 Jahren im deutschsprachigen Raum die christliche Nachricht. Als einer der ersten Privatsender in der Bundesrepublik ging er 1961 on air und hat sich mittelerweile zu einem Medienunternehmen entwickelt, das mit drei Radioprogrammen und einem TV-Kanal seine biblisch-evangelikale Botschaft ausstrahlt. "Täglich 120.000 Radiohörer", vermeldet ERF-Sprecher Michael vom Ende stolz.

Wenig Freude dürfte das Programm hingegen Homosexuellen und all denjenigen machen, die von Charles Darwins Evolutionstheorie überzeugt sind. Von beiden halten die Betreiber des Senders jedenfalls wenig. Der Evangeliums-Rundfunk bekennt sich zur evangelikal ausgerichteten Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), der auch Vereine wie Christival und ProChrist angehören und die von den meisten freikirchlichen Gemeinden in Deutschland mitgetragen wird. "Die Glaubensbasis der Allianz ist für unsere Arbeit die Grundlage", sagt vom Ende.

Ihre Programmvielfalt finanzieren die Wetzlarer Rundfunkmacher mit 230 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 14 Millionen Euro. "Dahinter stecken 40.000 Einzelspender, aber auch mal eine Gemeindekollekte", erläutert vom Ende. Zusätzlich zum eigentlichen Sendebetrieb hält der Evangeliuums-Rundfunk ein breites Internetangebot mit Livestreams und Downloadpredigten vor, das monatlich 1,2 Millionen Besucher zählt. Der Fernsehkanal ERF1 ist per Satellit und Kabel zu empfangen, die drei Radiosender (Plus, Pop, Crosschannel) teilweise auch über DAB+. "Wir wollen der Sender für ein ganzes Leben sein", sagt vom Ende. Mit Reportagen, Experten- und Diskussionsrunden, bei denen sich Hörer einwählen, kommt der ERF seinem Auftrag nach. In einer Auflage von 120.000 Exemplaren bringt der Sender außerdem das Magazin "Antenne" heraus.

Dass die DEA die alttestamentarische Schöpfungsgeschichte wörtlich verstanden wissen will und die moderne Biologie von der Evolution des Menschen und allen Lebens als "zweifelhafte Wissenschaft" betrachtet, stellt der Sprecher nicht in Abrede. Vom Ende ist auch bekannt, dass die Allianz mit Verweis auf Bibelstellen jede Akzeptanz homosexueller Lebensweisen ablehnt. "Aber diese Themen beschäftigen uns in Wetzlar nicht in erster Linie", versichert vom Ende. Auf dem Kirchentag 2011 in Dresden entschuldigte sich der damalige DEA-Vorsitzende Jürgen Werth für "schlimme Erfahrungen, die Homosexuelle mit einzelnen Evangelikalen gemacht haben".

Homosexualität "todeswürdiges Übertreten" von Gottes Willen

Werth leitet seit 1994 den Evangeliums-Rundfunk. Den Vorsitz bei der Evangelischen Allianz gab er 2011 ab. Trotz seiner Entschuldigung hatte Werth noch in Dresden klargestellt, dass er in schwulen und lesbischen Lebensweisen einen Widerspruch zum Schöpfungsgedanken Gottes sieht. Eine Sichtweise, für die auch der Sender steht. Nachzulesen ist das nicht nur in den auf der Homepage des ERF zum Herunterladen der hinterlegten Predigten. Auch in einer Bibellesehilfe heißt es dort, Homosexuelle seien "perverse Menschen". In einem für ERF-Besucher ausgelegten Ratgeber wird Homosexualität als "todeswürdiges Übertreten" von Gottes Willen beschrieben.

Das Angebot an Beiträgen, die auf den ERF-Webseiten die Evolution infrage stellen, ist ebenso groß. "Kampf um den Anfang" ist eine Predigt überschrieben, in einer anderen heißt es, Gott allein habe das Tier- und Menschenreich kreiert. "Es gibt ja Menschen, die meinen allen Ernstes, dass sich diese Welt zufällig selbst geschaffen und entwickelt hat", fährt der Prediger fort. ERF-Sprecher vom Ende möchte sich weniger konfrontativ positionieren.

"Der Sender will kein Polarisationspunkt sein, sondern Brücken bauen", sagt der Theologe. Die immer wieder eindeutige Sprache des Evangeliumsrundfunks erklärt vom Ende so: "Wir stehen für Bibelnähe."

Stefan Höhle