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"Guten Abend, meine Damen und Herren": Wilhelm Wieben wird 80

In Falcos Skandalsong "Jeanny" trat er als Nachrichtensprecher auf, und Udo Lindenberg singt in einem Lied: "Später spricht dann Wilhelm Wieben, er ist sich immer treu geblieben". Als "Tagesschau"-Sprecher gehörte Wieben zu Deutschlandes bekanntesten TV-Gesichtern. Das merkt er noch immer.

Hamburg (dpa) - Für seine enge Freundin Dagmar Berghoff hätte Wilhelm Wieben bei der traditionellen Rummikub-Partie an seinem Geburtstag daheim auch den Fernseher eingeschaltet. "Wenn das HSV-Spiel an dem Tag gewesen wäre, selbstverständlich", sagt er und meint die alles entscheidende Relegation der Hamburger Kicker. Doch der Zeitplan der Bundesliga spielte gerade noch einmal mit: Am Montagabend der Hamburger SV beim Karlsruher SC, und am Dienstag (2. Juni) kann der Ex-"Tagesschau"-Sprecher seinen 80. feiern wie gewohnt: beim Rummikub-Abend mit der ehemaligen Kollegin Berghoff (72) und zwei weiteren Freunden in seiner Hamburger Wohnung.

Für Fußball interessiere er sich auch gelegentlich, sagt Wieben. "Aber ins Stadion gehe ich nicht, das überlasse ich Dagmar", erzählt er über die einstige Chefsprecherin der "Tagesschau". Berghoff saß mal im HSV-Aufsichtsrat, da waren sie beide noch beim ARD-Nachrichtenflaggschiff. Sie verabschiedete sich dort 1999 aus dem Studio, er im Jahr zuvor. "Ich habe vor 17 Jahren aufgehört und seitdem keinen Tag gedacht: Oh Gott, wie schade", sagt er. Noch immer werden auf der Straße sein Gesicht und seine Stimme erkannt. "Aber wenn man mich anspricht, ist das immer sehr maßvoll." Der distanziert wirkende, hagere Mann ist nicht der Typ, dem man mal eben kumpelhaft auf die Schulter klopft.

Als "total kompromisslos" beschrieb Berghoff ihn mal und Wieben pflichtete ihr bei. "Ich bin auch ein Einzelgänger", erzählt der gebürtige Dithmarscher, "deshalb ist selbst die Zeit mit Freunden limitiert". Den Wunsch nach Ehe oder Kindern habe er nie gehabt, sagt Wieben, dessen Homosexualität seine Freundin Inge Meysel (1910-2004) mal in der Öffentlichkeit zum Thema machte: "Eigentlich habe ich nur schwule Freunde. Ich verreise zum Beispiel gerne mit Wilhelm Wieben", sagte die Schauspielerin 1995 in einem Interview. Das Votum der Iren für die Homo-Ehe hat er mit Freude verfolgt. Es habe sich schon viel getan, betont er, aber: "Je mehr Fortschritte in den Ländern gemacht werden desto positiver."

26 Jahre lang war Wieben Sprecher bei Deutschlands bekanntester Nachrichtensendung, Musiker wie Falco ("Jeanny") und Udo Lindenberg ("Mein Ding") verewigten ihn in ihren Songs. Kontakt zur "Tagesschau" hat er heute nicht mehr. "Es war für mich eine wunderschöne Berufszeit. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei", sagt er. Zu seinen schönsten Momenten habe gehört, nach dem 20-Uhr-Gong verkünden zu können: "Guten Abend, meine Damen und Herren, Deutschland ist Fußball-Weltmeister." Zu den traurigsten Augenblicken zählten jene, in denen er den Tod von Menschen mitteilen musste, mit denen er selbst verbunden war, etwa Schauspielerin Brigitte Horney. 

Auch Wieben hatte einst Schauspiel studiert und stand später unter anderem in der Hamburgischen Staatsoper und im Schmidts Tivoli auf der Bühne. Leidenschaftlich gern besucht er Theatervorstellungen, oft mit Freundin Dagmar. Den Fernseher, der hinter Schranktüren verborgen ist, schaltet er meistens nur abends ein, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren. Aber am Computer daddele er gern immer wieder mal, erzählt er. "Ich bin ja generell ein Spieler", sagt Wieben und bekennt: "Spielcasinos meide ich, weil ich weiß, dass ich da sehr gefährdet bin. Ich war mal in so einer Situation, in der ich zwar nicht viel verloren habe, aber einiges dafür gegeben hätte, noch mehr Geld zu haben." Damals, vor mehr als 30 Jahren, habe er die Konsequenz für sich daraus gezogen, nie wieder ein Casino zu betreten.  

Genauso entschlossen hat er inzwischen seine Arbeit beendet, die er nach der "Tagesschau" etwa mit Lesungen und Hörbüchern fortgesetzt hatte. "Als ich feststellte, ich habe gar keine Lust mehr dazu, war das ein Warnschuss", erzählt er. "Man muss dann eben auch - wenn man das finanziell kann - einen Schlussstrich ziehen." Er genieße die Zeit jetzt, sagt er. Bevorzugt verbringt der Klassikliebhaber und Sammler wertvoller Porzellanfiguren sie allein in seiner hellen Wohnung mit üppig grünenden Dachterrassen im Hamburger Stadtteil Winterhude. "Und, auch wenn das jetzt wie eine Floskel klingt: Ich fühle mich überhaupt nicht wie 80."

Von Dorit Koch, dpa