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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Alterserkenntnis 3: Hans-Ulrich Jörges wird 65 und beobachtet einen Trend, dass alle in die geiche Richtung rennen, gleich kommentieren und den gleichen Irrtümern unterliegen

Dass Jörges mal beim „Stern“ landen und „Journalist des Jahres“ in der Kategorie Politik werden würde, war alles andere als selbstverständlich.

Berlin (dpa) − Hans-Ulrich Jörges feiert am 8. Dezember seinen 65. Geburtstag − sein letzter Arbeitstag ist das aber noch nicht. Jörges, Mitglied der „Stern“-Chefredaktion und langjähriger Leiter des Hauptstadtbüros, ist nicht der Typ, der sich darauf freuen würde, die Beine hochzulegen und Däumchen zu drehen. Ruhestand und Rente? „Das klingt ja schon sehr schräg“, sagt der Journalist. Erst einmal läuft sein Vertrag mit Gruner & Jahr noch bis Juni 2017. Und für danach ist vereinbart, dass er weiter für den „Stern“ schreiben wird, seine populäre Kolumne „Zwischenruf“.

 

Dass Jörges mal beim „Stern“ landen und „Journalist des Jahres“ in der Kategorie Politik werden würde, war alles andere als selbstverständlich. Geboren wurde er 1951 im thüringischen Bad Salzungen, sechs Jahre später verließ die Familie die DDR Richtung Westen. Sein Abi hat Jörges in Frankfurt gemacht.

 

Eigentlich wollte er gar nicht Journalist werden, aber vor dem Studium einen Beruf lernen. „Ich bin zum Arbeitsamt gegangen und hab‘ gefragt, was die mir raten würden“, erzählt er. Die Berater haben ihm eine Setzerlehre oder ein Volontariat bei der Nachrichtenagentur VWD vorgeschlagen. Jörges entschied sich für Letzteres − weil die Setzerlehre deutlich länger gedauert hätte.

 

Nach dem Volontariat hat er angefangen zu studieren − Soziologie, Politik, Germanistik -, parallel aber weiter beim VWD gearbeitet. Und damit stellte sich dann doch die Frage, ob das nicht ein Beruf für ihn sein könnte. „Deshalb habe ich das Studium dann abgebrochen, das ist mir nicht leicht gefallen“, sagt er. Kurz darauf ist er in die Deutschlandzentrale der Nachrichtenagentur Reuters nach Bonn gewechselt, 1979 Reuters-Büro-Leiter in Berlin geworden.

 

Zum „Stern“ kam Jörges 1985 und wurde nach einer Zwischenstation bei der „Süddeutschen Zeitung“ erst Politik-Chef, dann stellvertretender Chefredakteur des Magazins in Hamburg.

 

„Die aufregendste Zeit war meine Reuters-Zeit in West-Berlin“, sagt Jörges, die Jahre vor dem Mauerfall. „Da konnte man gar nicht Atem holen, was da alles passiert ist.“ Ost-West-Konflikt, Hausbesetzerszene, regelmäßig Demos in Kreuzberg − Jörges mittendrin.

Der Journalismus ist seitdem ein anderer geworden. Das Lagerdenken sei Geschichte, aber es habe auch einen Verlust an Meinungsvielfalt in den Medien gegeben, sagt Jörges. Und er beobachtet einen starken Trend zum Rudeljournalismus: „Alle rennen in die gleiche Richtung, kommentieren gleich, unterliegen den gleichen Irrtümern.“

 

Seit 2002, als Jörges die Leitung des „Stern“-Hauptstadtbüros übernahm, schreibt er seine wöchentliche Kolumne. Und von der will er auch nicht lassen, wenn er ab kommenden Sommer nicht mehr regelmäßig ins „Stern“-Büro in der Friedrichstraße geht.

 

Vielleicht bleibt dann sogar mehr Zeit für andere Interessen. „Ich fahre einmal in der Woche Trabrennen in Karlshorst auf der Trabrennbahn mit einem Trainer“, erzählt er. „Und ich mache zweimal die Woche Boxtraining, jeweils eineinhalb Stunden.“ Es gebe nichts, was einen von Kopf bis Fuß so durchtrainiere. Bücher geschrieben hat Jörges schon einige. Eine Idee für das nächste hat er auch schon − es geht um eine Berlin-Geschichte aus der Zeit, die er als seine spannendste in Erinnerung hat. Mehr will er noch nicht verraten.

 

Von Andreas Heimann, dpa