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Wenn Teams zerbrechen: Kündigen oder kämpfen?

Wenn Teams zerbrechen: Kündigen oder kämpfen? Attila Albert

Schlechte Führung, Chaos im Alltag, keine Perspektive – viele Fachkräfte arbeiten in Teams, die längst am Limit sind. Doch wann ist es besser zu gehen, statt weiter durchzuhalten? Karrierecoach Attila Albert zeigt, wie man die eigene Lage richtig einschätzt – und warum manchmal nur der Absprung hilft.

Berlin – Jedes Medienhaus musste in den vergangenen Jahren enorme Herausforderungen bewältigen – oder steckt noch mittendrin. Die ständigen Stellen- und Budgetkürzungen, Reorganisationen und zusätzlichen Anforderungen haben Spuren hinterlassen. Eine neue Studie der Unternehmensberatung Deloitte (PDF) über alle Branchen hinweg zeigt: 68 Prozent der Befragten haben am Arbeitsplatz zu wenig Zeit, um sich auf essenzielle Aufgaben zu konzentrieren – an Kreativität und Innovation ist gar nicht zu denken. 41 Prozent verbringen ihre Arbeitszeit nicht mit wertschöpfenden Tätigkeiten.


Manche Medienprofis finden sich inzwischen in Teams wieder, die faktisch zerstört sind: keine geordnete Führung mehr, die Perspektiven entwickelt und Probleme löst, die Stimmung ist angespannt oder gar feindselig, neue Arbeitskolleg:innen kommen und gehen oft schon bald wieder. Nur das drängende Alltagsgeschäft wird noch erledigt, Sinn und Qualität der Aufgaben und Abläufe werden seit Langem nicht mehr hinterfragt oder weiterentwickelt. Es ist klar, dass sich kaum jemand in solch einem Umfeld wohlfühlt – auch wenn individuelle Bedürfnisse und Empfindlichkeiten variieren.

 

Soziale Struktur am Arbeitsplatz beschädigt
Ein schlechtes Betriebsklima hat selten nur persönliche Gründe, auch wenn schwierige Vorgesetzte oder Kolleg:innen dazugehören können. Vielmehr ist die soziale Struktur am Arbeitsplatz grundsätzlich beschädigt und müsste auf mehreren Ebenen neu aufgebaut werden:

  • Der Chef hat aufgegeben. Er versucht nicht mehr, Verbesserungen zu erreichen, sondern äußert sich resigniert: „Ich habe alles versucht, man lässt mich einfach nicht.“ Nicht selten sucht er bereits heimlich einen neuen Job oder hat schon gekündigt.
  • Ständige Wechsel. Ein Teil des Teams ist seit Jahren dabei, kennt es nicht anders und wirkt wenig flexibel. Neue Kolleg:innen kündigen jedoch häufig schon in der Probezeit wieder. Offene Stellen bleiben monatelang unbesetzt und belasten die verbleibenden Mitarbeitenden zusätzlich.
  • Persönliche Konflikte. Im Team herrschen Dauerdiskussionen darüber, wer was entscheiden darf bzw. wer für welche Aufgaben zuständig ist. Häufig wird das als zwischenmenschliches Problem gewertet – in Wahrheit wurzelt es in Führungs- und Organisationsmängeln.
  • Keine Perspektive. Die Probleme im Team und mit der Führung sind bekannt, auch auf höherer Ebene. Dort werden sie jedoch ignoriert oder als unwichtig abgetan. Hauptsache, der Betrieb läuft weiter – für die Betroffenen heißt das: Sie sind auf sich allein gestellt.

 

Sich Perspektiven schaffen – nicht nur durchhalten
„Wie lange soll ich mir das antun?“ ist die naheliegende Frage in solch einer Situation. Die Antwort hängt von den persönlichen Möglichkeiten und Alternativen ab: Was erlaubt die familiäre und finanzielle Lage? Ist eine neue Stelle in Aussicht? Soll eine Selbstständigkeit angestrebt werden? Entscheidend ist, die nötigen praktischen Schritte anzugehen, statt sich immer nur ins nächste Wochenende, in Krankmeldungen oder Urlaube zu flüchten. Vermeidung mag kurzfristig angenehm sein, kostet langfristig aber viele Chancen.

 

Reines Durchhalten schadet zudem der eigenen Professionalität. Man arrangiert sich – etwa aus familiären Gründen – und gewöhnt sich an Unprofessionalität sowie problematisches Führungs- und Kollegenverhalten. Mit den Jahren wird das zur Normalität. Selbstrespekt und der Anspruch an sich selbst können deshalb der Auslöser sein, den Job zu wechseln – auch wenn das zunächst praktische Herausforderungen wie Probezeit oder Umzug mit sich bringt.

 

Im Einzelfall: Selbst auf die Teamleitung bewerben
Ist die Teamleitung unbesetzt, etwa weil der Chef gekündigt hat oder gehen musste, kann die selbstbewusste Bewerbung auf die freie Führungsposition ein Weg sein. Empfehlenswert ist zuvor ein informelles Gespräch mit der Geschäfts- oder Bereichsleitung – sind Veränderungen erwünscht, und würde man überhaupt berücksichtigt? Oft zeigt sich, dass die Probleme bekannt, aber aus Desinteresse an Details oder fehlender Entschlusskraft nicht angegangen werden. Hauptsache, das Team liefert weiter.

 

Manchmal kann es dennoch sinnvoll sein, die Führungsrolle zu übernehmen – vor allem, wenn es die erste derartige Position ist und man sich später andernorts besser bewerben kann. Große Illusionen sollte man sich jedoch nicht machen: Auf unterer oder mittlerer Führungsebene hat man oft zu wenig Einfluss, um Prioritäten, Abläufe oder gar die Unternehmenskultur nachhaltig zu ändern. Setzen Sie sich daher vorab eine klare Grenze, wie lange Sie Veränderungen versuchen wollen.

 

Die Erfahrung, in einem zerstörten Team gearbeitet zu haben, sensibilisiert – und macht bei künftigen Bewerbungen aufmerksamer: Zeigt der potenzielle neue Chef Interesse an strategischen und konzeptionellen Fragen? Wirkt er persönlich integer? Welchen Eindruck hinterlassen Büros und Teammitglieder? Achten Sie also nicht nur darauf, selbst einen guten Eindruck zu machen, sondern prüfen Sie auch, welchen Eindruck Ihr Gegenüber bei Ihnen hinterlässt. Denn oft vergisst man: Arbeitgeber bewerben sich genauso bei Ihnen.

 

Zur vergangenen Kolumne: Sprung an die Spitze

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

www.media-dynamics.org 

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