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Herbert Fischer-Solms: "Jens Weinreich ist eine Bereicherung für jede Redaktion"

Gibt es eine Lösung für den erbittert geführten Streit zwischen dem freien Sportjournalisten Jens Weinreich und dem Deutschlandfunk? Ja, sagt Herbert Fischer-Solms. Der Doyen des kritischen Sportjournalismus sagt zu NEWSROOM: "Es wäre großartig für den Deutschlandfunk, diesen wunderbaren Sender, wenn er sich Jens Weinreich wieder annähern könnte. Sonst ist es ein großer Verlust für beide Seiten."

Hamburg - 38 Jahre und drei Monate war Herbert Fischer-Solms Redakteur in der Sportredaktion beim Deutschlandfunk, bis Ende 2011. Der heute 65-Jährige gehört zu den kritischsten Sportjournalisten der Republik. Und Fischer-Solms zählt zu den Journalisten, die zu ihren Überzeugungen auch mit eigenem Namen stehen: "Der Zustand des Sportjournalismus in Deutschland ist ziemlich erbärmlich", sagt Fischer-Solms. Viele Sportjournalisten seien zu sehr Fan. "Gesinnungsjournalismus" nennt das Fischer-Solms, wenn er über Journalisten spricht, die gerne mit den Sportlern "in einem Boot sitzen": "Das ist kein Journalismus, wir müssen doch kontrollieren, das ist unsere Aufgabe."

Fischer-Solms hat Jens Weinreich vor über 20 Jahren als freien Mitarbeiter zum Deutschlandfunk geholt: "Ich habe Jens Weinreich als großartigen Journalisten erlebt. Er ist vielseitig, beim Deutschlandfunk hat er bewiesen, dass er auch Hörfunk kann." Keine sportpolitische Veranstaltung auf internationaler Ebene ohne Jens Weinreich, "seine Beiträge waren funkisch, er hat immer Originaltöne gehabt", schwärmt Fischer-Solms. Sein Netzwerk sei exzellent, auf seine Informationen habe sich die Redaktion immer verlassen können.

Und es gab nie Schwierigkeiten mit Jens Weinreich? Doch, gab es, sagt Fischer-Solms. "Natürlich habe ich mich mit Jens Weinreich auch gerieben. Aber das war im Grunde genommen immer produktiv. Es ist doch so, wenn wir einen Journalismus hätten, in dem wir nur die netten Kollegen haben, und immer nur die, die zu allem Ja und Amen sagen, was wäre das für ein Journalismus? Jens ist ein unbequemer Mensch und daher für jede Redaktion eine unheimliche Bereicherung." Mit Weinreich habe man sich stets auf der fachlichen Ebene einigen können.

 

Herbert Fischer-Solms.

 

 

Hat sich die Sportredaktion vom Deutschlandfunk eigentlich überhaupt schon einmal von freien Mitarbeitern getrennt? Die Kern-Redaktion ist schließlich klein, jedoch sollen möglichst alle Sportbereiche abgedeckt werden. An zwei Fälle kann sich Fischer-Solms erinnern, in über 38 Jahren als Redakteur beim nationalen Hörfunk - ein Journalist sei ein Hochstapler gewesen, eine Kollegin habe "einfach nicht die Qualität" gehabt.

Dass Kritik auch im Sportressort geäußert und Situationen hinterfragt werden, dafür plädiert der Deutsche Journalisten-Verband. Hendrik Zörner sagt zu NEWSROOM: "Vor allem die Sportberichterstattung braucht Journalisten, die kritisch sind, die das Sportgeschehen hinterfragen. Sonst droht uns eine Eins-zu-null-Berichterstattung, die nur noch Aktualität kennt und das Wort Hintergrund nicht mehr buchstabieren kann. Es muss im Sport Journalisten geben, die gegen den Mainstream schreiben und senden. Sonst ist es um die journalistische Vielfalt schlecht bestellt."

Die Journalistin Grit Hartmann hat sich Anfang des Jahres freiwillig entschieden, nicht mehr für den Deutschlandfunk-Sport zu arbeiten. Im Interview mit NEWSROOM sagt sie, warum: "Mit der personellen Neubesetzung hat es einen merklichen innerredaktionellen Qualitätseinbruch gegeben, hat so genannter Interviewjournalismus Raum gewonnen, mit wenig Distanz, mit wenig Kompetenz auch, in einer Form, die ich als PR bezeichne, weil Bühne geboten wird für Selbstdarstellungen von Sportfunktionären, populären Bundesligamanagern oder Trainern."

Beim Deutschlandfunk, so Hartmann, gebe es ein größeres Problem als den Streit zwischen Jens Weinreich und der Sportredaktion: "Das Statement der Chefredakteurin hat mich überrascht, eine derart erschreckende Niveaulosigkeit hätte ich dort nicht vermutet."

Bülend Ürük

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