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Newsroom

Wie und warum Anzeigenblätter auch heute noch funktionieren - das Beispiel "Berliner Morgenpost Wochenend-Extra"

Einen Aufschrei bei vielen Anzeigenblattmachern hat die NEWSROOM-Berichterstattung zur Situation beim Traditionstitel "Blitz-Tip" ausgelöst. Dort sollen alle Mitarbeiter entlassen werden. Eine Entscheidung, die viele, auch außerhalb Frankfurts nicht verstehen können.

Frankfurt - Wie schlecht "steht es um die Gesellschafter, dass sie solch eine unfassbare Maßnahme treffen müssen?", fragt ein Anzeigenblattverleger aus dem Norddeutschen - wohlwissend, dass er die Antwort nicht so einfach kriegen wird.

Hinter dem Debakel beim "Blitz-Tip", bei dem 53 Frauen und Männer stehen müssen, stehen die Gesellschafter, das Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main, die Verlagsgruppe Madsack und die Verlagsgruppe Rhein-Main. Über deren Handeln wird in den anderen Verlagen heiß diskutiert.

Ja, es gebe Verlage, denen es schlecht gehe, das seien aber die Verlage, die sich nicht um ordentliche Redaktion kümmerten, das Blatt lediglich schnell zukleisterten, heißt es aus der Anzeigenblattszene, die wesentlich vielfältiger ist als bei den Herausgebern der Tageszeitungen.

Fragen wir mal nach beim Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter, Jörg Eggers ist ihr Geschäftsführer.

Herr Eggers, wie sieht die wirtschaftliche Situation bei den deutschen Anzeigenblättern aus?

Jörg Eggers: "Die Situation ist erfreulich, wir haben weiterhin überwiegend stabile Umsätze, wobei abhängig von der Wettbewerbssituation regional zum Teil unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten sind. Insgesamt haben sublokale seriöse Werbeformen Zukunft! Immer mehr Anzeigenblätter bieten darüber hinaus neue crossmediale Werbeformen und haben im Zustellbereich selektive Formen weiterentwickelt."

Das Rhein-Main-Gebiet scheint das besonders heftig umkämpfte Anzeigenblattgebiet in Deutschland zu sein. Woher kommt das?

Jörg Eggers: "Besonders Ballungsräume bieten ein hohes Umsatzpotential. Das ist nicht nur im Rhein-Main-Gebiet so. Schauen Sie sich Berlin oder München an, wo mehrere Verlage in Regionen mit einer hohen Medienvielfalt am Markt konkurrieren."

Die Situation in Frankfurt will Eggers im NEWSROOM-Gespräch indes nicht beurteilen, "einzelne strategische Neuausrichtungen unserer Mitglieder wollen und können wir nicht bewerten. Dafür fehlt uns der spezifische lokale Einblick in Markt und Unternehmen".

Wie wichtig heute die Präsenz von Anzeigenzeitungen in allen Haushalten auch für die Tageszeitung ist, beweist der Weg, den der Axel Springer Verlag in Berlin seit Jahren geht.

"Berliner Morgenpost Wochenend-Extra" heißt das Blatt, das seit 2008 jeden Samstag erscheint als klassisches "Beiboot" erscheint. Und für ordentlich Umsatz in der Kasse sorgt. Christoph Rüth, Verlagsgeschäftsführer WELT-Gruppe, Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt, bewertet den Titel als großen Erfolg für sein Haus. Zahlen will er aber leider auch auf Nachfrage nicht nennen.

Zu NEWSROOM sagt er über das Sonderprodukt aus seinem Haus: "Von unseren Lesern und Anzeigenkunden haben wir bisher sehr positive Reaktionen erhalten. Das Berliner Morgenpost Wochenend-Extra bietet ein „Best Of“ der Wochenthemen aus dem Lokalteil der Berliner Morgenpost sowie Nutzwertthemen aus den Bezirken, wie etwa Kiezvergleiche, Terminseiten mit Veranstaltungs- und Wochenendtipps oder ein Fernsehprogramm für das Wochenende. Es ist damit weitaus stärker redaktionell geprägt als die klassischen Wochenblätter. Wir haben eine neue Produktkategorie geschaffen, die Lesern einen hohen Nutzwert für das Wochenende bietet."

Christoph Rüth gerät im Gespräch mit NEWSROOM ins Schwärmen: "Anzeigenkunden schätzen die hohe Reichweite, breite Leserschaft und den Absender. Besonders attraktiv ist die hohe Flexibilität des Formats. Unsere Kunden können individuell entscheiden, ob sie ihre Werbebotschaft über ganz Berlin kommunizieren oder gezielt regional in 12 möglichen Teilausgaben platzieren möchten. Wir sind sehr zufrieden mit der hervorragenden Entwicklung des Berliner Morgenpost Wochenend-Extras, das dank seines Erfolgs eine strategisch wichtige Rolle in der Markenfamilie Berliner Morgenpost eingenommen hat. Diese Position wollen wir stärken und künftig noch weiter ausbauen."

Anzeigenblätter haben Zukunft. Der Redaktion, dem Team muss aber auch die Chance gegeben werden, das Blatt zu entwickeln, nach vorne zu bringen, zum Erfolg zu führen.

Die Entlassung der gesamten Mannschaft ist die denkbar schlechteste Lösung, um ein Schiff vorm Kentern zu retten.

Bülend Ürük