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Pressekonzentration: "Haller Tagblatt" darf mit "Südwest Presse" fusionieren - Verleger Detjen: "Habe Rechtsstreit für mich geführt"

Weil zwischen der "Südwest Presse" und dem "Haller Tagblatt" kein Wettbewerb herrscht, darf die Neue Pressegesellschaft Ulm die Lokalzeitung aus Schwäbisch-Hall übernehmen. Eine gute Entscheidung, findet Claus Detjen, Verleger vom "Haller Tagblatt". Die drei Zeitungen im Landkreis Schwäbisch-Hall sollen nun noch enger zusammenarbeiten, Entlassungen sind nicht geplant. "Wir wollen uns gegenseitig stärken", sagt Detjen im Exklusiv-Interview mit NEWSROOM. Scharfe Kritik an dem BGH-Beschluss üben der Deutsche Journalisten-Verband und verdi, Applaus gibt es dagegen vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger.

Schwäbisch-Hall - Detjen hat die vergangenen Jahre für sein Recht gekämpft, sein "Haller Tagblatt" mit der "SWP" "zusammenzuschweißen, um damit auch die Zukunft des "Haller Tagblatts" zu sichern." Detjen, 76 Jahre alt, hat zwar einen Sohn, der als Journalist arbeitet. Doch Stephan Detjen, ehemaliger Chefredakteur des "Deutschlandfunks" und jetzt Chefkorrespondent der Hauptstadtstudios des "Deutschlandradios" in Berlin und Brüssel, konnte sich eine Karriere im und für den Lokaljournalismus nicht vorstellen.

Claus Detjen glaubt an die Zukunft der Lokalzeitung, sagt aber im NEWSROOM-Gespräch, dass Zeitungen sich "nicht gegenseitig das Leben erschweren, sondern sich gegenseitig stützen" sollten. "Man muss sich die Frage stellen, wie viele Zeitungen überleben, welche Zeitungen den Leser- und Anzeigenmärkten gerecht werden können", erklärt Detjen.

Sein Verlag werde mit der Neuen Pressegesellschaft Ulm fusionieren, "daraus habe ich nie einen Hehl gemacht". Mit den beiden SWP-Blättern im Landkreis Schwäbisch-Hall - dem "Hohenloher Tagblatt" (Auflage: 14.136 verkaufte Exemplare) und "Gaildorfer Rundschau" (Auflage: 4.572) - soll es eine noch intensivere Zusammenarbeit geben. Ein Anzeigenverbund ist bereits vorhanden, in Schwäbisch-Hall produzierte Seiten wie die Landkreisseite oder eine tägliche Seite Schwäbisch-Hall erscheinen in den Partnerzeitungen.

Detjen will aber nichts überstürzen, "man muss sich die Zeit nehmen, um die Dinge ordentlich und korrekt zu tun. Man muss die Zeit nutzen, um die Vorteile der engeren Verzahnung möglichst eng zusammenzufassen."

Ein Feld, in dem die drei Lokalzeitungen zusammenrücken könnten, sei der Online-Bereich: "Keine Zeitung hat einen richtigen und richtungsweisenden Online-Weg gefunden, es gibt noch kein Geschäftsmodell. Das ist ein ganz wesentliches Feld, in dem man in einer größeren Einheit arbeiten muss."

Im Gespräch mit NEWSROOM erklärt Claus Detjen aber auch: "Ich habe den Rechtsstreit für mich geführt, nicht für andere. Die ganze Frage des Kartellrechts erfordert noch eine lange Diskussion."

Detjen streitet sich schon lange mit dem Bundeskartellamt um den Verkauf. Das hatte im April 2009 entschieden, dass die "Südwest Presse" das "Haller Tagblatt" (Auflage: 17.086) nicht übernehmen durfte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte den Beschluss des Bundeskartellamts im Sommer 2010 aufgehoben. Das Kartellamt zog dann vor den Bundesgerichtshof.

Die Verhandlung fand bereits am 19. Juni statt, der Beschluss des Gerichts wurde einen Tag später rechtskräftig verkündet. Der Streitwert betrug zwei Millionen Euro; eine Begründung des Bundesgerichtshofs liegt noch nicht vor.

