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PR Report

„KI führt hoffentlich zu einer Sinnkrise der PR“

„KI führt hoffentlich zu einer Sinnkrise der PR“ Jan Hiesserich (Foto: Privat)

Chat GPT sollte ein Weckruf für die Branche sein, mahnt Jan Hiesserich, Europa-Strategiechef der Technologiefirma Palantir.

„Von Artificial zu Augmented Intelligence“ – so heißt das Buch, das Jan Hiesserich mit Palantir-CEO Alex Karp und der Head of Privacy and Public Policy Paula Cipierre geschrieben hat. Erschienen ist es im März 2023. Die zentrale These lautet: Intelligent ist nicht die Maschine, sondern letztlich nur der Mensch.
 
Im aktuellen PR Report spricht Hiesserich über KI und die Auswirkungen auf die Kommunikationsbranche. Ein Auszug.
 
Im Interview mit der „Welt“ haben Sie gesagt, generative KI verhalte sich zum Künstler „wie Donald Duck zur Stockente“ und dennoch würden wir glauben, sie könne Künstler überflüssig machen. Vielleicht kann KI Künstlerinnen und Künstler nicht überflüssig machen, aber PR- und Kommunikationsprofis, zumindest teilweise?
Hiesserich: Chat GPT hat uns den Spiegel vorgehalten und eindrucksvoll gezeigt, wie algorithmisierbar – und somit auch gefällig und banal – dann doch vieles von dem ist, was wir täglich produzieren. Was uns daran besonders fasziniert, ist die Fähigkeit von LLMs, kohärent und plausibel zu schreiben. Was sagt das über uns aus? Wenn der Computer vermeintlich besser und flüssiger schreibt als wir, sollte uns das nicht entmutigen. Es sollte uns ermutigen, die eigenen Denkmuster sowie die eigene Rolle zu hinterfragen. Mangelndes Störgefühl bedeutet beispielsweise nicht gleich Wahrheit. Eine solche Form der kritischen Distanz und Auseinandersetzung müssen wir aber wieder lernen, sie ist eine extrem wichtige Metakompetenz. Der Computer kann vieles besser als wir, aber vieles auch nicht. Mit „Augmented Intelligence“ plädieren wir deshalb für einen symbiotischen Ansatz.

Im Buch sagen Sie, das einzigartig Menschliche seien Empathie, Kreativität, Verantwortung, Improvisation und Spiel. Eigenschaften also, die man besonders Kommunikationsprofis zuschreiben würde, oder?
Absolut, sofern es uns gelingt, auch die organisatorische und systemische Ebene neu zu denken. Die meisten Organisationen spiegeln leider nach wie vor die arbeitsteiligen Anforderungen der Industrialisierung wider und belohnen entsprechendes Verhalten. Erst kürzlich hat sich meine Alma Mater, das Massachusetts Institute of Technology, in einer Langzeitstudie mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen Technologie auf die Entwicklung des Arbeitsmarkts hat und hatte. Eine Kernschlussfolgerung lautet: Wenn in der Vergangenheit neue Technologien in bestehende Systeme integriert wurden, ohne auch Letztere zu hinterfragen, standen hauptsächlich Effizienzgewinne im Fokus. Nur selten hat man sich getraut, auch die systemische Ebene neu zu denken. Also gerieten Löhne unter Druck, standen Fähigkeiten und Jobs infrage. Chat GPT sollte für uns der Weckruf sein. Wenn wir glauben, dass der Mehrwert dieser Technologie darin liegt, noch mehr banalen Content noch schneller zu produzieren, dürfen wir uns über die Folgen nicht wundern. Und wenn Chat GPT das bayerische Abitur mit Bestnoten besteht, zeigt uns das nicht, wie intelligent Chat GPT ist, sondern vielmehr, dass wir unser Bildungssystem dringend überdenken sollten. Für die Kommunikation gilt das auch.
 
Tipp: Wie PR-Profis optimal mit KI arbeiten können, erfahren Sie bei der digitalen PR Report Tour am 11. September. Die Plätze sind begrenzt – melden Sie sich jetzt an.

Wer in der Kommunikation muss sich am meisten Sorgen um seinen Job machen?
Die Frage, inwiefern technologischer Fortschritt den Arbeitsmarkt verändert, hatte zu allen Zeiten ihre Berechtigung, aber sie wird zu kurzsichtig behandelt. Midjourney wird nur den Grafikdesigner ersetzen, der sich nicht Midjourney zu bedienen weiß. Jobs bestehen immer aus einer ganzen Reihe einzelner Aufgaben. Manche Aufgaben sind leichter zu ersetzen als andere. Chat GPT verstoffwechselt das Weltwissen und demokratisiert den Zugang dazu – durch ein Interface, das genau dort ansetzt, wo wir am natürlichsten agieren: bei der Sprache. Das ist ein enormer Fortschritt – aber auch ein immenser Gleichmacher, der die Eintrittsbarrieren in den Kommunikationsberuf, wie er sich augenblicklich darstellt, stark absenkt. Content lässt sich auf Knopfdruck produzieren, man muss keine besonderen Kenntnisse bei der Text- oder Grafikerstellung mehr mitbringen. Professionell anmutender Content wird zur Massenware. Dies führt hoffentlich zu einer Sinnkrise der PR und Kommunikation.

Was meinen Sie?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren zu sehr an den Erfolgsmechanismen von Social Media orientiert und uns der Logik der Algorithmen unterworfen. Dadurch haben wir massiv dazu beigetragen, dass Kommunikation und Content austauschbar und beliebig wurden und kurzfristige Affekte, aber kaum langfristige Resultate produzierte. Wir haben selbst die Grundlage dafür geschaffen, dass nun jeder denkt, Chat GPT könne uns ersetzen. Wenn sich weite Teile des Produzierens an die Maschine delegieren lassen, müssen wir uns fragen, was Kommunikation künftig leisten muss, um sich zu differenzieren.
 
Was Hiesserich auf diese Frage antwortet, was Chat GPT nicht kann und wo der eigentliche Mehrwert der Technologie schlummert, lesen Sie im kompletten Gespräch mit ihm im aktuellen PR Report. Darin außerdem: Arbeit, Ausbildung, Texte und Bilder – wie KI die Kommunikation umwälzt.


Zur Person: Jan Hiesserich ist seit dem Jahr 2021 Executive Vice President Strategy &
Communications von Palantir. Zuvor war der 43-Jährige als Head of CEO Communications &
Strategic Positioning bei SAP und davor mehr als neun Jahre lang bei Hering Schuppener (heute FGS) tätig.