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"Spiegel"-Autor Jürgen Leinemann gestorben

Leinemann durchleuchtete den deutschen Politik-Betrieb wie kein Zweiter. Der anerkannte Journalist, Jahrzehnte für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" im Einsatz, ist nun gestorben.

Hamburg (dpa) - Der "Spiegel"-Journalist Jürgen Leinemann ist tot. Der Autor starb nach einer Krebserkrankung in der Nacht zum Sonntag. Er wurde 76 Jahre alt. Das berichtete das Internetportal "Spiegel Online" am Montag. Leinemann, der als profunder Kenner bundesdeutscher Politik galt, war 1971 zum Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gewechselt, nachdem er in den 1960er Jahren seine journalistische Karriere bei der Nachrichtenagentur dpa begonnen hatte. Das Magazin würdigte ihn am Montag als "großes Vorbild".

Seine Krebserkrankung hatte Leinemann 2009 in seinem Buch "Das Leben ist der Ernstfall" (Hoffmann und Campe) thematisiert und ebenso darin seine journalistische Arbeit und die Begegnungen mit prominenten Politikern beschrieben.

"Der "Spiegel" verliert mit Jürgen Leinemann einen großen Journalisten, einen Freund und kritischen Weggefährten", sagte "Spiegel"-Chefredakteur Wolfgang Büchner. Leinemann habe "große Reportagen und analytische Texte, zunächst aus Washington, dann aus Bonn und Berlin" geschrieben. "Leinemanns unbestechlicher Blick auf die führenden Repräsentanten deutscher Politik wurde zu einem Markenzeichen des "Spiegel"-Journalismus. Leinemanns Porträts, ob über Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder Joschka Fischer, waren schonungslos und doch respektvoll."

Als Psychogramme der Politik-Elite wurden die Porträts Leinemanns vielfach bezeichnet. Er beobachtete die früheren Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder und ebenso Politik-Größen wie Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber, Hans-Dietrich Genscher oder Oskar Lafontaine. Nach dem Fall der Mauer zog es den Bonner Politik-Rechercheur nach Berlin, wo er für den "Spiegel" bis 2001 in Leitungsfunktion seinen Blick weiterhin auf die Politik fokussierte.

Anschließend blieb er als "Spiegel"-Autor tätig und verfasste 2004 mit "Höhenrausch: die wirklichkeitsleere Welt der Politiker" ein Werk, in dem er Realitätsverlust und Suchtverhalten von Politikern und Journalisten untersuchte. Seine Berufskollegen mahnte er auch deswegen einst zu mehr Selbstreflektion. Die journalistische Freiheit in Deutschland werde viel weniger von obrigkeitsstaatlicher Repression als durch die "Knechtschaft einer Selbstverliebtheit" eingeschränkt, sagte Leinemann. "Redlicher Journalismus ist auch eine Charakterfrage."

Im Jahr 2009 erhielt er den Henri-Nannen-Preis für sein publizistisches Lebenswerk. Als wacher Beobachter der politischen Führungsetagen seien ihm intime Einblicke ins Innenleben der Politik gelungen, urteilte die Jury. Andere Auszeichnungen waren ihm zuvor zugesprochen worden, darunter 2007 "Journalist des Jahres" des Fachblatts "Medium Magazin" (Kategorie Lebenswerk).

 

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