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Fünf Jahre Sprachkritik: „Floskelwolke, übernehmen Sie!“

„Fünf Euro in das Phrasenschwein!“ Missglückte Formulierungen gibt es immer wieder, manche haben System, etliche sind nicht wegzubekommen. Mit ihnen beschäftigt sich das Projekt „Floskelwolke“.

Berlin (dpa) − „Geboren am 11. August“ steht im Twitteraccount der Floskelwolke. Und zwar im Jahr 2014: Das Projekt von Sebastian Pertsch und Udo Stiehl zur Sprach- und Medienkritik ist inzwischen fünf Jahre alt. Nicht nur vielen Kollegen geben die beiden Journalisten damit Denkanstöße zum sensiblen Umgang mit Sprache. Seit dem Start hat die „Floskelwolke“ ihren festen Platz in den sozialen Medien; längst ist es üblich geworden, dass Menschen, die sich über schräge Formulierungen oder abgedroschene Phrasen ärgern, sich online bei ihnen melden: „Floskelwolke, übernehmen Sie!“

Zum Teil sind das Kollegen aus der Medienbranche, aber auch Wissenschaftler, Mitarbeiter aus der PR oder journalistischer Nachwuchs. Und nicht nur die: „Erfreulicherweise haben wir auch viele Fans, die hauptberuflich nichts mit Sprache oder Medien zu tun haben, sich aber dennoch über die teils vermurkste Sprache in den Nachrichten ärgern und dann der Floskelwolke zuwinken“, erklärt Sebastian Pertsch.

Pertsch (37) und Stiehl (49) geht es nicht darum, den Sprachgebrauch von anderen vorzuführen. Sie kritisieren Floskeln und unpassende Formulierungen aus der Nachrichtensprache, die nachlässig oder leichtfertig verwendet werden und oft genug dazu beitragen, Sachverhalte nicht nur ungenau zu beschreiben, sondern sogar zu verschleiern: Preisbremse oder Datendiebstahl beispielsweise. Oder solche, die gar nicht sachlich sein sollen, sondern manipulativ: Wörter wie Flüchtlingstsunami, Asylgegner und Überfremdung.

Bereits 2015 hat „Floskelwolke“ den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik bekommen, im Jahr darauf war das Projekt für den Grimme-Online-Award nominiert. Mehr als 14 400 Follower hat „Floskelwolke“ auf Twitter, dem am meisten genutzten Kanal. Auch auf Facebook war das Sprachkritikprojekt von Anfang an zu finden − inzwischen auch auf Instagram. Und „Floskelwolke“ gibt es nicht nur online: Die beiden Journalisten geben ihre Anregungen und Überlegungen zum Umgang mit Sprache auch bei Vorträgen und Podiumsdiskussionen weiter.

Ganz am Anfang stand die Neugier: Udo Stiehl war da schon mit seinem Blog „Nachrichtengiftschrank“ aktiv. „Und ich wollte wissen, ob man denn wohl herausfinden kann, wie oft solche schrägen Sprachbilder und wilden Floskeln eigentlich tatsächlich verwendet werden“, erinnert er sich. Weil er wusste, dass Sebastian Pertsch sich mit Datenbanken auskennt, fragte er ihn, ob es möglich sei, mit Hilfe von Google zu überprüfen, wie oft die Begriffe einer Liste mit Floskeln vorkommen und ob sich das in einer Wortwolke darstellen lasse.

Pertsch schickte einen Tag später eine „Floskelwolke“ mit unterschiedlich großen Begriffen. „Er hat dann den Suchalgorithmus programmiert und ich die Datenbank mit Begriffen und Erklärungen gefüllt“, erläutert Stiehl. Am 11. August 2014 ging die Website online. Das Interesse war groß: „Ab diesem Tag stand das Telefon nicht mehr still und wir haben innerhalb der ersten Woche etwa 30 Interviews gegeben.“ So viel ist sicher: Es gibt noch genug zu tun.