Verleger Detjen, lange Zeit Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, kritisiert das Bundeskartellamt mit offenem Visier. "Das Kartellamt betrachtet die Märkte, als ob es immer noch nur Zeitungen gibt. Dabei haben sich die Märkte geändert, Immobilien-, Automobil- und Stellenanzeigen sind in die Onlinemärkte abgewandert, das Internet wird die Märkte weiter verändern", vermutet Detjen.

Claus Detjen glaubt an die Zukunft der Lokalzeitung, wenn sie jeden Tag für die "Leser, die Gesellschaft, den Markt, dass man jeden Tag alles bringt, was für sie wichtig ist, damit sie informiert sind, was für ihr persönliches Leben wichtig ist, und zwar unvoreingenommen. Wir müssen als Zeitung der Gesellschaft dienen. Wir sind dafür da, unseren Lesern das Leben transparent zu machen, und zwar auch in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld."

Zeitungsverlage mit einem Konstrukt wie der "Südwest Presse" (Gesamtauflage: 302.449 Exemplare) hätten gute Chancen - "es beruht auf Dezentralisierung mit vielen Ausgaben, mit lokalen Füßen."

"Ich will, dass die Leserinnen und Leser uns als ein Stück ihrer Heimat sehen. Da müssen wir ständig daran arbeiten, da sind wir noch nicht am Ziel. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Wir sind die Verbindung zwischen Heimat und der Welt, deswegen brauchen wir auch einen guten Mantel", macht Claus Detjen im NEWSROOM-Gespräch deutlich.

Reaktionen auf den BGH-Beschluss

"Wir sind überzeugt, dass sich durch die BGH-Entscheidung die Zeitungslandschaft in der Region nicht verändern wird", sagt Tilmann Distelbarth, Geschäftsführer der "Heilbronner Stimme", zu NEWSROOM. In der Vergangenheit habe sein Haus ein sehr "kollegiales Nachbarschaftsverhältnis mit Herrn Detjen gepflegt. Und wir können davon ausgehen, dass unsere bisherige gute Zusammenarbeit mit den Titeln der "Südwest Presse" in der Region künftig auch für das "Haller Tagblatt" fortgesetzt werden kann", so Distelbarth, der gemeinsam mit Thomas Brackvogel, dem Geschäftsführer der "Südwest Presse" Ulm, im Vorstand des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger sitzt.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger begrüßt den BGH-Beschluss: „Es ist zu begrüßen, dass der BGH bezogen auf das Zusammenschlussvorhaben zwischen der Neuen Pressegesellschaft und dem Zeitungsverlag Schwäbisch Hall die Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt hat, in der der Untersagungsbeschluss des Kartellamtes aufgehoben wurde. Durch diese Entscheidung ist der langfristige Fortbestand des „Haller Tagblatt“ im Verbund der „Südwest Presse“ gesichert und die Pressevielfalt gestärkt worden", sagt ein Sprecher.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert den BGH-Beschluss dagegen scharf: "Das Urteil schadet der Medienvielfalt in Deutschland. Auch wenn die Gründe des Bundesgerichtshofs noch nicht bekannt sind, steht fest: Die Entscheidung ist ein Freibrief für die Übernahmen kleiner Verlage durch die großen Flaggschiffe", erklärt DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner auf NEWSROOM-Anfrage.

Auch Frank Werneke, stellvertretender verdi-Vorsitzender und Leiter des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie, findet harsche Worte für den Beschluss: "Die Entscheidung des BGH ist im Sinne einer vielfältigen Presselandschaft nicht nachvollziehbar. Denn sie erleichtert die Fusion von Nachbarschaftsverlagen und befördert damit die ohnehin schon stattfindenden Konzentrationsprozesse im Pressebereich. Publizistische Vielfalt geht somit weiter verloren. Nachdem bereits die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf zur Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Verlegern Pressefusionen erleichtern will, schafft nun auch noch der BGH einen Präzedenzfall, der den Verlegern zugute kommt."

Bülend Ürük

NEWSROOM-Tipp: Wie das Bundeskartellamt sein Nein gegen eine Fusion von SWP und "Haller Tagblatt" 2009 begründete