Pressefreiheit
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Die Nachfahren des Rebellen - Vor 175 Jahren rief Johann Georg August Wirth zum Hambacher Fest auf

Es ging um die schwierige Zeit in den Jahren nach 1830, es ging um Verfolgung, um Gefängnis, um großes Leid. Aber es ging auch um Deutschlands Einheit, um seine Freiheit von Fürsten und Kleinstaaterei, es ging um Pressefreiheit und politische Ideale.

Neustadt/Karlsruhe (ddp-rps). Als Christof Müller-Wirth noch ein Kind war, berichtete der Großvater manchmal von seinem Großvater. Es ging um die schwierige Zeit in den Jahren nach 1830, es ging um Verfolgung, um Gefängnis, um großes Leid. Aber es ging auch um Deutschlands Einheit, um seine Freiheit von Fürsten und Kleinstaaterei, es ging um Pressefreiheit und politische Ideale. Und es ging um einen der wichtigsten Verfechter dieser Ideen, um Johann Georg August Wirth. Zusammen mit Philipp Jakob Siebenpfeiffer gilt der Journalist und Verleger als Initiator des Hambacher Festes und damit als einer der Urväter des Aufbruchs zur Demokratie in Deutschland. Seine Nachfahren halten nicht nur die Ideale hoch: Als Journalisten und Verleger tragen sie die Familientradition selbst weiter.

«Ich war damals acht oder zehn Jahre alt, ich konnte mir das alles nicht so ganz vorstellen», berichtet Müller-Wirth heute schmunzelnd. Der 76-Jährige ist der Ur-Urenkel des berühmten Johann Wirth, die Geschichten von seinem Vorfahren begleiteten ihn durch seine Kindheit. Wirklich verstanden habe er ihre Bedeutung aber erst 1957, berichtet Müller-Wirth: Zur 125-Jahr-Feier des Hambacher Festes war der Nachfahre das erste Mal auf dem Hambacher Schloss. In der alten Ruine sprach der SPD-Politiker Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes, und er erinnerte an die Wurzeln der Demokratie in Hambach. «Da ist mir die Dimension des Vormärzes aufgegangen», sagt Müller-Wirth.

Die Zeit vor der Märzrevolution von 1848 und dem ersten frei gewählten Paulskirchen-Parlament gilt heute als Aufbruch zur Demokratie, dessen Wiege in Hambach steht. Auf dem dortigen Schloss trafen sich am 27. Mai 1832 rund 30 000 Menschen. Es waren Burschenschafter, ehrbare Bürger, Handwerker, Rechtsanwälte und auch Frauen, der größte Demonstrationszug, den das Land je gesehen hatte. Geeint und motiviert wurden sie durch ein Ziel: ein geeintes deutsches Vaterland in einer freien Republik. Dass dieses Fest in der Pfalz stattfand, war indes kein Zufall: In den linksrheinischen Gebieten hatten die französischen Ideale von Freiheit und Gleichheit dank Napoleon besonders gut Wurzeln schlagen können.

Als die Pfalz nach dem Wiener Kongress 1818 an Bayern fiel, behielt das Gebiet dennoch mehr freiheitliche Rechte. Liberale Zeitschriften blühten, das zog Ende des Jahres 1831 auch den Journalisten und Verleger Johann Georg August Wirth an. Der Rechtsanwalt hatte in München unermüdlich gegen Zensur und für Reformen gekämpft, schließlich floh er vor den Repressionen der Behörden an den Rhein, wo er neue Unterstützer für seine Zeitschrift «Deutsche Tribüne» suchte. Er fand sie unter anderem in Siebenpfeiffer, zusammen wurden sie zu den führenden Köpfen der liberalen Bewegung und schließlich zu den Helden des Hambacher Festes.

Die Folgen waren indes verheerend: Wirth wurde inhaftiert und musste nach Frankreich und die Schweiz ins Exil. 1848 wurde der gefeierte Rebell Mitglied des Paulskirchenparlaments, doch nur wenige Wochen später starb er an einem Lungenleiden. Seine Söhne setzten das Erbe fort: Sohn Max begründete eine Frankfurter Zeitung des Vormärz, Sohn Franz Ulpian war zusammen mit Bertha von Suttner ein Mitbegründer der Deutschen Friedensbewegung. Von ihm stammt Müller-Wirth ab, seine Mutter heiratete den renommierten badischen Verleger Müller. Müller-Wirth leitete bis 1995 den C.F.Müller-Verlag, sein Sohn Moritz ist geschäftsführender Redakteur der «Zeit» in Hamburg.

Der 76-jährige Senior gibt heute das Erbe an die nächste Generation weiter, unter anderem in der Rastatter Gedenkstätte für Freiheitsbewegungen. «Es ist eine Verpflichtung einem selbst gegenüber», sagt er. Und so wird Müller-Wirth am 26. Mai, 175 Jahre nach dem Fest, erneut aufs Hambacher Schloss kommen. Mit dabei wird seine achtjährige Enkelin sein: «Sie erlebt das dann zum ersten Mal», fügt Müller-Wirth hinzu.