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Vaterzeit, Karriereknick?

Vaterzeit, Karriereknick? Attila Albert

Immer mehr Väter nehmen Elternzeit – und erleben dafür unterschwellige Sanktionen im Job. Karrierecoach Attila Albert erklärt, wie Männer mit Rückstufung, Ausgrenzung und verpassten Chancen umgehen können – und warum realistische Erwartungen helfen.

Berlin – Als sich vor 15 Jahren einer meiner damaligen Arbeitskollegen in die Elternzeit abmeldete, wurde das in der Redaktion noch mit einiger Überraschung aufgenommen. Es sorgte für Anerkennung, dass er sich als beruflich ambitionierter Mann entschied, mehrere Monate ganz seiner neuen Familie zu widmen. Aber auch Neid war bei denen spürbar, die diese Möglichkeit zu ihrer Zeit noch nicht hatten – und stille Verärgerung bei denjenigen, die wussten, dass sie in der Zwischenzeit seine Arbeit zusätzlich mit übernehmen mussten, ohne dafür vergütet zu werden oder sich überhaupt darüber offen beklagen zu können.


Diese zwiespältige Reaktion am Arbeitsplatz spüren heutige Väter, die sich selbst als progressiv empfinden, noch immer. Die Elternzeit ist in Deutschland bereits seit 2007 ein gesetzliches Anrecht, und es gibt kein Medienhaus, das nicht die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie verspricht. In der Praxis berichten junge Väter allerdings doch häufig von negativen Reaktionen: Sie werden, kaum haben sie ihre Elternzeit angekündigt, zu wichtigen Projektmeetings nicht mehr eingeladen und aus den Verteilern entfernt. Eigentlich anstehende Beförderungen werden verschoben, sogar zurückgenommen. Der unausgesprochene Vorwurf: Ihre Prioritäten lägen ja erkennbar jetzt im Privaten.


Für diese jungen Männer ist das Verhalten ihrer Vorgesetzten und mancher Teamkollegen ernüchternd, oft sogar ein Schock. Es steht im offenen Widerspruch zu den öffentlichen Versprechen ihres Arbeitgebers – etwa auf der Karriereseite und in den HR-Materialien. Mehr noch, sie müssen nicht selten eine ungleiche Behandlung feststellen: Manche Kollegin in einer Führungsposition erhielt noch eine öffentlichkeitswirksame Beförderung, ehe sie in den Mutterschutz bzw. die anschließende Elternzeit ging (während ihr Vertreter dann still ihre Arbeit erledigen durfte). Die betroffenen Männer schlussfolgern dann, dass am Ende von ihnen doch ein traditionelles Rollenverhalten erwartet wird – und sich anderes rächt.


Zurückstufung durch Anwalt prüfen lassen
Die Auseinandersetzung damit beginnt, wie so oft, mit realistischen Erwartungen. Natürlich ist kein Arbeitgeber begeistert, wenn ein Mitarbeiter monatelang abwesend sein wird – bei sowieso schon vorhandener hoher Arbeitsbelastung des Teams und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Einstellung zeitweisen Ersatzes (Zeitarbeit, Freie) oft nicht mehr erlaubt. Väter erleben hier vielfach dieselbe kühle bis faktisch ablehnende Reaktion wie z. B. Medienprofis, die sich für mehrjährige berufsbegleitende Weiterbildungen entscheiden – und die so gar nicht zur Eigenwerbung („Employer Branding“) des Arbeitgebers passt. Unschön, aber auch kein Grund, sich ewig darüber zu ärgern.


Anders sieht es bei objektiven Zurücksetzungen aus, etwa bei dem Versuch, jemanden wegen der Elternzeit in der Position inklusive vertraglichem Gehalt zurückzustufen oder dauerhaft aus dem Impressum zu streichen. Hier empfiehlt sich die individuelle Prüfung durch einen Anwalt. Manchmal genügt bereits der Hinweis darauf, um den Arbeitgeber wieder umzustimmen – da das ohne eine Änderungskündigung normalerweise gar nicht möglich ist. In der Grauzone bewegt sich die Entfernung aus Projektgruppen und Verteilern, wenn die Hauptarbeit klar während der Elternzeit stattfinden wird. Eventuell muss man damit leben, einige Zeit als weniger relevant zu gelten – und nicht mehr alles zu erfahren.


Realistischer Blick auf Arbeitgeberinteressen
Einige junge Väter hat die Möglichkeit der Elternzeit allerdings auch zu Illusionen verleitet, die sie zugunsten einer realistischen Sicht beiseitelegen sollten:

  • Die Selbstwahrnehmung, sie machten all das aus uneigennützigen Motiven – für die Partnerin und die Kinder –, wenn sie die Auszeit eigentlich dringend selbst brauchen (z. B. wegen Überlastung im Job). Hier kann die Elternzeit die Chance sein, zukünftig neue Prioritäten zu setzen und sich nicht mehr zu überfordern. Wege dafür sind z. B. der Wechsel auf Teilzeit oder ein Karriereschritt zurück.
  • Die Annahme, dass sich der Arbeitgeber „für einen freuen müsste, weil man nun Papa geworden sei“. Das verkennt bei aller persönlichen Herzlichkeit, die es im Team geben mag: Zuallererst handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis – man löst Probleme des Arbeitgebers und wird dafür bezahlt –, nicht um ein Vehikel, seine persönlichen Angelegenheiten möglichst gut zu organisieren.

Auf Seiten des Arbeitgebers spielt immer auch die Sorge mit, dass sich ihr Mitarbeiter nun vor allem der Familie widmen oder einen generellen Ausstieg vorbereiten wolle – und er deshalb besser verstärkt auf andere Teammitglieder setzen sollte. An Männer werden hier, aller Modernität zum Trotz, noch immer andere Erwartungen gestellt.


Väter mit Karriereambitionen sollten diese Bedenken entkräften:

  • Im Job nur begrenzt über Privates reden (z. B. nicht ständig ausführlich über den letzten Ausflug mit den Kindern, Arztbesuche, schulische Probleme)
  • Beruflich Präsenz zeigen – idealerweise mit externer Unterstützung (z. B. Hilfe im Haushalt und für Erledigungen)
  • Sich nicht beiseite drängen lassen

Nach Rückkehr aus der Elternzeit lässt sich die Unterbrechung von wenigen Monaten, in denen man durchaus auch einmal zu einer Branchenveranstaltung oder zu einem Team-Event gehen darf, so schnell wieder aufholen – und ist von den anderen bald wieder vergessen. Man ist zurück im beruflichen Alltag, mit allen Vor- und Nachteilen.


Falls sich jedoch in der Elternzeit der Wunsch entwickelt hat, generell andere Prioritäten in seinem Leben zu setzen, ist das selbstverständlich ebenso erlaubt und möglich (ausführlich dazu in meinem Ratgeber Ich brauch keinen Purpose, sondern Geld). Das erfordert Konsequenz und hat seinen Preis – macht einen dann aber langfristig glücklicher.

 

Zur vergangenen Kolumne: Ghosting im Medienbusiness

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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