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Wie ein Medienhaus KI im Arbeitsalltag verankert

Wie ein Medienhaus KI im Arbeitsalltag verankert Martin Tupy (Foto: Mediengruppe Oberfranken)

KI-Tools sind bei der Mediengruppe Oberfranken längst mehr als ein Experiment: Sie prägen die digitalen Prozesse und machen viele Abläufe schneller. Wie der Wandel gelang und worauf es ankommt.

Zur Mediengruppe Oberfranken (mgo) mit Stammsitz in Bamberg und einem Jahresumsatz von rund 185 Millionen Euro (2023) gehören über 50 Marken. Tageszeitungen („Fränkischer Tag“, „Bayerische Rundschau“), Anzeigenblätter, Magazine und Fachmedien, außerdem Online- und Jobportale, Apps, Marketing- und Logistikdienstleistungen bilden ihr Fundament.

 

Künstliche Intelligenz spielte in den Redaktionen und Verlagseinheiten schon länger eine Rolle, allerdings nutzten bislang nur einzelne Teams lokale ChatGPT-Instanzen. So entstand „ein Flickenteppich ohne Möglichkeit, Prompts oder Ergebnisse team- oder bereichsübergreifend zu teilen“, sagt Martin Tupy, Leiter KI-Initiativen und Datenstrategie bei der Mediengruppe Oberfranken. Das Potenzial der Technologie – zum Beispiel KI-Assistenten aufzubauen, Tools in zentrale Workflows einzubinden oder verschiedene LLMs (Large Language Models) datenschutzkonform anzuwenden – sei deshalb weitestgehend ungenutzt geblieben.

 

KI ist Chefsache
Um das zu ändern, entschied sich die mgo-Führung, eine unternehmensweite, DSGVO-konforme KI-Plattform zu implementieren. Dabei war ihr eine nachhaltige Integration, Skalierbarkeit und praxisnahe, breite Nutzbarkeit im Arbeitsalltag besonders wichtig. Das Ziel: weg von Insellösungen, hin zu einer echten Transformation.

 

Mit der Einführung der Plattform Langdock zu Jahresbeginn 2025 in der Mediengruppe wurde das Potenzial von KI kräftig aktiviert. Anbieter wie Langdock ermöglichen es, große Sprachmodelle unter anderem von GPT, Gemini, Claude zu nutzen, KI-Tools in bestehende Systeme zu integrieren und dabei die Kontrolle über die eigenen Daten zu behalten. Der Business-Tarif mit bis zu 1.000 Nutzern für ein Unternehmen kostet bei Langdock aktuell monatlich ab 25 Euro je Nutzer.

 

Bereits im Frühjahr nahm die Nutzung von KI-Anwendungen durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich zu, unter anderem weil jetzt eigene Integrationen möglich wurden, „etwa mit Google Analytics oder verschiedenen MS-Office-Anwendungen. Im Arbeitsalltag ergab sich dadurch ein spürbarer Zeitgewinn“, berichtet Tupy.

 

Langdock-Lizenzen für rund 300 Arbeitsplätze
Für die Schulungen engagierte man einen externen Dienstleister, der KI-Grundlagen und Basiswissen zu Generative AI vermittelte. Beginnend im November 2024, wurden nacheinander Geschäftsleitung, weitere Führungskräfte und alle Mitarbeiter mit dem Einmaleins von KI vertraut gemacht. Inhaltlich ging es unter anderem um Machine Learning und GenAI und entsprechende Anwendungsfälle. Es wurde über Grenzen und Risiken von KI ebenso wie über rechtliche Voraussetzungen („EU AI Act“, Datenschutz) informiert. Außerdem fanden spezielle „Prompting-Workshops“ für eine ausgewählte Gruppe von Mitarbeitern statt, mit dem Ziel, Multiplikatoren zu identifizieren und auszubilden.

Zur Einführung der KI-Plattform Langdock wurden zunächst regelmäßige Check-ins durchgeführt, begleitet von individuell buchbaren Eins-zu-eins-Terminen mit Langdock-Experten. Ab März standen interne monatliche Schulungen zu den Basics des Promptings auf dem Programm, erweitert um ebenfalls monatlich stattfindende Lektionen über „KI in der Praxis“, in denen zum Beispiel die Anwendung von Langdock-Assistenten gezeigt wird.

 

Erfolge in der Praxis
Der mgo-Führung war wichtig, KI als Entlastung und nicht als Bedrohung darzustellen. Der Leitsatz lautet: „Human in the Loop“, also: Der Mensch entscheidet, die KI unterstützt. Mitarbeiter lassen sich am besten überzeugen durch Erfolge in der Praxis. Die stellten sich schnell ein. Zum Beispiel in der redaktionellen Arbeit durch den Einsatz von KI-Agenten, die Blaulicht-Meldungen eigenständig verarbeiten. So veröffentlicht das Onlineportal infranken.de inzwischen automatisiert durchschnittlich 220 solcher Meldungen pro Monat, dabei ist der Zeitaufwand für eine Nachricht dank KI-Unterstützung von 15 auf zwei Minuten gesunken. Die Meldungen erzielen hohe Sichtbarkeit in Suchmaschinen und relevante Zugriffszahlen über verschiedene Kanäle.

