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Stühlerücken in den Verlagen - Hessens Zeitungsmarkt in Bewegung

Im Fußball würde man es ein "Transferfenster" nennen: Innerhalb weniger Wochen haben sich Verlagshäuser in Hessen zurückgezogen oder neu in Stellung gebracht. Medienexperten warnen vor Nachteilen für die Journalisten - sehen aber auch kaum Alternativen. Von Martin Oversohl und Jürgen Baier.

Darmstadt (dpa) - Den Raum kannten die Mitarbeiter der "Echo"-Mediengruppe bereits. Vor einem knappen halben Jahr wurden ihnen hier die blanken Zahlen zum Sanierungsplan präsentiert. Jetzt bekamen sie zu hören, wie der neue Eigentümer der Zeitungen rund um das "Darmstädter Echo" heißt. Die Mainzer Verlagsgruppe Rhein Main, bislang bereits Eigentümer eines halben Dutzend Tageszeitungen in der Region, wird neue Alleininhaberin des angeschlagenen Darmstädter Verlagshauses. Deutlich früher und deutlich umfassender als erwartet ziehen die Südhessen damit weitere Konsequenzen aus den stark sinkenden Auflagen und Einnahmen.

Mit der Übernahme setzt die VRM ihren Wachstumskurs fort: Die Mainzer, die sich bereits seit 2010 gemeinsam mit der "Echo"-Gruppe ein Druckzentrum in Rüsselsheim teilen, hatten im vergangenen Jahr bereits vollständig den Verlag des "Gießener Anzeigers" übernommen. Auch ihre publizistischen Flaggschiffe, die "Allgemeine Zeitung" (AZ/Mainz) und der "Wiesbadener Kurier", erscheinen unter dem Dach der Verlagsgruppe. An Werktagen verkaufte die VRM mit ihren rund 200 redaktionellen Mitarbeitern nach eigenen Angaben bisher etwa 216 000 Zeitungsexemplare samt E-Paper.

Der jüngste Darmstädter Deal ist Teil eines Stühlerückens, das in den vergangenen Wochen den hessischen Zeitungsmarkt mächtig durcheinandergewirbelt hat. Die VRM hat sich damit in Südhessen als wichtigster Player etabliert, während in Nordhessen neben der Gruppe des Münchner Verlegers Dirk Ippen auch die MBG Medien Beteiligungsgesellschaft (Bad Hersfeld) expandiert: Die MBG, deren Geschäfte von Ippens Neffen Daniel Schöningh geführt werden, hatte zuletzt mit dem Kauf der "Waldeckischen Landeszeitung" und der "Frankenberger Zeitung" für Schlagzeilen gesorgt. Schöningh führt auch die Geschäfte bei der "Offenbach Post", die künftig weite Teile des "Hanauer Anzeigers" produzieren soll. "OP"-Herausgeber: Dirk Ippen.

Das Karussell hatte die Mediengruppe Madsack ("Hannoversche Allgemeine Zeitung", "Leipziger Volkszeitung") in Bewegung gesetzt. Sie hatte beschlossen, sich aus Hessen zurückzuziehen, und ihre Anteile an der "Oberhessischen Presse" (Marburg) ebenso verkauft wie die Beteiligungen in Korbach und Frankenberg.

Die Gewerkschaft Verdi macht sich Sorgen: "Der Markt wird aufgeteilt", sagt Verdi-Medienexperte Manfred Moos. Das könne unter anderem bedeuten, dass Verlage sich absprechen und Redaktionen aufgeben. So könne der VRM-Kauf zum Beispiel die Region Rüsselsheim treffen, wo das "Rüsselsheimer Echo" ebenso herausgegeben wird wie die "Main-Spitze" der Verlagsgruppe Rhein Main.

Das Risiko sieht auch der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert: "Für Arbeitnehmer könnte die Konkurrenzarmut einen Wettbewerbsnachteil haben: Ein größerer Verlag könnte Redaktionen zusammenlegen oder die Vertragskonditionen bestimmen." Er sieht allerdings für Verlage kaum andere Möglichkeiten als den Trend zum Wachstum: "So können Verlagshäuser ein marktwirtschaftliches und publizistisches Monopol bilden, Mantelteile anders bespielen oder Exemplare gemeinsam drucken", sagt er. "Für viele Verlagshäuser ist ein Zusammenlegen die einzige Lösung."

Martin Oversohl, Jürgen Baier