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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

RTL-Chef: Die großen Lagerfeuer werden seltener und wertvoller Interview: Carsten Rave, dpa

Die großen Namen hat RTL mit Jauch und Gottschalk weiter an sich gebunden − beim Sportrechteerwerb fühlt sich der Sender benachteiligt. Ein Interview mit dem RTL-Programmgeschäftsführer.

Die großen Namen hat RTL mit Jauch und Gottschalk weiter an sich

gebunden − beim Sportrechteerwerb fühlt sich der Sender

benachteiligt. Ein Interview mit dem RTL-Programmgeschäftsführer.

Berlin (dpa) − Der Kölner Privatsender RTL setzt weiter auf Günther

Jauch. Mit Thomas Gottschalk wird Neues verhandelt. Entertainer

Stefan Raab, der zum Jahresende ProSieben verlässt, ist dagegen

zurzeit keine Option für den Privatsender. Im dpa-Interview nennt

RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann (49) den Wettbewerb mit

den Öffentlich-Rechtlichen, vor allem beim Sportrechteerwerb,

angesichts der Finanzausstattung von ARD und ZDF „eine Farce“.

Frage: Was muss man tun, dem Publikum angesichts der Konkurrenz wie

neuer Streamingdienste das gute alte Fernsehen schmackhaft zu machen?

Antwort: Das gute alte Fernsehen ist lebendiger denn je, denn es gibt

viel mehr Möglichkeiten für uns, Menschen zu unterhalten und zu

informieren, wann und wo sie wollen. Um als Inhalteanbieter

erfolgreich zu bleiben, müssen wir programmlich das tun, was wir

schon immer gemacht haben: relevante Themen aufspüren, die besten

Talente binden, mit ihnen die bestmöglichen Programme zusammenstellen

und für diese am Ende ideale strategische Voraussetzungen schaffen.

Heute ist es schwerer als früher, einen großen Hit zu landen, weil

viel mehr Angebote um das Zeitbudget und die Aufmerksamkeit der

Zuschauer buhlen. Umso wichtiger ist es, eigene, exklusive Inhalte zu

haben um damit die Gesprächsthemen zu setzen.

Frage: Früher saßen bei neuen Programmen locker fünf oder acht

Millionen Zuschauer vorm TV − heute kann man als TV-Veranstalter froh

sein, wenn eine drei vorm Komma steht. Wie will man verhindern, dass

die Erosion weitergeht?

Antwort: Es steht außer Frage, dass Fernsehen das Massenmedium

bleiben wird, aber klar ist auch, dass alle großen Sender an

Reichweite verloren haben, während unzählige kleine zulegen. So war

die Entwicklung in den USA und so ist sie bei uns. Trotzdem: Wenn Sie

sich mal alle Sendungen anschauen mit fünf Millionen Zuschauern und

mehr, die durch Werbung unterbrochen werden, dann taucht in dieser

Top 50 allein RTL auf mit Spitzenwerten von 12 Millionen Zuschauern.

Die ganz großen Lagerfeuer werden zwar seltener, aber dadurch immer

wertvoller.

Frage: Bei Sat.1 rumpelte es vergangene Woche: Zwei Serien und ein

Magazin flogen aus dem Programm. Ein Alarmsignal für die Branche?

Antwort: Ich denke nicht, dass dies ein Signal für die Branche ist,

denn jeder Sender hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten und

Notwendigkeiten. Wir hatten im vergangenen Jahr einen schlechten

Seasonstart und haben hart gearbeitet, viel probiert und noch mehr

gelernt, so dass wir gestärkt und mit guten Zahlen in die neue Season

starten konnten.

Frage: Wird es erneut einen Versuch geben, mit der ProSiebenSat.1

Media AG eine gemeinsame Video-Plattform fürs Netz aufzubauen?

Antwort: Das Kartellamt hat entschieden und wir haben unsere eigenen

Antworten gefunden. Es steht aber außer Frage, dass es aus unserer

Sicht eine Ungleichbehandlung gibt. Wir werden von der hiesigen

Ordnungspolitik mit internationalen Playern ungleich behandelt. Wir

sperren uns nicht grundsätzlich gegen Auflagen wie die zur

Vielfaltssicherung, aber als Programmmacher würde ich schon gern

selbst entscheiden, wann ich ein Magazin wie „Spiegel TV“ zeige.

Frage: ARD und ZDF haben einen hohen Mehrbedarf an Rundfunkbeiträgen

angemeldet − was bedeutet das für RTL, zum Beispiel beim Sport?

Antwort: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind hoch ambitioniert,

wenn es um Sportrechte geht, da sie damit auch junge Zuschauer quasi

zukaufen, die sie sonst kaum noch erreichen. Sie sind mit dem Geld

der Gebührenzahler finanziell so gut ausgestattet wie in keinem

anderen Land. Aber vielleicht orientieren sich die Rechteinhaber ja

nicht nur am Geld. In der Sportszene sagt man uns nach, RTL könne aus

großen Ereignissen noch größere machen.

