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Teofila Reich-Ranicki gestorben

Die Frau von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki wurde 91 Jahre alt. Teofila hatte Marcel Reich-Ranicki am Tag des Selbstmordes ihres Vaters im Warschauer Getto kennengelernt.

Berlin (dapd-hes). Die Frau von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, Teofila, ist am Freitag im Alter von 91 Jahren in Frankfurt am Main gestorben. Das sagte Marcel Reich-Ranicki auf dapd-Anfrage. Teofila war seit 1942 mit dem knapp drei Monate jüngeren Kritiker und Autor verheiratet. Seit 1973 lebte das Paar in Frankfurt am Main. Geboren wurde die Tochter eines jüdischen Kaufmanns am 12. März 1920 in Lodz.

Bekannt wurde Teofila Reich-Ranicki, genannt Tosia, vor allem durch den Autobiografie-Bestseller "Mein Leben" ihres Mannes aus dem Jahr 1999. In ihm wird auch ihr Schicksal in den Vernichtungslagern der Nazis geschildert. Ebenfalls 1999 machte sie als Künstlerin auf sich aufmerksam: Teofila stellte erstmals Zeichnungen aus dem Warschauer Getto aus, die sie herausgeschmuggelt und mehr als fünf Jahrzehnte unter Verschluss gehalten hatte. Später veröffentlichte sie die Werke auch in einem Buch.

Zwtl: Geschätzt wegen ihrer Klugheit und Güte

Teofila hatte Marcel Reich-Ranicki am Tag des Selbstmordes ihres Vaters, der von den Nazis enteignet und gedemütigt worden war, im Warschauer Getto kennengelernt. Kurz vor Auflösung des Gettos und der Ermordung aller Insassen gelang dem Paar 1943 die Flucht. Beide überstanden den Holocaust im Untergrund, begleitet von ständiger Todesangst. Teofilas Mutter überlebte den Genozid nicht. 2009 zeigten Arte und die ARD die Verfilmung der Memoiren mit Matthias Schweighöfer und Katharina Schüttler in den Hauptrollen.

Der einzige Sohn des Paares, Andrew, wurde 1948 geboren. Teofila Reich-Ranicki arbeitete nach dem Krieg als Journalistin und als Übersetzerin. 1958 ließ sie sich in der Bundesrepublik nieder.

Teofila Reich-Ranicki teilte die musischen Leidenschaft ihres Mannes. Sie war, wenngleich im Hintergrund, fast immer an seiner Seite, ob in der Fernsehsendung "Das Literarische Quartett" oder bei den zahlreichen Preisverleihungen, an denen ihr Mann teilnahm: "Wo immer Marcel Reich-Ranicki auftrat, sah man die zierliche, elegant gekleidete Dame mit dem feinen Lächeln in der ersten Reihe. Jedem, der das Paar so erlebte, vermittelte sich ein starker Eindruck von Zusammengehörigkeit: Er das Tosen und die Brandung, sie der Fels", schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Geschätzt wurde sie wegen ihrer Klugheit, Güte, Geduld und ihres Humors.

Auf die Frage, woran seine Frau gestorben sei, antwortete Marcel Reich-Ranicki: "An Deutschland. Um 11.00 Uhr."

 

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