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Newsroom – Rupert Sommer

Digitale Sonntagszeitung: Was Zeit Online fürs Wochenende plant

Digitale Sonntagszeitung: Was Zeit Online fürs Wochenende plant Jochen Wegner (l.) und Christian Röpke (Foto: Michael Zehentmeier für Zeit Online)

Christian Röpke und Jochen Wegner treiben das Digitalgeschäft im Zeitverlag zu immer neuen Rekordzahlen. Wie machen sie das?

Hamburg – Geschäftsführer Christian Röpke und Chefredakteur Jochen Wegner treiben das Digitalgeschäft im Zeitverlag zu immer neuen Rekordzahlen. Im Interview mit „kress pro“ verraten sie, welche Inhalte für Abos sorgen, welches Bezahlmodell am besten funktioniert und an welchem spannenden Entwicklungsprojekt sie arbeiten. 

 

Hier ein Auszug aus dem Titelinterview in „kress pro“ 2 2022, dem Magazin für Führungskräfte in Medien:


Sie gehören zu den erfolgreichsten Marken bei der Gewinnung von Digitalabos. Wie sieht Ihre Faustregel aus, welche Inhalte gratis bleiben und welche nicht?

Jochen Wegner: Das ist bei uns eine rein journalistische Entscheidung. Christian Röpke und ich tauschen uns schon darüber aus, wenn die Seite mal wieder allzu „grün“ ist, wie es bei uns heißt, also relativ viel offen ist. Aber im Alltag entscheiden wir das live im Newsroom. Die bei uns sogenannten Dirigentinnen und Dirigenten, die die Website verantwortlich steuern, entscheiden selbst, was wir abschließen, im ständigen Austausch mit allen Redaktionen des Hauses. Sie sind allesamt sehr erfahrene Nachrichtenprofis, keine Abomanager. Sie sehen sich schon die Zahlen an, aber betrachten sie holistisch und mit journalistischem Verstand.

 

Wie meinen Sie das konkret?

Wegner: Klassischer Nachrichten- und Politikjournalismus ist nicht das, was viele Abos generiert – besondere Lagen wie die Ukraine-Krise einmal ausgenommen.

 

Stattdessen?

Wegner: Es ist eher der flammende Kommentar über Waldorf-Kindergärten, das unvoreingenommene Porträt von Männern, die AMG-getunte Mercedes fahren, Beiträge über Kinderlosigkeit, Erziehung oder Narzissmus – klassischer Magazinjournalismus also und Artikel, die große, konkrete Lebensfragen aufgreifen. Wir können mit dieser Mischung gut umgehen. Politik und Nachrichten sind unser Kern, sie gehören zur Online-Grundversorgung und sind offensichtlich nicht das, wofür Menschen in der Regel ein Abo abschließen. Nur in Krisen kann sich das schnell ändern: Die meistabonnierte Geschichte der vergangenen Wochen war ein Interview meines Kultur- Kollegen Nils Markwardt mit dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler zur Ukraine. Das hat uns eher überrascht. In vielen Fällen lassen wir Aboträchtiges jedoch auch bewusst offen: Zu Beginn der Coronakrise wurde klar, dass alles, was unsere Wissenschafts-, Medizin- und Datenjournalisten machen, konvertieren wird. Trotzdem haben wir diese Inhalte damals bewusst offen gelassen.

 

(...)

 

Wie viele unterschiedliche Paid-Modelle haben Sie eigentlich verworfen, bevor Sie sich für die bestehenden Lösungen für Zeit Online entschieden haben – und was gab den Ausschlag?

Christian Röpke: Das erste Konzept, das wir vor vielen Jahren entworfen haben, war ein klassisches Metering- Modell. Aber wir sind dann vor dem Start von Z+ zu dem Schluss gekommen, dass das System ausgerechnet den Artikeln, bei denen wir das größte Potenzial sehen, nicht gerecht wird. Dann haben wir ein Hybrid-Modell zum Start gelauncht. Eine Kombination aus roten bezahlpflichtigen Z+- Artikeln auf Zeit Online sowie freien Inhalten und grauen Z+-Artikeln, also registrierungspflichtigen Inhalten. Innerhalb der grauen Artikel gab es ein Metering. Nach dem Lesen einer begrenzten Anzahl grauer Artikel innerhalb einer Woche kam man ebenfalls an die Bezahlschranke.

 

Warum haben Sie diese Lösung dennoch weiter verändert?