Frage: Ergeben sich daraus reelle Chancen für Sie, beim

Bundesliga-Rechteerwerb mitzumischen?

Antwort: Grundsätzlich bekommen wir ein hohes Maß an Anerkennung für

unsere Berichterstattung über die Nationalmannschaft. Dass uns die

Übertragungen solcher Ereignisse zudem großen Spaß machen, ist auch

bekannt. Manchmal träumen wir gern auch mal, neigen aber am Ende zu

Realismus. Der Wettbewerb mit den Öffentlich-Rechtlichen um

Sportrechte, die mal eben eine Milliarde Euro an Bedarf in diesem

Bereich anmelden, ist kein Wettbewerb, sondern eine Farce.

Frage: Auf die historische Serie „Deutschland 83“ setzt RTL große

Stücke. Gehen wir mal von einem Publikumserfolg aus: Was kann RTL auf

dem Sektor noch nachlegen?

Antwort: Wir werden nachlegen und pflegen, denn entscheidend ist die

richtige Mischung aus Neuem und Bewährtem. So haben wir zum Beispiel

gemeinsam mit der Produktionsfirma Ufa intensiv an der täglichen

Serie „Alles was zählt“ gearbeitet, die sich jetzt um fast einen

Prozentpunkt Marktanteil verbessert hat. Entsprechend bereiten wir

uns nun auf die 6000. Sendung von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ im

nächsten Jahr vor, eine werktägliche Serie übrigens, die im Schnitt

drei Millionen Zuschauer am Vorabend erreicht und damit mehr als die

20.15-Uhr-Serien der gesamten privaten Konkurrenz. Auch den „Lehrer“

schicken wir mit 13 anstatt bisher acht neuen Folgen in die Saison.

Bei „Deutschland 83“ haben wir die Drehbücher für eine zweite Staffel

in Auftrag gegeben. Außerdem senden wir in der aktuellen Season die

Fiction-Highlights „Starfighter“ und im Frühjahr „Die

Turnschuhgiganten“ − die erstaunliche Geschichte der Dassler-Brüder,

die in der Provinz die Weltmarken Adidas und Puma schufen.

Frage: Die ARD macht das gemeinerweiser auch...

Antwort: Es ist kurios, dass zwei Sender auf die gleiche Idee

gekommen sind. Vielleicht wurde in der Branche ein bisschen zu viel

geplaudert, das kommt vor. Nun sind wir mit den gleichen Turnschuhen

unterwegs. Ich bin gespannt, wer am Ende schneller ist. Ein anderes,

großes Thema haben wir ganz exklusiv. In Kroatien drehen wir aktuell

„Winnetou“, mit einer Traumbesetzung.

Frage: Beim dritten großen Standbein, der Show, fehlt die Vision, der

Tigersprung. Es gibt nur noch Castingshows.

Antwort: Mit denen wir extrem erfolgreich sind, was anderen Ländern

übrigens nicht gelungen ist. Wir suchen trotzdem nach dem nächsten,

neuen Hit und haben zusätzlich eine Entwicklungsinitiative auch im

Showbereich gestartet. „Top Gear“, „500 Questions“, „Die Puppenstars“

oder „Ninja Warrior“ − alles neue Show-Formate, die wir demnächst

zeigen werden. Nach „The Voice“ hat es international kein

erfolgreiches Showformat mehr gegeben. Es wird also langsam Zeit.

Frage: Stefan Raab hört offiziell mit dem Fernsehen auf − können Sie

sich Raab bei RTL vorstellen, wenn er rückfällig wird?

Antwort: Ich kann nicht sagen, warum Stefan Raab aufgehört hat. Es

wird aber nicht das primäre Ziel gewesen sein, bei RTL zu landen.

Davon müssten wir dann ja wissen.

Frage: Günther Jauch tritt vom ARD-Polittalk ab, tritt er bei RTL

kürzer?

Antwort: Wir arbeiten gut und erfolgreich zusammen und haben bereits

das gesamte nächste Jahr mit ihm geplant.

Frage: Wird Thomas Gottschalk auch über die ursprüngliche

Vereinbarung bis Ende 2015 RTL treu bleiben?

Antwort: Wir arbeiten an konkreten, neuen Projekten mit Thomas

Gottschalk und freuen uns auf weitere Folgen von „Die 2 − Gottschalk

& Jauch gegen alle“.

ZUR PERSON: Frank Hoffmann (49), geboren in der Bertelsmann-Metropole

Gütersloh, startete seine Karriere als Zeitungsjournalist beim

„Westfalen-Blatt“. Bei RTL begann er 1992 beim Boulevardmagazin

„Explosiv“ und arbeitete sich dann die Karriereleiter hoch, wurde

Geschäftsführer von Vox, bevor er 2013 an die RTL-Spitze rückte.