 

Der Einsatz von KI entlastet die Redaktion nicht nur beim Umschreiben von Pressemeldungen, sie erweist sich auch als hilfreich bei Aufgaben wie Texte redigieren, übersetzen und transkribieren, Untertitel formulieren, Inhalte für unterschiedliche Ausspielkanäle anpassen, Interviews vorbereiten und Vorschläge für Illustrationen finden. Ähnliche Erfahrungen machen die Kollegen im Marketing, wenn es etwa um die Optimierung von Kampagnen oder automatisierte Versionen von Newslettern geht. Im Reporting lassen sich Datenauswertungen und Analysen dank KI-Assistenten schneller erstellen.

 

„Bei redaktionellen Routineaufgaben sind wir in einigen Fällen drei- bis fünfmal schneller als ohne KI-Unterstützung“, verweist Martin Tupy auf messbare Erfolge. Kamen in der Redaktion zuvor vor allem eigene KI-Integrationen im CMS zum Einsatz, was auch weiterhin der Fall ist, hat die Einführung von Langdock die KI-Nutzung beschleunigt. Nun „ist es besonders einfach, DSGVO-konform mit individuellen Chat-Anfragen zu arbeiten und teamübergreifend Assistenten zu nutzen. So lassen sich Wissen und etablierte KI-Anwendungen effizient teilen und wiederverwenden“, erklärt Tupy. Die Nutzungsintensität steige kontinuierlich, „aktuell werden rund 90 Prozent der verfügbaren Lizenzen regelmäßig im Monatsverlauf aktiv genutzt“.

 

Teams und Technik
In Verlag und Redaktionen haben sich KI-gestützte Workflows zügig etabliert. Entscheidend dafür sei das Zusammenspiel von IT, KI- und Datenverantwortlichen mit den Fachbereichen. Tupy: „Durch Schulungen, Freiräume für Testing und schnelle Iterationszyklen konnten relevante Anwendungsfälle rasch identifiziert und implementiert werden.“ Wichtig ist zudem eine unkomplizierte, handhabbare Technik. So ermögliche eine zentrale KI-Plattform wie Langdock, Standard-Use-Cases mit Assistenten teamübergreifend zu teilen. Solche cloudbasierten Software-as-a-Service-Lösungen haben den Vorteil, dass sie mit wenig Aufwand in die bestehende Systemlandschaft integrierbar und up to date sind, außerdem eine intuitive Benutzeroberfläche bieten.

 

Vor dem eigentlichen Launch der Plattform zu Jahresbeginn gab es von Mitte September bis Mitte Oktober 2024 eine Testphase mit ausgewählten Mitarbeitern aus allen Geschäftseinheiten, danach wurden rechtliche, technische und vertragliche Fragen bis Ende November 2024 geklärt. Während der Einführungsphase fanden alle zwei Wochen Check-ins mit dem Anbieter statt, so dass sich Mitarbeiter schnell mit den Anforderungen vertraut machen konnten. Für individuelle Fragen und zu speziellen Anwendungen waren sowohl Langdock-Leute als auch die interne KI-Abteilung der Mediengruppe Oberfranken ansprechbar.

 

Ein bisweilen unterschätzter Aspekt ist: Erwartungsmanagement. „Nicht jede Anwendung liefert sofort große Effizienzgewinne“, so Tupy. Daher komme es sehr darauf an, realistisch zu kommunizieren, Mitarbeitende direkt einzubinden, Quick Wins und Best-Practice-Cases zu zeigen.

Um KI im Unternehmen zu verankern, empfiehlt Langdock-CEO Lennard Schmidt, auf interne KI-Champions zu setzen, die begeistert und experimentierfreudig Prompts, Assistenten und neue Arbeitsabläufe in ihre Teams tragen. Schmidt: „Wir empfehlen immer, diesen Champions eine Bühne zu geben.“

 

Außerdem lässt sich dadurch Wissen im Unternehmen breiter verankern. „Motivierte und geschulte Kolleginnen und Kollegen werden zu internen Experten aufgebaut, die ihr Know-how aktiv in ihre Teams tragen“, sagt Martin Tupy über den „Train-the-Trainer“-Ansatz der Mediengruppe Oberfranken. Eine zentrale, transparente Übersicht über alle laufenden KI-Aktivitäten schafft zusätzlich Orientierung.