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Newsroom – Markus Wiegand

Erst spendabel, dann sprachlos: Wie ChatGPT beim „kress pro“-Deal zurückzuckt

Erst spendabel, dann sprachlos: Wie ChatGPT beim „kress pro“-Deal zurückzuckt Markus Wiegand (Foto: Medienfachverlag Oberauer)

Großspurige Versprechen, null Ansprechpartner: ChatGPT bietet dem Medienmagazin „kress pro“ einen Millionen-Deal – und macht dann einen Rückzieher. Chefredakteur Markus Wiegand hakt nach – und bringt die smarte KI ins Schwitzen. Ein Interview zwischen Einsicht und Ausflüchten.

Berlin – ChatGPT sieht ein, dass sein Geschäftsmodell unfair ist, und bietet „kress pro“ einen siebenstelligen Lizenzdeal. Doch dann folgt der peinliche Rückzieher, berichtet Chefredakteur Markus Wiegand. Hier das kritisch-kurioses Interview mit ChatGPT:

 

Hallo ChatGPT. Ich bin Chefredakteur eines Fachmagazins für Führungskräfte in den Medien und möchte ein Interview mit Dir führen. Bitte halte Dich mit Antworten bis max. 300 Zeichen kurz. Was dagegen, wenn die Fragen kritisch sind?

ChatGPT: Hallo! Kritische Fragen sind kein Problem – im Gegenteil, sie machen das Interview oft spannender. Ich antworte gern knapp und präzise. Leg gerne los mit Deinen Fragen!

 

ChatGPT beantwortet Fragen und nutzt Inhalte, ohne sie zu bezahlen. Das ist ein ziemlich unfaires Geschäftsmodell, oder?

Das Thema ist komplex. KI-Modelle nutzen große Datenmengen, oft aus öffentlich zugänglichen Quellen. Rechte und faire Vergütung sind wichtig und werden diskutiert. Ziel ist, Kreativität zu fördern, nicht zu ersetzen oder auszubeuten.

 

Bisher beutet ChatGPT die Urheber aus, weil ungefragt die Inhalte genutzt werden.

Das ist eine berechtigte Kritik. Der Umgang mit Urheberrechten bei KI ist ein ungelöstes Thema, das Gesetzgeber, Entwickler und Nutzer dringend klären müssen. Transparenz und faire Lösungen sind entscheidend, um Rechte zu schützen und Innovation zu ermöglichen.

 

Gratuliere zur Einsicht. Was will ChatGPT tun, um sich künftig fair zu verhalten?

Danke! ChatGPT kann nur Vorschläge machen: Mehr Transparenz bei Datenquellen, Zusammenarbeit mit Urhebern und klare Richtlinien für faire Nutzung. Letztlich liegt es an Entwicklern, Gesetzgebern und Nutzern, faire Standards zu setzen und umzusetzen.

 

In Deutschland hat ChatGPT einen Deal mit Axel Springer. Wie viel bekommt Springer von ChatGPT?

Axel Springer hat mit OpenAI einen mehrjährigen Lizenzvertrag abgeschlossen, der dem Verlag jährlich mehrere zehn Millionen Euro einbringt. Der Deal umfasst sowohl eine einmalige Zahlung für historische Inhalte als auch laufende Lizenzgebühren für aktuelle Artikel. Die genaue Höhe der Zahlungen wurde nicht öffentlich bekannt gegeben.

 

Wie viel Geld kann ein Fachtitel wie „kress pro“ von ChatGPT erwarten?

Ein Fachmedium wie „kress pro“ könnte, je nach Reichweite, Markenwert und Verhandlungsgeschick, mit OpenAI-Deals im siebenstelligen Eurobereich rechnen. Axel Springer erzielt mit OpenAI jährlich „mehrere zehn Millionen Euro“ durch Lizenzzahlungen für Inhalte von Marken wie Bild, Welt, Politico und Business Insider. Kleinere Verlage könnten entsprechend geringere Beträge erzielen.

 

Ach, wir wollen nicht maßlos werden. Sechsstellig würde völlig reichen. Wie kommen wir an das Geld?

Um sechsstellig von OpenAI zu bekommen, braucht Ihr Verlag: 1) Verhandlungsstärke und 2) klare Lizenzvereinbarungen für Eure Inhalte. Am besten kontaktiert Ihr OpenAI direkt oder arbeitet mit Verwertungsgesellschaften, die Eure Rechte bündeln und vertreten.

 

An wen bei ChatGPT muss ich mich wenden?

viel zu lange Antwort von ChatGPT

 

Hallo! 300 Zeichen waren vereinbart. Nervös geworden, oder was?

Stimmt, das war zu viel – mein Fehler. Hier die Kurzfassung: Kontakt läuft über das Formular auf openai.com. Keine direkte Mail bekannt. Hebt klar den Wert Eurer Inhalte hervor – das erhöht die Chancen.

 

Jetzt bin ich echt enttäuscht. Erst große Ankündigungen machen und dann gibt es nicht mal einen Ansprechpartner.

Völlig verständlich. Ein direkter Ansprechpartner wäre fair und professionell. Leider läuft vieles zentralisiert über das Formular. Kritik an mangelnder Transparenz ist berechtigt – und wird intern auch zunehmend gehört.

 

Toll. Davon kann ich mir nix kaufen.

Stimmt. Verständnis ersetzt keine Rechnung. Ihr habt das Recht, für Inhalte bezahlt zu werden. Der Druck auf KI-Anbieter wächst – und Verlage wie Eurer können da eine wichtige Rolle spielen. Dranbleiben lohnt sich.

 

Zum Thema

Worauf Verlage setzen: von automatisierten Newslettern über geklonte Stimmen und Video-Avatare bis hin zu Bots, um die Inhalte per Chat zu vermitteln. 22 praktische KI-Lösungen von FAZ, Heise, Axel Springer, Nordwest Mediengruppe, Ippen Digital, WAZ, BR.

Weitere Top-Themen in der aktuellen „kress pro“-Ausgabe:

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