Röpke: Es war ein ideales Modell zum Start, weil wir damit in den ersten zwei Jahren neben vielen neuen Abos sehr viele Kontakte interessierter User über die Registrierung generieren konnten. Wir haben so enge Beziehungen aufgebaut. Wir haben dann aber gemerkt, dass das rote Z+ immer besser als direkter Abo-Einstieg funktioniert hat. Das graue Z+ haben wir dann zurückgefahren.

 

Auf den heutigen Stand, oder?

Röpke: Es sind alles immer wieder Zwischenstufen eines ständig optimierten Modells. Was wir jetzt betreiben, ist die nächste Evolutionsstufe. Ein Modell, bei dem wir neben dem statischen Freemium-Ansatz auch Inhalte dynamisch ausspielen.

 

Soll heißen?

Röpke: Wir zeigen Intensivnutzern, die noch kein Abo haben, mehr rote Z+-Artikel. Das ständige Optimieren und Spielen mit den verschiedenen Einflussfaktoren wird auch immer weitergehen, weil wir experimentieren müssen und wollen – um herauszufinden, wie wir den nächsten Schritt machen können, um unsere Probeabo-Zahlen weiter zu steigern.

 

(...)

 

Haben Sie sich schon ausgerechnet, wie viele neue Redakteure Sie bekommen werden, Herr Wegner, und wo werden Sie die beschäftigen?

Wegner: Wir haben die schon eingestellt. Auch das habe ich noch nicht erlebt. Dass mitten im Jahr ein Verlag kommt und erklärt: Leute, das Geschäft läuft gut, wollen wir nicht noch ein bisschen nachlegen? Wir hatten gerade eine außerplanmäßige Investitionsphase und haben soeben die letzte neue Person aus diesem Programm an Bord geholt.

 

Welche konkret?

Wegner: Wir haben schon vor einiger Zeit eine vermeintlich triviale Schwachstelle entdeckt, an der wir nun arbeiten: das Wochenende. Sonntag ist der stärkste Abo-Tag, auch die Reichweite ist da fast auf Wochentags-Niveau, seitdem es Smartphones gibt. Und gleichzeitig sind wir am Samstag und Sonntag bislang als Onlineredaktion richtig schlecht besetzt und haben nicht so viele passende Inhalte im Angebot. Wir vernachlässigen die stärkste Zeit.

 

Wie reagieren Sie?

Wegner: Wir gründen gerade eine Art digitale Sonntagszeitung, die in einigen Wochen an den Start gehen soll. Natürlich denken wir nicht in klassischen Zeitungsparadigmen, es gibt kein Wort für das, was sich die Redaktion ausgedacht hat. Wir sind schon in der Dummy-Produktion.

 

Zumindest die gedruckte „Zeit“ dürfte in vielen Haushalten ja oft bis zum Wochenende liegen, weil man vorher oft nicht zum Fertiglesen kommt. Was liest man denn Ihrer Einschätzung nach am Sonntag zusätzlich, es wird ja wohl keine Sportzeitung werden?

Wegner: Nein. Auch wenn es ein Fußball-Format geben wird. Wir sehen in unseren Daten, dass ein erstaunlich großer Teil der neuen Digitalabonnenten fast nur am Wochenende aktiv ist, und zwar ausschließlich auf der Website. Und es gibt viele Nutzer, die am Sonntag und am Samstag ihr Abo abschließen. Es ist eine bemerkenswerte Gruppe: Sie liest Zeit Online, aber keines der geschlossenen digitalen Produkte wie etwa das E-Paper oder die gedruckte Zeitung – obwohl sie das alles gut kennt. Für diese Digitalleser wollen wir interessanter werden. Bald bieten wir ihnen ein Dutzend neuer Rubriken, hinzu kommt ein halbes Dutzend Formate, in denen wir bestehende Inhalte neu präsentieren, im Geist etwa von „The Weekender“ der"„New York Times“.

 

Im kompletten „kress-pro“-Interview erfahren Sie weitere Details zur digitalen Sonntagszeitung und wie es Christian Röpke und Jochen Wegner gelungen ist, mehr Probe- zu Vollabonnenten zu machen. 

 

Tipp: Christian Röpke und Jochen Wegner werden beim European Publishing Congress am 20. Juni in Wien unter anderem über das sehr erfolgreiche Paid Content-Modell der "Zeit" informieren. Weitere Infos hier.