Journalistenpreise
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Theodor-Wolff-Preise für Wedding-Porträt und Bildungsbürger-Glosse

Mit dem Internet wurde der Journalismus endgültig multimedial. Aber oft ist das Wort eben doch das stärkste Medium. Das zeigen wieder die Texte, die mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet werden.

Aachen (dpa) - In einem Text geht es um behinderte Menschen und ihre Sexualität, in einem anderen um einen Mann, der seine Mutter während der Kulturrevolution in China ans Messer lieferte. Für solche journalistischen Meisterleistungen sind am Mittwoch in Aachen fünf Autoren mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet worden. Außerdem erhielt Rudolph Chimelli (86, "Süddeutsche Zeitung") eine Ehrung für sein Lebenswerk.

Exzellenter Journalismus sei ein wirksames Plädoyer für das Medium Zeitung, sagte Hermann Neusser, Vorsitzender des Preis-Kuratoriums und Verleger des Bonner "General-Anzeigers" laut Redemanuskript: "Unser Kern ist die Nachricht, wir sind Erzähler und Deuter von Geschichten, großen und kleinen." Die fünf Theodor-Wolff-Preise in drei Kategorien sind mit jeweils 6000 Euro dotiert.

Johannes Ehrmann wurde in der Sparte Lokales für sein Berliner Stadtteilporträt "Wilder, weiter Wedding" im "Tagesspiegel" ausgezeichnet, ein inhaltlich sehr dichter, sprachlich mutiger Text.

Ebenfalls im Lokalen erschien die Reportage von Benjamin Piel ("Elbe-Jeetzel-Zeitung"). Er setzt sich schwierigen Gesprächen aus, und seine Leser können sie durch den Text miterleben. Es geht um sexuelle Dienstleistungen für behinderte Menschen, und niemand kann das so unaufdringlich recherchieren wie ein Wort-Reporter.

Mit dem Chinesen, der sich seit 34 Jahren fragt, wie er zum wilden Tier werden und seine Mutter verraten konnte, hat Kai Strittmatter ("Süddeutsche Zeitung") gesprochen. Er bekam den Preis in der Kategorie Reportage/Essay/Analayse, ebenso wie Kerstin Kohlenberg ("Die Zeit"). Sie beschreibt die Wut eines Filmproduzenten, dessen teures Werk von einem Räuber kopiert und online gestellt wird.

Peter Unfried ("taz") hat in der Kategorie Meinung/Kommentar mit einer Glosse überzeugt. Er schildert das bildungsbürgerliche Naserümpfen darüber, dass es Unterhaltung und Ernstes nicht mehr nur in der Musik zu geben scheint, sondern auch in der Philosophie.

Chimelli lebt seit 1979 in Paris und schreibt von dort aus nicht nur über Frankreich, sondern auch über die gesamte islamische Welt. Er zählt nach Aussage der Jury zu den Auslandskorrespondenten, die das Bild eine eines Kulturkreises mitgeprägt haben.

Der Theodor-Wolff-Preis erinnert an den Chefredakteur des "Berliner Tageblatts". Wolff floh 1933 vor den Nazis nach Frankreich, wurde dort der Gestapo ausgeliefert und starb 1943 in Berlin. Die Preisverleihung richtete der Zeitungsverlag Aachen aus.