Print
Newsroom

Nach Kritik an "Agenda-Konferenz": Berliner „Tagesspiegel“ setzt auf Transparenz

Die Kritik an ihrer Konferenz hat die Verlagsleitung vom Berliner „Tagesspiegel“ mit voller Wucht getroffen. Erste Konsequenzen sind im Blatt sichtbar. Von Bülend Ürük.

 

Berlin - Als direkte Folge der Kritik an dem „Tagesspiegel“-Umgang im Rahmen der ersten Agenda-Konferenz werden grundsätzlich alle Anzeigen in der Tageszeitung mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet.

NEWSROOM gehörte zu den ersten Kritikern der „Agenda“-Tagung (siehe dazu: Die merkwürdige Agenda vom „Tagesspiegel“). Schon kurz nach der Kritik hatte „Tagesspiegel“-Geschäftsführer Florian Kranefuß persönlich reagiert.

Kranefuß sagte im Dezember: „Die zentrale Frage ist aus unserer Sicht, wie die Veranstaltungen von Medien und der Umgang mit Sponsoren generell gehandhabt werden sollen.“ Und er bat offiziell die NGO Lobbycontrol um Unterstützung bei der Umsetzung von Standards.

Im NEWSROOM-Schwesterblatt „Medium Magazin“ hatte „Tagesspiegel“-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff die "Agenda-Konferenz" verteidigt, sie als „Verlagskonzept“ bezeichnet, „das journalistisch relevant und politisch hochinteressant ist für alle Politik-Entscheider“. Und Casdorff hatte versprochen: „„Wir sind für Transparenz, Offenheit, Neugierde, sind lernwillig, alle miteinander.“

Wie „Tagesspiegel“-Sprecherin Sandra Friedrich nun gegenüber NEWSROOM bestätigte, hat es Ende Januar ein Treffen mit Lobbycontrol gegeben. Friedrich betonte erneut, dass der „Tagesspiegel“ sich bei seiner Veranstaltung an die Grundsätze des Presserates gehalten habe: „Wir weisen deswegen die Kritik, wir hätten uns nicht korrekt verhalten, zurück. Im Gegenteil, unser Verlag geht mit der Kenntlichmachung von Sponsorings über die Praxis anderer Verlage hinaus“, sagt Sandra Friedrich.

Bei der Kenntlichmachung von Anzeigen folgt der „Tagesspiegel“ jetzt aber nicht mehr den Vorgaben des Presserates, sondern geht auf die Vorschläge von Lobbycontrol ein.

So sagt der Presserat, dass eine Anzeige durch Gestaltung und bzw. oder das Wort „Anzeige“ vom redaktionellen Teil abgegrenzt wird. Für Lobbycontrol ist das aber nicht ausreichend.

„Ein Blick in eine beliebige Zeitung oder Zeitschrift zeigt, dass nahezu alle Verlage der Auffassung sind, dass aufgrund der Gestaltung das Wort Anzeige entfallen kann. Aus unserer Sicht spricht nun nichts dagegen Eindeutiges noch eindeutiger zu machen“, verdeutlicht Sandra Friedrich gegenüber NEWSROOM.

Daher erscheint nun schon seit Tagen im „Tagesspiegel“ über jede Anzeige auch das Wort „Anzeige“ - und das soll so bleiben.

Eine finale Entscheidung, wie der Verlag mit der weiteren Kritik an der „Agenda“ umgeht, ist allerdings noch nicht gefallen. Dazu sollen noch weitere Gespräche geführt werden.

Hintergrund: Der Tagesspiegel

„Der Tagesspiegel“ erschien das erste Mal am 27. September 1947. Das Blatt gehört mehrheitlich zum Medien-Konglomerat von Dieter von Holtzbrinck („Handelsblatt“, „Die Zeit“, „Meedia“, „Wirtschaftswoche“); seit Anfang 2014 hält der gebürtige Niedersachse Sebastian Turner 20 Prozent am „Tagesspiegel“, den er auch gemeinsam mit „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo herausgibt. „Der Tagesspiegel“ erscheint mit einer verkauften Auflage von 110.057 Exemplaren (IVW 4/2014), die Chefredaktion bilden Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt; Anfang 2015 wurde der frühere „Abendzeitung-München“-Chefredakteur Arno Makowsky zum stellvertretenden Chefredakteur berufen. Berlin gilt als einer der schwierigsten Zeitungsmärkte in Deutschland überhaupt, größte „Tagesspiegel“-Konkurrenten auf dem Markt der Abonnementzeitungen sind „Berliner Morgenpost“ (Funke Mediengruppe, Essen) und „Berliner Zeitung“ (DuMont Schauberg, Köln).

Bülend Ürük