Jobs
Newsroom

Wenn der Job krank macht – und man trotzdem bleibt

Wenn der Job krank macht – und man trotzdem bleibt Attila Albert

Toxische Chefs, Intrigen und Spannungen prägen viele Redaktionen. Warum Medienprofis oft jahrelang ausharren und was ihnen wirklich helfen würde, erklärt Karrierecoach Attila Albert.

Berlin – Immer wieder klagen Medienprofis über die Atmosphäre an ihrem Arbeitsplatz, wobei die Namen bestimmter Unternehmen auffällig häufig fallen. Zu den typischen Beschwerden gehören: Chefs, die ihre Mitarbeiter überlasten (z. B. durch ungenügende Planung der Aufgaben und Ressourcen) – oder in kritischen Momenten verraten (z. B. bestreiten, bestimmte Versprechen gemacht oder Anweisungen gegeben zu haben). Auch faule, intrigante oder menschlich schwierige Kollegen (z. B. schnippisch oder streitsüchtig) vergiften die Arbeitsatmosphäre. Selbst Kleinigkeiten – etwa die Frage, ob das Fenster im gemeinsamen Büro geöffnet oder geschlossen werden soll – eskalieren dann.


In den vergangenen Jahren hat sich dafür das Modewort „toxisch“ (giftig) etabliert. Es steht für negative, schädliche und destruktive Beziehungen, die von Herabsetzung, Manipulation und Kontrolle geprägt sind. Während dieses Verhalten früher leicht zu identifizieren war, wenn ein Vorgesetzter etwa ein Teammitglied angeschrien, bedroht oder beleidigt hat, ist das heute schwieriger. Konflikte werden derzeit eher passiv-aggressiv (verschleiert) ausgetragen. Oberflächlich gesehen ist der Umgang „partnerschaftlich“, „wertschätzend“ und „achtsam“: Man duzt sich, lächelt einander an und vermeidet jedes Wort, das einen angreifbar machen würde. Aber jeder spürt die Spannungen.


Wer davon betroffen ist, richtet seinen Fokus zuerst auf diejenigen, die er als Schuldige ausgemacht hat, also die schwierigen Chefs und Kollegen, danach meist etwas abstrakter auf die Unternehmensleitung, die deren Verhalten offenkundig toleriert und damit sogar fördert (z. B. Beschwerden nicht weiterverfolgt, typische Warnzeichen wie hohe Krankheits- und Kündigungsraten ignoriert). Einmal aber, wenn Beschwerden, Vorwürfe und Klagen nicht weitergeholfen haben, rückt die entscheidende Frage in den Vordergrund: „Warum mache ich das überhaupt mit, so lange schon?“ Die resignierte, aber auch oberflächliche Antwort darauf lautet: „Ich muss ja, ich habe aktuell nichts anderes.“


Tatsächlich kann die Suche nach einer Alternative – Wechsel in ein anderes Team, zu einem anderen Arbeitgeber oder in die Selbständigkeit – sechs bis neun Monate benötigen, niemals aber Jahre. Falls doch, hat das meist einen dieser Gründe:


Hoffnung, dass sich von selbst etwas ändert
Schon für die Erkenntnis, dass man in einem toxischen Umfeld arbeitet, braucht man einige Monate oder manchmal sogar Jahre. Danach wollen viele Betroffene keine übereilten Entscheidungen treffen, sondern sich erst gedanklich und dann praktisch neu orientieren. Dabei schwingt jedoch vielfach die Hoffnung mit, dass es gar keine komplizierten, riskanten Umbrüche braucht, sondern sich das Problem eventuell von selbst löst (z. B. der schwierige Chef wieder geht). Hier sollte man realistisch sein: Es liegt oft gar nicht an Einzelpersonen, sondern an der generellen Unternehmenskultur. Tipp: Maximal ein Jahr lang beobachten und überlegen, danach eine Veränderung entschlossen und konsequent angehen.


Alltagsfluchten und Urlaube als Trost
Gerade mittlere Angestellte sind ewig unentschlossen, weil ja selbst der schwierigste Job auch seine guten Seiten hat – und wenn es die relative Sicherheit und das berechenbare Gehalt sind. Aber da sie doch nicht wirklich zufrieden und glücklich sind, suchen sie Trost anderswo: in Alltagsfluchten (z. B. Shopping, übermäßige Restaurant- und Barbesuche), in Krankmeldungen und Urlauben. Das verschafft jeweils eine Atempause und Erleichterung, verschleppt aber überfälliges Entscheiden und Handeln. Die Ausgaben dafür binden einen immer wieder an den ungeliebten Job. Tipp: Konsumausgaben (z. B. Reisen) reduzieren, dafür mehr in die eigene Zukunft investieren (z. B. Karriereberatung, Weiterbildung).


Mangelnder Fokus auf den Wechsel
Manche Betroffene verlieren bei ihren Bemühungen das Ziel aus den Augen – was für sie auch bequem ist, denn damit ersparen sie sich die Mühen einer echten Veränderung. Typisches Beispiel: Aus Frust eine Weiterbildung beginnen, ganz darin aufgehen, den Job dann insgesamt wieder erträglich finden – und deshalb nach Abschluss der Weiterbildung doch bleiben. Auf diese Weise rächt es sich regelmäßig, wenn Weiterbildungen nicht auf ein konkretes Ziel ausgerichtet sind, das dann schon parallel angegangen wird, sondern eher einem allgemeinen Interesse folgen. Tipp: Das langfristige Ziel früh einer Vertrauensperson mitteilen (z. B. Mentor, Coach, Partner), die einen immer wieder daran erinnert.


Suche nach einer perfekten Alternative
Dass – wie bereits erwähnt – selbst der schwierigste Job auch seine guten Seiten hat, führt bei manchen Betroffenen zu der Erwartung, dass eine Alternative praktisch perfekt sein müsse, um einen Wechsel zu riskieren. Alle Vorteile der aktuellen Stelle aufweisen plus zusätzliche Verbesserungen (z. B. höhere Position, mehr Gehalt), zudem keine Verschlechterungen (z. B. anderer Arbeitsort, der einen Umzug erfordern würde). Solche Traumjobs gibt es jedoch nicht, wie man nach langer erfolgloser Suche bzw. ernüchternden Bewerbungsgesprächen schließlich einräumen muss. Tipp: Eine Rangfolge der Kriterien für einen neuen Job festlegen – inklusive der Zugeständnisse, die man dafür machen würde.


Selbstwertgefühl und Zuversicht zu gering
Manche Berufstätige kommen, wenn sie sich mit den tieferen Gründen für ihr Verhalten beschäftigen, am Ende zu der Einsicht, dass sie sich selbst sabotieren: Jede Chance direkt wieder verwerfen, überall nur die Nachteile sehen, selbst schwierig sind. Hier zeigt sich bei genauerer Beschäftigung mit den Ursachen oft: Sie sind insgeheim davon überzeugt, dass sie gar nichts Besseres finden werden, es nicht einmal verdienen. Seelisch gesunde Menschen bleiben auf Dauer nicht in toxischen Umgebungen. Tipp: „Biografiearbeit“, also der Blick auf den eigenen Werdegang mit professioneller Unterstützung (z. B. Therapeut, geistlicher Begleiter), kann wiederkehrende Muster und neue Denkansätze aufzeigen.

 

Zur vergangenen Kolumne: Neustart statt Dauerstress

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

www.media-dynamics.org