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dpa

Ja, aber... − Neues Urheberrecht kommt mit deutscher Zustimmung

Berlin hat für die heftig umstrittene Copyright-Reform gestimmt und damit den Weg für dessen Umsetzung geebnet. Vollends überzeugt ist die Bundesregierung allerdings nicht.

Luxemburg (dpa) − Am Ende hat die Bundesregierung der Reform des EU-Urheberrechts zugestimmt − allem Widerstand zum Trotz. Sofort nach der Abstimmung der EU-Staaten kam jedoch das große Aber. In einer vierseitigen Zusatzerklärung führte die stellvertretende EU-Botschafterin Susanne Szech-Koundouros am Montag aus, wie die Reform umgesetzt werden solle: ohne Uploadfilter und mit diversen Ausnahmen. Es klingt nach einer Korrektur bei zeitgleicher Zustimmung. Bedingungslose Überzeugung zumindest sieht anders aus. 

 

Zuerst einmal jedoch die deutsche Positivbotschaft: Die Reform sei dringend notwendig, der aktuelle Rechtsrahmen nicht mehr zeitgemäß, heißt es im ersten der zwölf Absätze. Es folgt das Aber. Ein Aber, das sich aus wochenlangem Protest speist. Kritiker fürchten, dass Plattformen wie YouTube, aber auch kleinere Anbieter, künftig Uploadfilter einsetzen müssen, weil sie mehr Pflichten beim Urheberschutz haben. Dabei handelt es sich um Programme, die geschützte Inhalte schon beim Hochladen erkennen und aussortieren. Letzlich könne deutlich mehr als nötig blockiert werden, es drohe Zensur. 

Zehntausende hatten deshalb in Deutschland gegen das Vorhaben demonstriert. Die Große Koalition geriet unter Druck. In dem Papier, an dem bis Sonntagabend gearbeitet wurde, heißt es nun: Man bedauere, dass es nicht gelungen sei, ein Konzept zu finden, „das in der Breite alle Seiten überzeugt“.

Keine Sorge, ruft die Bundesregierung ihren Kritikern sogleich zu. „Upload-Plattformen sollen auch künftig als freie, unzensierte Kommunikationskanäle für die Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen.“ Ziel müsse sein, „das Instrument „Uploadfilter“ weitgehend unnötig zu machen“. Falls doch technische Lösungen eingesetzt werden, solle die EU die Entwicklung von frei zugänglichen Technologien mit offenen Schnittstellen fördern. Dies würde Transparenz, Interoperabilität − also die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme, möglichst nahtlos zusammenzuarbeiten − und Standardisierung fördern. Außerdem würde es verhindern, dass mächtige Plattformen − Facebook und Google etwa − ihre Filtertechnik verkaufen und ihre Macht so festigen.

Berlin betont zudem, dass die fragliche Regelung nur auf besagte mächtige Plattformen wie YouTube oder Facebook zutreffe. Konkrete Ausnahmen werden auch genannt: Wikipedia, Software-Plattformen wie Github, Messengerdienste wie WhatsApp, Verkaufsportale oder Cloud-Dienste. 

So weit die Berliner Lesart der neuen Richtlinie. Dann stellt die Regierung aber noch klar: Man gehe davon aus, dass eine EU-weit einheitliche Umsetzung vereinbart werde. 

Und falls all das nichts bringt? Falls die Meinungsfreiheit dennoch durch die neuen Regeln eingeschränkt wird? Oder falls dieser Sonderweg gegen EU-Recht verstößt? Dann solle die Reform korrigiert werden, heißt es. Bis dahin wird es allerdings Jahre dauern. Zunächst einmal haben die EU-Staaten nun zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. 

Die Kritiker ließen sich von all dem ohnehin nicht besänftigen. FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf Twitter, die große Koalition habe ihre letzte Chance, Uploadfilter zu verhindern, nicht genutzt. Der Grünen-Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold, kritisierte die Zusatzerklärung als „fragwürdige Kosmetik“. Und Piraten-Politikerin Julia Reda, die eine der schärfsten Kritikerinnen des Vorhabens im Europaparlament war, sagte: „Das neue Urheberrecht macht alle zu Verlierern.“ Zudem ignoriere die große Koalition ihren Koalitionsvertrag. Darin wird der verpflichtende Einsatz von Uploadfiltern als unverhältnismäßig abgelehnt.

Die Zustimmung der EU-Staaten am Montag war knapp − und vom deutschen Ja abhängig. Denn die Niederlande, Luxemburg, Polen, Italien, Finnland und Schweden stimmten gegen die Reform. Belgien, Slowenien, und Estland enthielten sich beim Treffen der Landwirtschaftsminister, die stellvertretend für ihre jeweiligen Regierungen abstimmten. Ministerin Julia Klöckner (CDU) ließ sich zunächst von Botschafterin Szech-Koundouros vertreten. 

Die Copyright-Reform soll das veraltete Urheberrecht in der EU ans digitale Zeitalter anpassen und Urhebern für ihre Inhalte im Netz eine bessere Vergütung sichern. Mitte Februar hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Diesen hatte das Europaparlament Ende März gebilligt. Die Länder zogen nun nach. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte, die Reform sei „ein großer Fortschritt für den digitalen Binnenmarkt und für eine lebendige Kultur- und Kreativwirtschaft“. Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bezeichnete die Reform auf Twitter als fehlendes Puzzleteil des digitalen Binnenmarkts. 

Neben neuen Pflichten zum Urheberschutz sieht das Vorhaben auch ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vor. Danach müssen Nachrichten-Suchmaschinen wie Google News für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten künftig Geld an die Verlage zahlen. Hier sehen Kritiker insbesondere für kleine Verlage Nachteile, die gegenüber Google eine schwache Verhandlungsposition hätten. Zudem verweisen sie auf Deutschland, wo es ein Leistungsschutzrecht schon seit 2013 gibt, das aber nicht zu nennenswerten Geldzahlungen an die Verlage führt. Die großen deutschen Verlegerverbände begrüßten die Reform jedoch.