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Regional ist keine Erfolgsgarantie - Aus für "Mainzer Rhein-Zeitung"

Innovativ war sie stets, Regionales lieferte sie auf der Titelseite. Eigentlich ist das derzeit der Trend auf dem Zeitungsmarkt. Warum funktionierte es dann in Mainz nicht?

Mainz/Koblenz (dpa) - Vom Aus für ihr Blatt erfuhren die Leser der "Mainzer Rhein-Zeitung" pikanterweise über das Internet. "Die Mainzer Rhein-Zeitung wird zur Jahreswende eingestellt", twitterte der Chefredakteur der "Rhein-Zeitung", Christian Lindner, noch bevor die gedruckte Freitagsausgabe über die Entscheidung informierte. Und Lindner lieferte die Erklärung gleich mit: "Beliebt, aber nicht rentabel", tippte er in die Tastatur (http://dpaq.de/oeEij).

Überraschend kommt das Scheitern zumindest aus wirtschaftlicher Sicht nicht: In den rund 26 Jahren ihres Bestehens schrieb die Mainzer Lokalausgabe der "Rhein-Zeitung" (Koblenz) kein einziges Mal schwarze Zahlen. Das Aus zeigt aber auch, dass das viel propagierte Erfolgsrezept der regionalen Berichterstattung kein Selbstläufer ist.

Denn im Konkurrenzkampf gegen den Mainzer Platzhirschen, die "Allgemeine Zeitung" (AZ), hat sich die "Mainzer Rhein-Zeitung" (MRZ) erfolglos auf diesem Sonderweg platziert. Die Zeitung gilt als innovativ. Anders als bei vielen anderen Tageszeitungen setzten die Mainzer zudem früh auf lokale Themen und druckten sie auf der Titelseite. In den vergangenen 15 Monaten stiegen sogar die Abonnentenzahlen, wenngleich nur leicht. "Die Erlöse und die Kosten haben sich schlicht und einfach nicht gedeckt", sagt der "Rhein-Zeitung"-Marketingleiter Oliver Moll. Die Zahl der Abonnenten sei halb so hoch wie nach dem Start vor mehr als 25 Jahren.

Investieren will der Mittelrhein-Verlag nun wieder stärker in das Flaggschiff des Verlags, die "Rhein-Zeitung", eines der größeren Regionalblätter Deutschlands mit mehr als einem Dutzend Lokalausgaben. Das Ziel: Neben dem Printgeschäft soll das digitale Angebot ausgebaut werden, außerdem will die "Rhein-Zeitung" ein Redaktionssystem entwickeln und Apps finanzieren.

Innovativ, mutig, regional - und dennoch ein wirtschaftlicher Misserfolg? Eigenschaften wie diese reichten bei einer Zeitung nicht aus, sagt der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert. Die "Mainzer Rhein-Zeitung" sei nicht lokal verankert, die Marke spiele im Schatten der "AZ" in Mainz keine größere Rolle und habe Schwierigkeiten gehabt, im Anzeigengeschäft Fuß zu fassen. "Regional reicht nicht. Es ist eben wahnsinnig schwierig, heute noch einen Zeitungsableger wie die MRZ zu etablieren", sagt Weichert. Zeitungsgründungen seien nur erfolgreich, wenn sie eine Nische abdeckten und sich auf einen Themenbereich konzentrierten.

Der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper stößt in dasselbe Horn: "Sich als Verlag aufzumachen in ein neues Verbreitungsgebiet ist mutig, erst recht in einem Konkurrenzgebiet." Zeitungsleser seien konservativ, während man bei Zeitschriften häufiger zu einem neuen Produkt greife. Röper ist überzeugt: "Wir werden in Deutschland keine Zeitungsgründungen mehr erleben."

Ein alternatives Modell hat nach Angaben Weicherts in den USA Erfolg: Es sei möglich, sich als Verlag online zu positionieren und nicht an sechs, sondern nur an zwei oder drei Tagen in der Woche in einer gedruckten Ausgabe zu erscheinen, sagt er. Während das in Deutschland nach seinem Wissen bislang noch nicht ausprobiert worden sei, gebe es in den USA zum Beispiel bei den "Ann Arbor News" (http://dpaq.de/Y61Yc) gute Varianten der "Frequenzverknappung".

Auch Chefredakteur Lindner hat den Blick bereits wieder nach vorne gerichtet: "Unbedingt lesen", twitterte er am frühen Freitagmorgen und bot einen Link an zu "Acht Thesen von @ploechinger zu Gegenwart und Zukunft des Journalismus" (http://dpaq.de/oIbnA).

Martin Oversohl